Emilie Bieber
Emilie Bieber (* 26. Oktober 1810 in Hamburg; † 5. Mai 1884 ebenda)[1] Sie war eine der ersten deutschen Berufsfotografinnen.
Leben
Emilie Bieber war eine Tochter des Hausmaklers Heinrich Bieber und dessen Ehefrau Sara, geb. Reinhard.[2] Zur Biografie von Emilie Bieber ist wenig bekannt. Im Alter von über 40 Jahren trat sie als Gründerin eines fotografischen Ateliers in Erscheinung. Sie gehörte zu einem kleinen Kreis von Frauen, die zu dieser Zeit einem Handwerk nachgingen. Das Atelier war in der obersten Etage des Hauses Große Bäckerstraße 26 untergebracht[Anm. 1] und firmierte ein Jahr nach der Eröffnung unter E. Bieber. Im Jahr 1868 erwarb sie das Haus Neuer Jungfernstieg 20 und richtete dort ein photographisches Atelier ein. An beiden Anschriften war zeitweilig auch ihr Schwager[Anm. 2] Julius Berlin als Bewohner eingetragen. Dessen Sohn Leonard Berlin wurde von der ledigen Emilie Bieber als Nachfolger eingesetzt. Etwa im Alter von 65 Jahren zog sie sich aus dem Atelier zurück.
Emilie Bieber war in der Hamburger Frauenbewegung engagiert. Sie war in den 1850er Jahren im Vorstand eines Kindergartens[Anm. 3] und u. a. mit Emilie Wüstenfeld befreundet.
Emilie Bieber starb am 5. Mai 1884 im Alter von 73 Jahren in ihrer Geburtsstadt Hamburg[2] und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Hamburg-Ohlsdorf beigesetzt.[3]
Das fotografische Atelier „E. Bieber“
Anfang Februar 1853[Anm. 4] eröffneten „A. Köttgen“[Anm. 5] und „E. Bieber“[Anm. 6] „im Hause des Hrn. Charles Beinhauer“ gr. Bäckerstraße 26[Anm. 7] ein „Daguerreotyp-Atelier“. Die Zusammenarbeit war von kurzer Dauer, denn im Frühjahr 1854 siedelte Koettgen mit ihrer Familie nach Düsseldorf über, und Emilie Bieber übernahm das Atelier als alleinige Inhaberin.
Emilie Bieber spezialisierte sich in der Folgezeit auf handkolorierte Porträts, die bei einer flüchtigen Betrachtung nicht als Fotografie zu erkennen waren.
Im Jahr 1862 trat Emilie Biebers Neffe Leonard Berlin in das fotografische Atelier ein. Nachdem sie einige Jahre Erfahrungen gesammelt und sich die technischen Möglichkeiten (z. B. Albuminpapier, Carte de Visite (CdV)) verbessert hatten, präsentierte Emilie Bieber ihre Porträts erstmals auf der ersten „Internationalen Photographischen Ausstellung“ in Berlin 1865, die vom Photographischen Verein zu Berlin veranstaltet wurde.
Emilie Bieber erwarb 1868 das Haus Neuer Jungfernstieg 20 von Isaac Joseph Jaffé (1806–1890). Auf der Gartenseite ließ sie ein großes Glashaus als Atelier errichten. Zwei Zimmer waren für den Empfang der Kunden vorgesehen und ein Toilettezimmer für die Damen. Bis Ende des Jahres 1871 unterhielt Emilie Bieber zwei Ateliers. Es sind zahlreiche Fotografien erhalten, auf deren Revers sowohl die Adresse „Große Bäckerstraße 26“ als auch „Neuer Jungfernstieg 20“ angegeben sind.[4]
Am 13. November 1868 eröffnete eine „Photographische Ausstellung“ in Hamburg,[5] die vom Photographischen Verein zu Hamburg veranstaltet wurde. Emilie Bieber zeigte Porträtaufnahmen ihres Ateliers.
