Ozokerit

Ozokerit, auch als Erdwachs, Bergwachs oder Bergtalg bezeichnet, ist seiner chemischen Zusammensetzung nach ein uneinheitliches Gemenge verschiedener (aliphatischer und aromatischer) Kohlenwasserstoffe mit geringen Anteilen an Alkoholen, Estern, Porphyrinen und weiteren Spurenelementen.[1]

Ozokerit aus Colton, Utah County, USA (Glänzende Probe oben rechts ist 1,5 Zoll (entspricht 38,1 mm) breit)

Ozokerit besteht durchschnittlich aus 15 % Wasserstoff und 85 % Kohlenstoff, hat eine Dichte von etwa 0,94 bis 0,96 g/cm3 und schmilzt bei 58 bis 98 °C, sehr selten auch bei höheren Temperaturen. Varianten sind zum einen Kenderbal mit einem Schmelzpunkt von 58 bis 60 °C und zum anderen das sehr ähnliche, aber in der Konsistenz unterschiedliche Neftgil oder Kir aus Swätoi-Ostrow.

Abbau und Sorten

Ozokerit wird bergmännisch aus nahe an der Oberfläche und in tieferen Schichten liegenden, zum Teil unter hohem Druck stehenden Flözen abgebaut. Größere Vorkommen liegen bei Boryslaw und Dzwieniasz in Ost-Galizien (heute in der Ukraine); weitere in Gaming in Niederösterreich, West-Galizien, Ungarn, Kroatien, in der Walachei und Moldau, bei Newcastle in England, Insel Swjatoi Ostrow (Aserbaidschan) sowie auch auf der Tscheleken-Halbinsel im Kaspischen Meer, in Turkmenistan (südlich Balkanabat), in Transkaukasien, Iran, Ägypten, Algerien, Kanada und Mexiko.

In Galizien erfolgt der Abbau von Ozokerit manuell und wird nur in einer der Minen (in einer Tiefe von 200 Metern und einer Breite von 225 Metern) für Transport und Lüftung durch mechanische Maschinen unterstützt. In Abbauprozessen, in denen herkömmliche Schächte benutzt werden, wird Ozokerit mit Hilfe von Bohrmaschinen gewonnen und danach von Hand sortiert. In seltenen Fällen, bei denen die Reinigung von Ozokerit nicht möglich ist, wird die Mischung in großen, extra angefertigten Kesseln erhitzt, bis der Ozokerit an die Oberfläche steigt und somit vom Gestein separiert wird. Für eine abschließende Reinigung wird das Ozokerit erneut erhitzt und in Kegelform gegossen, in der es auf den Markt kommt. Rohes, unbearbeitetes Ozokerit wird u. a. mit Schwefelsäure und abschließend mit Holzkohle gereinigt.

Nach den Gewinnungsmethoden bezeichnete man seine Rohprodukte als Stufenwachs, Waschwachs, Klaubwachs und nach einer Reinigungsstufe als Schmelzwachs.

Im Handel unterschied man folgende Arten:

  • Durch Raffination erhaltenes reines Ozokerit wird als Ceresin (auch Zeresin) bezeichnet.
  • Als Kenderbal bezeichnete man ein mit Öl und Erde vermischtes Produkt von schmieriger Konsistenz.
  • Lep ist ein Ton, der mit Ozokerit getränkt ist.

Es gab für Ozokerit vielseitige Verwendungsbeispiele, wie die Wachskerzenproduktion, als Möbelpolitur, für Schuh- und Ledercreme, in der Schusterei, als Kabelwachs, zum Imprägnieren und in der Galvanoplastik, früher in großen Mengen zur Herstellung von Vaseline.[2] Heute ist Ozokerit weitgehend durch Erdölprodukte verdrängt worden, die teilweise immer noch unter dieser Bezeichnung gehandelt werden;[1] in Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie wird Ozokerit ab der 5. Auflage nicht mehr besprochen.

Verwendung in der Medizin

Ozokerit wird für medizinische Zwecke verwendet - hauptsächlich in der Physiotherapie. Dank des hohen Schmelzpunkts und der niedrigen Wärmeleitung wird Ozokerit in der Rehabilitation von entzündbaren Krankheiten, dystrophischen Störungen des Stütz- und Bewegungsapparats (Gelenkentzündung, Arthrosis, Osteochondrosis, Myositis, traumatische Störungen) und Behinderungen im Nervensystem (Neuritis, Radikulitis) eingesetzt. Ozokeritische Behandlungen gelten als Methoden der Thermotherapie in medizinischen Behandlungen (Rehabilitationszentren, Kliniken, Sanatorien) in der Ukraine und anderen Ländern der GUS und sind gegenüber der Paraffintherapie bevorzugt. In Kosmetikprodukten wird Ozokerit in der Liste der Inhaltsstoffe als OZOKERITE (INCI)[3] aufgeführt.

Siehe auch

Literatur

  • Alison Fleig Frank: Oil Empire: Visions of Prosperity in Austrian Galicia. Harvard University Press, Cambridge, MA 2005, ISBN 0-674-01887-7.
  • H. Gintl: Galizisches Petroleum und Ozokerit. Wien 1873, OCLC 315852000.
  • Josef Muck: Der Erdwachsbergbau in Boryslaw. Julius Springer Verlag, Berlin 1903, DNB 1019637145.
  • E.K. Lasarenko: Über die Fahlerze. In: Mineral. sb. L'vov. geol. obsc. 10, 1956, S. 171–211. (russ.)
  • Carl Maria Paul: Die Petroleum- und Ozokeritvorkommnisse Ostgaliziens. 1881.
  • H. Perutz: Die Industrie der Mineralöle, des Petroleums etc 2 Bände. Wien 1868–1880, Nabu Press, 2011, ISBN 978-1-271-35345-3 (Reprint).
  • Adolf Pichler: Über Erdwachs, Erdöl etc. 1879.
  • Edward Windakiewicz: Erdöl und Erdwachs in Galizien. A. Hölder, Wien 1875, OCLC 63549316.
Commons: Ozokerite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. J. Falbe, M. Regitz (Hrsg.): Römpp Chemie Lexikon. 9. Auflage. M-Pk. Thieme, Stuttgart 1995, ISBN 3-13-102759-2, S. 3185.
  2. Victor Grafe (Hrsg.): Moritz Dolch, Leopold Singer: Grafes Handbuch der organischen Warenkunde. Band IV, 2. Halbband: Konservierung. Kohle und Erdöl. C. E. Poeschel, Stuttgart 1928, DNB 366093177, S. 310–311.
  3. Eintrag zu OZOKERITE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 12. Dezember 2021.
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