Ensisheim (Meteorit)

Ensisheim
Meteorit von Ensisheim, Hauptstück im Musée de la Régence, Ensisheim
Allgemeines
Offizieller Name
nach MBD
Ensisheim
Synonyme Elsass
„Donnerstein von Ensisheim“
Authentizität bestätigt
Lokalität
Land Frankreich
Region Grand Est (Elsas)
Département Haut-Rhin
Arrondissement Thann-Guebwiller
Gemeinde Ensisheim
Ort Les Octrois Laubourg
Fall und Bergung
Datum (Fall) 7. November 1492, Mittagszeit
beobachtet ja
Sammlung Musée de la Régence (Regenten­palast, i. e. altes Rathaus; Ensisheim), … (s. u.)
Beschreibung
Typ Chondrit
Klasse LL-Chondrit
Gruppe LL6
Masse (total) 127 kg (53.831 kg erhalten)
Referenzen
Meteoritical Bulletin 10039
Mindat (Keswick, VA) 269327

Der Meteorit von Ensisheim (auch Donnerstein von Ensisheim) ging im Jahr 1492 bei Ensisheim im Elsass nieder. Das Ereignis fand zu seiner Zeit überregionale Beachtung. Es ist der älteste bezeugte Meteoritenfall Europas, von dem heute noch Material vorhanden ist.

Ereignis

Darstellung des Meteoritenfalls in der Schedelschen Weltchronik von 1493.

Am Mittag des 7. November 1492[1] trat ein Kleinkörper in die Erdatmosphäre ein. Er flog unter lautem Donnern über den Himmel und zog eine Leuchtspur hinter sich her. Der nichtverglühte Teil des Meteoroiden (chondritischer Steinmeteorit vom Typ LL6)[2] schlug schließlich in einem Weizenfeld bei Ensisheim im Elsass auf. (Damals Hegemoniegebiet der in Österreich herrschenden Habsburger, nach wechselnder Zugehörigkeit seit 1919 bei Frankreich.) Das Ereignis wurde von zahlreichen Augenzeugen beobachtet und erregte großes Aufsehen.

Der Einschlagkrater war etwa einen Meter tief. Die aus den umliegenden Siedlungen eintreffenden Beobachter schabten unmittelbar nach dem Ausgraben erste Teile als Talisman ab, bis ihnen dies untersagt wurde. Damit verblieb zunächst ein Gewicht von 127 kg (damalige 260 Pfund).[1][3]

Reaktionen

Flugblatt von S. Brant:
Der Donnerstein von Ensisheim

Sebastian Brant beschrieb in seinem Flugblatt „Der Donnerstein von Ensisheim“, eine Art Mahnschrift an Maximilian I., den Meteor und sein Gewicht, das beim Aufschlag größer als 127 kg gewesen sein dürfte:[4][5]

Da man zalt fierzehenhundert jar
Uff sant Florentzen tag ist war
Neuntzig vnd zwey vmb mittentag
Geschach ein grawsam donnerschlag
Dreyg zentner schwär fyel diser stein
Hye jnn dem feld vor Ensißheim

Albrecht Dürer hielt sich am 7. November 1492 im 40 km entfernten Basel auf. Einige Jahre später, 1494 oder auch um 1497,[6] malte er einen explodierenden Himmelskörper auf die Rückseite seines Gemäldes Büßender Hieronymus. Auch in seinem Kupferstich Melencolia I von 1514 stellte Dürer einen Meteoriten dar.[7] Es ist aber unwahrscheinlich, dass er bei Tageslicht um die Mittagszeit den Meteoritenfall aus der Ferne persönlich gesehen hat.[6]

Der seit 1486 römisch-deutsche König Maximilian I, zu diesem Zeitpunkt gerade mit seinem Gefolge auf dem Weg nach Frankreich, um vom französischen König Karl VIII. die von beiden jeweils offiziell zur Ehefrau genommene nicht ganz 15-jährige Anne de Bretagne zurückzuholen, nutzte den ihm präsentierten Fund, um „Gericht“ über den Donnerstein zu halten und um das mögliche Omen für seine Politik zu nutzen. Er ließ den Meteoriten in Ketten legen und in der Pfarrkirche aufhängen.[8]

Erhaltene Teile

Im Laufe der Zeit wurden immer wieder Stücke des Meteoriten abgeschlagen, die sich heute in verschiedenen Museen und Sammlungen befinden. Das Hauptstück von noch 53,831 kg (Stand 2013) befindet sich im Musée de la Régence im Alten Rathaus von Ensisheim.[9] Im November 2013 wurde es für vier Tage im Naturhistorischen Museum Wien in Wien gezeigt.

Weitere Bruchstücke befinden sich etwa im[10]

Bruderschaft

1984 entstand die Vereinigung Confrèrie Saint-Georges des Gardiens de la Météorite d’Énsisheim (fr.: Bruderschaft des St. Georg der Wächter über den Meteoriten von Enisheim), die es sich zur Aufgabe machte, den Meteoriten zu beschützen und auf öffentlichen Auftritten zu begleiten und die zusammen mit der Gemeinde Ensisheim die jährlich stattfindende internationale Meteoritenbörse ausrichtete.[12] Die Bruderschaft löste sich 2016 auf.[13]

Commons: Ensisheim meteorite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dr. Otto Buchner: Die Feuermeteore, insbesondere die Meteoriten, historisch und naturwissenschaftlich betrachtet. J. Ricker’sche Buchhandlung, Gießen 1859, ISBN 1-147-84312-0, S. 34; abgerufen am 7. November 2012
  2. Harry Y. McSween, Jr. & Marvin E. Bennett: The Mineralogy of Ordinary Chondrites and Implications for Asteroid Spectrophotometry. In: Icarus: 1991. ISSN 0019-1035, Band 90-1, S. 107–116; abgerufen am 7. November 2012
  3. Harry Y. McSween, Jr.: Meteorites and Their Parent Planets. Cambridge University Press, Cambridge: 1999, ISBN 0-521-58751-4, ISBN 0-521-58303-9, 2. Ausgabe, S. 1f, abgefragt am 7. November 2012
  4. Hartmut Hänsel: Bomben auf friedliche Bürger. John S. Lewis unterrichtet über Meteoritenregen als Nervenkitzel und Gottesbeweis. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Oktober 1997, Nr. 238, S. L42; abgerufen am 8. November 2012
  5. Manfred Höfert: Freiburgs Geschichte in Zitaten. Maximilian I. – Ein Gönner Freiburgs. Private Geschichts-Site Manfred Höferts für Freiburg im Breisgau, abgerufen am 8. November 2012
  6. NZZ vom 24. Dezember 2004: Zeichen des Himmels; Albrecht Dürer und die Kometenfurcht, abgerufen am 30. Dezember 2012
  7. Büßender Heiliger Hieronymus
  8. Nr. 001 Meteorit aus Ensisheim. In: Museum für Naturkunde Berlin. Abgerufen am 27. April 2022.
  9. Météorite d’Ensisheim. In: Website der Gemeinde Ensisheim. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. April 2022; abgerufen am 27. April 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/ensisheim.net
  10. Der Meteorit von Ensisheim nhm-wien.ac.at, 15. November 2013, abgerufen 13. Oktober 2023.
  11. Der Meteorit von Ensisheim. In: Naturhistorisches Museum Wien. Abgerufen am 27. April 2022.
  12. Jean-Marie Schreiber: La météorite n’a plus de gardiens. In: L’Alsace. 16. Februar 2016, abgerufen am 27. April 2022 (französisch).
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