1869 präsentierte sich das Atelier erstmals im Ausland auf der 8. Ausstellung für Photographie in Paris, die von der Société française de photographie veranstaltet wurde, mit „vorzüglichen Porträts“.[6] In den Folgejahren zeigte das Atelier auf mehreren Ausstellungen dem Publikum seine Arbeit und sein Können, so 1870 in Paris[7] und auf der Weltausstellung 1873 in Wien.[8][9]
Im Kreise ihrer 30 Angestellten feierte Emilie Bieber am 16. September 1877 das 25-jährige Bestehen ihres Ateliers.[10]
Fotografische Ateliers, wie sie Emilie Bieber betrieb, hatten Mitarbeiter,[11] die selten namentlich erwähnt wurden. Bekannt sind Arnold Mocsigay, der von 1869 bis 1897 die Leitung innehatte, Max Jaffé und Johann Hamann, der Ende der 1870er Jahre als Retuscheur mitarbeitete.
Auszeichnungen
- 1865 Berlin: Preismedaille (für Porträts) anlässlich der vom Photographischen Verein zu Berlin veranstalteten Ausstellung im Mai.[12]
- 1868 Hamburg: Silbermedaille für Porträts (Vierte Gruppe) auf der Hamburger Ausstellung [für Photographie] im November.[13]
- 1870 Paris: Medaille.[14]
- 1872 London: (nicht nachweisbar).
- 1872 Ernennung zur Hof-Photographin von Friedrich Karl von Preußen am 31. Oktober mit „besonderem Vergnügen“.[15]
- 1873 Wien: Fortschritts-Medaille (Abt. Photographie) für Porträts anlässlich der Weltausstellung 1873 in Wien.[16][17]
- 1875 Ernennung zur Hof-Photographin von Kronprinzessin Victoria.[18]
- 1876 Gesuch und Genehmigung vom 23. April 1876, den Titel einer königlich baierischen Hoflieferantin verwenden zu dürfen.[19]
Mitgliedschaften
- ab April 1865 im Photographischen Verein zu Berlin.[20]
- ab 1866 in der Photographischen Gesellschaft in Wien[21]
- ab 1867 Fortsetzung der Mitgliedschaft im Hamburger Bezirks-Verein des Deutschen Photographen-Vereins, vormals Photographischer Verein zu Berlin[22] Sie trat 1869 aus und schloss sich – wie einige andere auch – umgehend (als Auswärtiges Mitglied) dem neugegründeten Verein zur Förderung der Photographie an.[23]
- ab 1869 in der Société Française de Photographie[24]
Nachfolge
Im Jahr 1862 trat Emilie Biebers Neffe Leonard Berlin in das photographische Atelier ein. Nach ihrem Tod 1884 hatte er „nach testamentarischer Verfügung“ das Atelier übernommen.[25][Anm. 8]
Das Atelier im Haus Große Bäckerstraße 26 wurde weiterhin von Fotografen benutzt: 1874 bis 1879 zeigte Herman Matsen mit der Adresse an,[26] ab 1882 für kurze Zeit Rudolf Dührkoop und ab 1884 Hermann Köster.
Andere Namensträger
In Hamburg war eine Familie Bieber evangelischer Konfession ansässig, die als Glockengießer bekannt waren.[27] Später stellte die Familie überwiegend Kaufleute und Apotheker, wie Johann Diedrich Bieber, der auf der photographischen Ausstellung 1868 in Hamburg als Lieferant für Jod- und Brompräparate mit einer Bronzenen Medaille geehrt wurde.[28] Emilie Bieber hatte keine verwandtschaftliche Verbindung zu dieser Familie.
