Epigenom

Epigenom ist ein Begriff aus dem Wissenschaftsgebiet Epigenetik und dient dazu, die Gesamtheit von epigenetischen Zuständen zu beschreiben. Ein Epigenom besteht aus einem Satz der chemischen Veränderungen der DNA und der Histonproteine eines Organismus. Diese Veränderungen können an die Nachkommen eines Organismus über transgenerationelle epigenetische Vererbung weitergegeben werden. Änderungen des Epigenoms können zu Veränderungen der Struktur des Chromatins und Veränderungen der Funktion des Genoms führen.[1]

Das Epigenom ist an der Regulation der Genexpression, der Entwicklung, der Gewebedifferenzierung und der Suppression von transponierbaren Elementen beteiligt. Im Gegensatz zum zugrunde liegenden Genom, das in einem Individuum weitgehend statisch ist, kann das Epigenom durch Umgebungsbedingungen dynamisch verändert werden.[2]

Epigenom-Forschungsprojekte

Als Auftakt zu einem potentiellen Epigenomprojekt des Menschen zielt das Human Epigenome Pilot Project darauf ab, variable Methylierungs-Positionen (MVPs – Methylation Variable Positions) im menschlichen Genom zu identifizieren und zu katalogisieren.[3] Fortschritte in der Sequenzierungstechnik erlauben nun die Untersuchung genomweiter epigenomischer Zustände durch multiple molekulare Methoden.[4] Es wurden Instrumente im Mikro- und Nanobereich konstruiert oder vorgeschlagen, um das Epigenom zu untersuchen.[5] Eine internationale Bemühung, Epigenome zu untersuchen, wurde 2010 in Form des Internationalen Human Epigenome Consortium (IHEC) begonnen.[6][7][8][9] Die IHEC-Mitglieder haben das Ziel, mindestens 1.000 Referenz-Epigenome aus verschiedenen normalen und krankheitsassoziierten humanen Zelltypen zu generieren.[10][11][12]

Funktionelles Epigenom Editing

Die gezielte Regulierung von krankheitsrelevanten Genen kann neuartige Therapien für viele Krankheiten ermöglichen, insbesondere in Fällen, in denen adäquate Gentherapien noch nicht entwickelt wurden oder ein ungeeigneter Ansatz sind.[13] Auch wenn die transgenerationalen und populationsspezifischen Konsequenzen noch nicht vollständig geklärt sind, könnte sie ein wichtiges Werkzeug für die angewandte funktionelle Genomik und personalisierte Medizin werden.[14] Ähnlich dem RNA-Editing, kann sie oft weniger riskant sein, da sie hierbei keine genetischen Veränderungen vorgenommen werden.[13] Ein Beispiel für eine mögliche funktionelle Anwendung des Epigenom-Editings wurde 2021 beschrieben: die Unterdrückung der Nav1.7-Genexpression mittels CRISPR-dCas9, die in drei Mausmodellen für chronische Schmerzen therapeutisches Potenzial zeigte.[15][16]

Methoden

Im Jahr 2021 stellten DARPA-finanzierte Wissenschaftler ein Werkzeugsansatz für reversibles, vererbbares Epigenom-Editing vor, CRISPRoff.[17][18]

Roadmap Epigenomics Project

Ein Ziel der NIH-Roadmap Epigenomics Project ist es, menschliche Referenz-Epigenome von normalen, gesunden Personen über eine große Vielfalt von Zelllinien, primären Zellen und primären Geweben zu erzeugen. Die Daten, die durch das Projekt erzeugt werden und durch den Human Epigenome Atlas verfügbar sind, werden in fünf Typen eingeteilt, die verschiedene Aspekte des Epigenoms seiner Zustände (wie z. B. Genexpression) beleuchten:

