Erich Uetrecht

Karl Heinrich Erich Uetrecht (* 24. April 1879 in Minden; † 9. Oktober 1960 in Seefeld) war ein deutscher Geologe und Archivar. Uetrecht erlangte Bedeutung als Leiter des Hauptarchivs der NSDAP.

Leben

Nach dem Schulbesuch studierte Uetrecht Geologie. Während seines Studiums wurde er 1901/02 Mitglied der Landsmannschaft Borussia Münster und der Landsmannschaft Franconia Leipzig.[1] Er promovierte 1906 in Bern zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Die Ablation der Rhone in ihrem Walliser Einzugsgebiete im Jahre 1904–1905. Grundlage dieser Arbeit war die von ihm im Auftrag der Schweizer Naturforschenden Gesellschaft vorgenommene Messung der Schlammführung der Rhone oberhalb ihrer Einmündung in den Genfersee vom April 1904 bis zum März 1905.

In den 1920er und frühen 1930er Jahren lebte Uetrecht in Berlin-Charlottenburg und engagierte sich in der NS-Straßenzelle „Ortsgruppe Sybel“. 1932 trat er in die NSDAP ein und erhielt die Mitgliedsnummer 867.596.[2] Zunächst fand er Anstellung im Reichsschulungsamt. 1934 wurde Uetrecht mit der Leitung des Parteiarchivs der NSDAP und der DAF beauftragt, welches sich zunächst in Berlin befand, zum Jahresende jedoch nach München übersiedelt wurde. Als dieses Archiv am 14. Juni 1935 auf Anordnung von Rudolf Heß mit dem Pressearchiv der NSDAP zum Hauptarchiv der NSDAP vereinigt wurde, wurde Uetrecht Leiter dieser neuen Einrichtung. Zu den offiziellen Aufgaben des Hauptarchivs der NSDAP zählte es, „eine systematische Sichtung und Zusammenstellung alles die Parteigeschichte betreffenden oder mit ihr zusammenhängenden Materials zu gewährleisten“. Während seiner Tätigkeit hatte Uetrecht zunächst den Rang eines Oberbereichsleiters inne, ehe er im Januar 1938 zum Reichsamtsleiter befördert wurde. Ab 1939 war Uetrecht als Rudolf Heß’ Sachbearbeiter für das gesamte Archivwesen der NSDAP tätig, wodurch er der Gesamtheit der parteilichen Archive vorstand.[2]

Während seiner Laufbahn als Leiter des Hauptarchivs der NSDAP strebte Uetrecht aggressiv nach einer fortwährenden Erweiterung der Archivbestände und erhob dabei „auch Anspruch auf provenienzfremde und beschlagnahmte Bestände“.[2] Seiner Auffassung nach zählten zu den Aufgaben des Hauptarchivs nicht nur das Sammeln und Aufbewahren von Archivalien, sondern auch die aktive Mitwirkung an der nationalsozialistischen Geschichtsschreibung und der Selbstdarstellung der „Bewegung“. Dies schlug sich beispielsweise in der Beteiligung an propagandistischen Ausstellungen und Publikationen nieder.

Zusätzlich setzte sich Uetrecht zunehmend auch für eigene vermeintliche „Forschungen“ des Hauptarchivs auf dem Gebiet der „Judenfrage“ ein. So versuchte er mit Hilfe eines eingerichteten Sonderreferats wiederholt, geraubte jüdische Besitztümer aus dem In- und Ausland an das Hauptarchiv überführen zu lassen.[2] Dies führte schließlich zu wachsenden Interessens- und Machtkonflikten mit konkurrierenden nationalsozialistischen Institutionen, so dass Uetrecht 1942 aufgrund der anhaltenden Streitigkeiten vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde.

Nach Kriegsende forderte der öffentliche Kläger der Spruchkammer Starnberg zunächst, Uetrecht wegen seiner langjährigen Parteimitgliedschaft, seiner gehobenen Stellung sowie belastender Zeugenaussagen in die Gruppe der Hauptschuldigen einzustufen.[2] Wegen fehlenden Beweismaterials wurde er 1948 jedoch in die Gruppe der Minderbelasteten eingereiht und hatte lediglich einen Betrag von 300 RM an den Wiedergutmachungsfonds zu entrichten sowie die Verfahrenskosten zu tragen. Im Nachverfahren stufte ihn die Hauptkammer München-Land am 17. März 1949 schließlich als Mitläufer ein.[2]

Schriften

  • Die Ablation der Rhone in ihrem Walliser Einzugsgebiete im Jahre 1904–1905. 1906. (Dissertation)
  • Aura Academica: ein Jahrbuch für junge und alte Burschen. 1914.
  • Der Akademische Hilfsbund. 1918.

Literatur

  • Franz Josef Gangelmayer: Das Parteiarchivwesen der NSDAP. Rekonstruktionsversuch des Gauarchivs der NSDAP-Wien. Dissertation, Wien 2010.
  • Carl-Eric Linsler: Hauptarchiv der NSDAP. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 8: Nachträge und Register. Berlin 2015, S. 219–221.
  • Erich Stockhorst: Fünftausend Köpfe. Wer war was im Dritten Reich? blick u. bild Verlag, Velbert 1967, DNB 458250953.

Einzelnachweise

  1. Berthold Ohm, Alfred Philipp (Hrsg.): Anschriftenverzeichnis der Alten Herren der Deutschen Landsmannschaft. Teil 1. Hamburg 1932, S. 43, 135.
  2. Carl-Eric Linsler: Erich Uetrecht. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus: Nachträge und Register. Band 8. De Gruyter Oldenbourg, Berlin / München / Boston 2015, ISBN 978-3-11-037945-7, S. 139141, doi:10.1515/9783110379457 (degruyter.com [PDF; abgerufen am 22. März 2022]).
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