Sonstiges
Emilie Bieber war in der Hamburger Frauenbewegung aktiv. Sie war Mitglied im „Frauenverein zur Unterstützung der Armenpflege von 1849“ und „Frauenverein zur Unterstützung der Deutsch-Katholiken“. Zu den Förderinnen und Unterstützerinnen gehörten auch Emilie Wüstenfeld und Bertha Traun. Mehrfach wurde Emilie Bieber als Spenderin in Hamburger Zeitungen genannt. Im Dezember 1867 unterstützte sie eine Sammlung Hamburger und Altonaer Frauen für die Opfer eines Orkan auf Saint Thomas. Im Februar 1875 stiftete sie Fotografien von Emilie Wüstenfeld für die gleichnamige Stiftung. 1876 unterstützte sie die Organisation „barmherzige Schwestern“ mit einem Geldbetrag. 1869 spendete sie dem Zoologischen Garten Hamburg eine Gabelweihe.[29]
Werke
- Jenny Lind mit Ehemann Otto Goldschmidt (1869)
- Clara Ziegler (1869)
- Unbekannter Mann, Daguerreotypie 1856
- Unbekannte Frau, Daguerreotypie 1856
Literatur
- Bodo von Dewitz, Fritz Kempe: Daguerreotypien. Ambrotypien und Bilder anderer Verfahren aus der Frühzeit der Photographie. Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg 1983, DNB 840035411, S. 264.
- Fritz Kempe: Daguerreotypie in Deutschland. Vom Charme der frühen Fotografie. Heering, Seebruck am Chiemsee 1979, ISBN 978-3-7763-5190-3, S. 135, 138.
- Fritz Kempe: Vor der Camera. Zur Geschichte der Photographie in Hamburg. Christians, Hamburg 1976, ISBN 978-3-7672-0409-6, S. 61 ff.
- Hanni Schwarz: Photographie als Frauenberuf. In: Hermann Wilhelm Vogel (Hrsg.): Photographische Mitteilungen. Band 45, 1905, ZDB-ID 516917-3, S. 161–162 (Digitalisat – über den Beginn des Ateliers).
- Wilhelm Weimar: Die Daguerreotypie in Hamburg 1839–1860. Ein Beitrag zur Geschichte der Photographie. In: Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten. Band 32, Nr. 1914. Otto Meisner, 1915, ZDB-ID 2476377-9, S. 39, 43 (Digitalisat).
Weblinks
- Daguerreotypien und Fotografien von Emilie Bieber in der „MKG Sammlung Online“ des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg
- Edith Laudowicz: Marie Auguste Adelgunde Koettgen, geb. Lyra 19.12.1823 Osnabrück — 2.4.1904 Düsseldorf. In: Bremer Frauen Geschichte. Edith Laudowicz, Bremen, 2017, abgerufen am 27. August 2019.
- Rita Bake: Emilie Bieber. In: Hamburger Frauenbiografien. Behörde für Schule und Berufsbildung, Juli 2019, abgerufen am 28. August 2019.
Einzelnachweise
- Friedhofsdatenbanken. In: Jüdischer Friedhof Altona. Eduard Duckesz Fellow der Hermann F. Reemtsma Stiftung, 2018, abgerufen am 7. Dezember 2022 (Ohlsdorf 1883-1889).
- Standesamt Hamburg 02, Sterberegister 1884, Eintrag Nr. 1353 vom 6. Mai 1884; eingesehen auf ancestry.de am 24. März 2024.
- Jüdischer Friedhof Hamburg in Ohlsdorf. In: Übersicht. Jüdische Gemeinde in Hamburg, abgerufen am 7. Dezember 2022 (Das Grab findet sich im Planquadrat A 12 – 29).
- Personen- und Firmenverzeichnis: Zweiter Abschnitt. In: Hamburgisches Adressbuch für 1870, II/34
Personen- und Firmenverzeichnis: Zweiter Abschnitt. In: Hamburgisches Adressbuch für 1871, S. II/32 - Die Photographische Ausstellung in Hamburg. In: Photographische Mitteilungen, 5. Jahrgang 1869, S. 216.
- Repertorium. Die Photographie in Paris. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1869, S. 249–253 (Hier S. 252) (online bei ANNO). Bei dem Text handelt es sich um eine Übersetzung aus The Photographic News, Titel: The French Photographic Exhibition, Vol. XIII, Nr. 580, October 15, 1869, p. 493–494. („M. Bieber of Hamburg, … show excellent examples of portraiture, although …“)
- Repertorium. Die Pariser photographische Ausstellung von 1870. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1870, S. 164–165 (Hier S.165) (online bei ANNO).