  1. Histon-Modifikationen – Die Chromatin-Immunopräzipitations-Sequenzierung (ChIP-Seq) identifiziert genomweite Muster von Histon-Modifikationen durch Antikörper gegen die Modifikationen.[19]
  2. DNA-Methylierung – Bisulfit-Seq über das ganze Genome, Reduced Representation Bisulfite-Seq (RRBS), Immunpräzipitations-Sequenzierung methylierter DNA (MeDIP-Seq) und methylierungssensitive Restriktionsenzym-Sequenzierung (MRE-Seq) bestimmen die DNA-Methylierung von Genombereichen mit unterschiedlicher Auflösung bis hin zum einzelnen Basenpaar.[20]
  3. Chromatin-Zugänglichkeit – Das DNase I hypersensitive sites Sequencing (DNase-Seq) verwendet das DNase-I-Enzym, um offene bzw. zugängliche Bereiche im Genom zu finden.
  4. Genexpression – RNA-Seq- und Expressions-Arrays bestimmen die Expressionshöhe von Protein-kodierenden Genen.
  5. Small-RNA-Expression – smRNA-Seq identifiziert die Expression von kleiner, nicht-kodierender RNA, in erster Linie von miRNAs.

Referenz-Epigenome für den gesunden Menschen werden das zweite Ziel der Roadmap Epigenomics Projekt ermöglichen, nämlich die epigenomischen Unterschiede zu untersuchen, die bei Krankheitszuständen wie der Alzheimer-Krankheit auftreten.

Forschungsergebnisse

Im Dickdarm von Mäusen Ballaststoffe verdauende Bakterien beeinflussten das Epigenom: zu Fettsäuren abgebaute Polysaccharide (Mehrfachzucker) beeinflussten die Genaktivität und den Stoffwechsel der Mäuse; durch die gebildeten kurzkettigen Fettsäuren veränderte sich z. B. die Struktur der Histone, Proteine, welche die langen DNA-Fäden in Zellkernen zusammen halten.[21]

Krebs

Epigenetik ist ein aktuelles Thema in der Krebsforschung. Menschliche Tumoren unterliegen einer umfassenden Störung der DNA-Methylierungs- und der Histon-Modifikationsmuster. Die anomale epigenetischen Landschaft der Krebszelle ist von einer globalen genomischen Hypomethylierung, von Hypermethylierung der CpG-Insel-Promotoren von Tumorsuppressorgenen, von einem veränderten Histon-Code für kritische Gene und einem globalen Verlust von monoacetylierten und trimethyliertem Histon H4 gekennzeichnet.

Warnung

Der chirurgische Onkologe David Gorski und der Genetiker Adam Rutherford warnten vor der Darstellung und der Verbreitung von falschen und pseudowissenschaftlichen Schlussfolgerungen durch New-Age-Autoren wie Deepak Chopra und Bruce Lipton.[22][23] Solche Schlüsse seien den frühen Stadien der Epigenetik als Wissenschaft und der sie umgebenden Effekthascherei geschuldet.

