Ernst Ehrentreu

Ernst Jonach Ehrentreu (geb. 12. Mai 1896 in München; gest. 11. November 1981 in London) war in den 1920er und 1930er Jahren ein jüdisch-orthodoxer Rabbiner in München. Er wurde während einer Haft im NSDAP-Konzentrationslager Dachau bei München, noch vor den massenhaften Judendeportationen aus seiner Heimatstadt ab November 1941, gezwungen, Deutschland 1939 mit seiner Familie zu verlassen. Nach dem Ende der Shoah blieb er bis zum Lebensende im Exil in London.

Leben

Familie und Beruf

Ernst Ehrentreu kam als zweites von fünf Kindern zur Welt. Seine Mutter, Ida Eitel Ehrentreu, geborene Feuchtwanger, stammte aus Fürth. Sein Vater, Heinrich Ehrentreu, war Rabbiner der Münchner orthodoxen Juden der Gemeinschaft Ohel Jakob.

Während drei Jahren war Ernst Ehrentreu Soldat im Ersten Weltkrieg. 1918 konnte er in München ein Studium der Theologie beginnen und es später in Berlin sowohl an der Universität als auch am Rabbinerseminar fortsetzen. Er schloss es 1921 in Königsberg (heute Kaliningrad) ab. Die Promotion erfolgte 1925.[1] Erste berufliche Stationen waren in München, Bratislava, Baden bei Wien und in Robów, Polen.[2]

Vom Juli 1925 bis Ende 1926 war er als Rabbinatssubstitut bei der Israelitischen Kultusgemeinde München angestellt.[3] Nach dem Tod seines Vaters im Januar 1927 folgte Ehrentreu ihm als Rabbiner an der orthodoxen Synagoge nach.

Am 2. Mai 1926 heiratete Ehrentreu in Kissingen Jenny Fanny Ehrentreu, geb. Heckscher. Sie hatten gemeinsam sechs in München geborene Kinder.[2]

Die 1938 zerstörte Ohel-Jakob-Synagoge in München

Novemberpogrome, Verhaftung und erzwungenes Exil

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 drangen SA-Leute bei dem reichsweit organisierten Pogrom gegen Juden in die Synagoge der Religionsgemeinschaft Ohel-Jakob in der Herzog-Rudolf-Straße ein und verwüsteten die Einrichtung sowie die darin verwahrten Kultgegenstände. Bei dem Versuch, die Thorarollen vor dem Feuer zu retten, wäre Ehrentreu von den Angreifern beinahe selbst ins Feuer geworfen worden.[4]

Ernst Ehrentreu wurde unmittelbar danach, wie etwa 1000 andere männliche deutsche Juden aus München, von der Gestapo verhaftet und dann von der SS im Konzentrationslager Dachau wochenlang inhaftiert. Er musste sich im Januar 1939 vor „[s]einer Entlassung vom Konzentrationslager Dachau verpflichten, sofort Deutschland zu verlassen.“ Er verließ Deutschland am 28. Februar 1939 mit seiner Frau und den sechs Kindern über Frankfurt am Main nach London.

Nach Kriegsbeginn wurde Ernst Ehrentreu als Deutscher, weil er möglicherweise ein „feindlicher Ausländer“, etwa ein Spion, sein könnte, zunächst auf der Insel Man, später in Australien interniert. Von 1942 bis 1946 arbeitete Ehrentreu dann als Rabbiner in der Gemeinde Machzikai Hadath und war Mitglied des Rabbinatsgerichts in St. Kilda bei Melbourne in Australien.[5][6] Nach sechs Jahren Internierung durfte er 1946 wieder nach England zu seiner Familie nach Cambridge zurückkehren. Er erhielt in England eine Stelle als Rabbiner der Gemeinde Kehal Adath Yeshurun in London.[2]

Nachkriegszeit und Lebensende

Erst 1953 wurde ein von Ehrentreu gestellter Wiedergutmachungsantrag aufgrund „nationalsozialistischen Unrechts“ mit monatlichen Versorgungsbezügen in Höhe von 644 DM beschieden.[7]

1956 wurden Ernst Ehrentreu und seine Ehefrau auf ihre Anträge hin als Deutsche nach dem Entzug der Staatsangehörigkeit durch die Nationalsozialisten wieder „eingebürgert“.

Er starb 1981 in London. Seine Frau Jenny Fanny E. überlebte ihren Mann um 21 Jahre und wurde im August 2002 ebenfalls in London beigesetzt.

Einzelnachweise

  1. Titel seiner Arbeit: Untersuchungen über die Massora, ihre geschichtliche Entwicklung und ihren Geist. Lafaire, Hannover, 1925. (Reprograf. Nachdruck bei Olms, Michigan)
  2. Sophie Bayerl: Ernst Jonah Ehrentreu (1896 bis 1981) Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband, abgerufen am 5. Juli 2022.
  3. Stadtarchiv München (Hrsg.): Beth ha-Knesseth — Ort der Zusammenkunft. Zur Geschichte der Münchner Synagogen, ihrer Rabbiner und Kantoren. Buchendorfer Verlag, München 1999, ISBN 3-934036-09-0, S. 160.
  4. Die Webseite Alemannia Judaica.de beschreibt diese Nacht und deren Folgen knapp so: "Beim Pogrom im November 1938 wurde die orthodoxe Ohel-Jakob-Synagoge durch SA-Männer demoliert und niedergebrannt; ihre gesamte Innenausstattung, einschließlich der Tora-Rollen, verbrannte. Die Münchener Feuerwehr beschränkte sich darauf, die Nebengebäude vor dem Übergreifen des Brandes zu schützen. Die Kosten für den Abbruch der Brandruine in Höhe von 15.000 RM hatte die jüdische Gemeinde zu tragen."
  5. Raymond Apple: German rabbinat abroad - Australia. In: European Judaism: A Journal for the New Europe Vol. 45, No. 2 (Autumn 2012), pp. 21-31 (11 pages) Verlag: Berghahn Books
  6. Über die Zeit im Machzikai Hadath gibt es im Buch von Astrid Zajdband: German Rabbis in British Exile: From ‘Heimat’ into the Unknown. Walter de Gruyter, 2016. (zwei Erwähnungen. ohne Seitenzahl)
  7. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bestand Ministerium für Unterricht und Kultus (MK), Nr. 49580: Wiedergutmachung Ernst Ehrentreu.
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