Einzelnachweise

  1. Bernstein, Bradley E.; Meissner, Alexander; Lander, Eric S. (February 2007). The Mammalian Epigenome. Cell. 128 (4): 669–681. doi:10.1016/j.cell.2007.01.033. PMID 17320505.
  2. Conley, A.B., King Jordan, I. (2012). Endogenous Retroviruses and the Epigenome. In: Witzany, G. (ed). Viruses: Essential Agents of Life, Springer, Dordrecht, pp. 309-323. ISBN 978-94-007-4899-6 (E-Book).
  3. Human Epigenome Project, epigenome.org (Memento vom 16. Juli 2011 im Internet Archive); abgerufen am 19. Februar 2024.
  4. Milosavljevic, Aleksandar (June 2011). "Emerging patterns of epigenomic variation". Trends in Genetics. 27: 242–250. doi:10.1016/j.tig.2011.03.001.
  5. Aguilar, Carlos; Craighead, Harold (October 4, 2013). Micro- and nanoscale devices for the investigation of epigenetics and chromatin Dynamics. Nature Nanotechnology. 8 (10): 709–718. doi:10.1038/nnano.2013.195.
  6. Editorial Time for the epigenome. Nature 463, 587 (4 February 2010), doi:10.1038/463587a.
  7. Alison Abbott. Project set to map marks on Genome. Nature 463. 596-597 (2010) doi:10.1038/463596b.
  8. Jae-Bum Bae. Perspectives of International Human Epigenome Consortium. Genomics Inform. 2013 Mar;11(1):7-14. doi:10.5808/GI.2013.11.1.7.
  9. Charlie McDermott. Human Epigenome project launched (Memento vom 28. Dezember 2010 im Internet Archive). Bionews 2015-02-15; abgerufen am 19. Februar 2024.
  10. "France: Human epigenome consortium takes first steps". 5 March 2010. Nicht mehr verfügbar (Memento vom 8. Juli 2015 im Internet Archive); abgerufen am 19. Februar 2024.
  11. Eurice GmbH. About IHEC.
  12. "Frontiers | Multilayer-omics analyses of human cancers: exploration of biomarkers and drug targets based on the activities of the International Human Epigenome Consortium | Epigenomics and Epigenetics". Frontiers. doi:10.3389/fgene.2014.00024.
  13. Epigenome Editing: State of the Art, Concepts, and Perspectives. In: Trends in Genetics. 32. Jahrgang, Nr. 2, 1. Februar 2016, ISSN 0168-9525, S. 101–113, doi:10.1016/j.tig.2015.12.001 (englisch, sciencedirect.com).
  14. Benjamin I. Laufer, Shiva M. Singh: Strategies for precision modulation of gene expression by epigenome editing: an overview. In: Epigenetics & Chromatin. 8. Jahrgang, Nr. 1, 17. September 2015, ISSN 1756-8935, S. 34, doi:10.1186/s13072-015-0023-7 (biomedcentral.com).
  15. Unique CRISPR gene therapy offers opioid-free chronic pain treatment In: New Atlas, 11. März 2021
  16. Ana M. Moreno, Fernando Alemán, Glaucilene F. Catroli, Matthew Hunt, Michael Hu, Amir Dailamy, Andrew Pla, Sarah A. Woller, Nathan Palmer, Udit Parekh, Daniella McDonald, Amanda J. Roberts, Vanessa Goodwill, Ian Dryden, Robert F. Hevner, Lauriane Delay, Gilson Gonçalves dos Santos, Tony L. Yaksh, Prashant Mali: Long-lasting analgesia via targeted in situ repression of NaV1.7 in mice. In: Science Translational Medicine. 13. Jahrgang, Nr. 584, 10. März 2021, ISSN 1946-6234, doi:10.1126/scitranslmed.aay9056 (englisch, sciencemag.org).
  17. New, reversible CRISPR method can control gene expression while leaving underlying DNA sequence unchanged In: phys.org. Abgerufen am 10. Mai 2021 (englisch).
  18. James K. Nuñez, Jin Chen, Greg C. Pommier, J. Zachery Cogan, Joseph M. Replogle, Carmen Adriaens, Gokul N. Ramadoss, Quanming Shi, King L. Hung, Avi J. Samelson, Angela N. Pogson, James Y. S. Kim, Amanda Chung, Manuel D. Leonetti, Howard Y. Chang, Martin Kampmann, Bradley E. Bernstein, Volker Hovestadt, Luke A. Gilbert, Jonathan S. Weissman: Genome-wide programmable transcriptional memory by CRISPR-based epigenome editing. In: Cell. 184. Jahrgang, Nr. 9, 29. April 2021, ISSN 0092-8674, S. 2503–2519.e17, doi:10.1016/j.cell.2021.03.025 (englisch, cell.com).
  19. Zhu, J.; et al. (2013). "Genome-wide chromatin state transitions associated with developmental and environmental cues". Cell. 152 (3): 642–654. doi:10.1016/j.cell.2012.12.033. PMID 23333102.
  20. Harris, R Alan; Wang, Ting; Coarfa, Cristian; Nagarajan, Raman P; Hong, Chibo; Downey, Sara L; et al. (September 19, 2010). Comparison of sequencing-based methods to profile DNA methylation and identification of monoallelic epigenetic modifications. Nature Biotechnology. 28 (10): 1097–1105. doi:10.1038/Fnbt.1682.
  21. deutschlandfunk.de, Forschung aktuell, 24. November 2016: Auswirkungen von Ballaststoffen: „Esst Gemüse!“ (27. Dezember 2016)
  22. theguardian.com, 15. Juli 2015, Adam Rutherfort, Beware the pseudo gene genies
  23. David Gorski, 4, Februar 2013, sciencebasedmedicine.org: Epigenetics: It doesn’t mean what quacks think it means
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