- Die Photographie auf der Weltausstellung 1873. I. Zur Orientirung. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1873, Nr. 105, S. 54–57 (Hier S. 56) (online bei ANNO).
- Josef Langl: Photographie auf der Weltausstellung. III. (Schluß). In: Deutsche Zeitung, 22. Oktober 1873, S. 4 (online bei ANNO).
- Vereins- und Personalnachrichten. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1877, Nr. 164, S. 229–230 (online bei ANNO).
- Z. B. Negativ- und Positiv-Retoucheure: Hamburg, E. Bieber’s Photographisches Institut: Photographie. In: Illustrirte Zeitung, 14. September 1872, S. 208 (online bei ANNO). oder
E. Bieber, Hamburg, K. Hofphotograph: Photographie. In: Illustrirte Zeitung, 16. Juni 1877, S. 522 (online bei ANNO). - Verzeichnis jener Aussteller, welchen auf der internationalen photographischen Ausstellung in Berlin Preismedaillen zuerkannt wurden. In: Photographisches Correspondenz, Jahrgang 1865, S. 217–220 (Hier S. 218: „44. E. Bieber“) (online bei ANNO).
- Liste der Auszeichnungen der Hamburger Ausstellung. In: Photographische Mittheilungen. 5. Jg., 1869, S. 239 Digitalisat
- Bulletin de la Société Française de Photographie. Tome Dix-Septième (17. Bd.). Gauthier-Villars, Paris 1871, S. 10.
- Fritz Kempe: Vor der Camera. 1976, S. 61 ff.
- Die Photographie auf der Weltausstellung 1873. II. Auszeichnungen.. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1873, Nr. 107, S. 84
- Die einzelnen Objecte in der Welt-Ausstellung.. In: Wiener Weltausstellungs-Zeitung / Internationale Ausstellungs-Zeitung, 20. August 1873, S. (unpag.) 2 (online bei ANNO).
- Vereins und Personal-Nachrichten. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1875, Nr. 139, S. 249 (online bei ANNO).
- Staatsarchiv Hamburg: 111-1 Senat (12. Jh.–20. Jh.), Signatur: 58884
- Photographische Mittheilungen. 2. Jg., 1865/66, S. 30, (Digitalisat ).
- Protokoll über die Plenar-Versammlung der photographischen Gesellschaft in Wien, am 20. März 1866.. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1866, S. 102 (online bei ANNO).
- Photographische Mittheilungen. 4. Jg., 1868, S. 160, (Digitalisat ).
- Photographische Mittheilungen. 4. Jg., 1868, S. 25 (Digitalisat ), Photographische Mittheilungen. 6. Jg., 1870, S. 85 (Digitalisat )
- Liste de membres … au 1er Janvier 1901 … In: Bulletin de la Société Française de Photographie. Tome Dix-Septième (17. Bd.). Gauthier-Villars, Paris 1901, S. 8. (Bieber (Mme) photographe de la Cour de Berlin, Hambourg (Allemagne) (1869)).
- Vereins- und Personalnachrichten. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1884, Nr. 277, S. 152 (online bei ANNO).
- Hamburgisches Adressbuch für 1874. Personen- und Firmenverzeichnis, S. II/270
Hamburgisches Adress-Buch für 1879. Personen- und Firmenverzeichnis, S. III/235 - Deutsches Geschlechterbuch, Band 21 (3. Hamburger Band), S. 37-52. Görlitz: C.A. Starke 1912. Digitalisat
- Ehrenvolle Anerkennung.. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1868, Nr. 280, S. 279 (online bei ANNO).
- Franz Hilgendorf: Verzeichnis der dem Zoologischen Garten zugegangenen Geschenke an Thieren. In: Führer durch den Zoologischen Garten zu Hamburg. Mit einer Einleitung zur Geschichte des Gartens von Dr. jur. H. Donnenberg. Verlag der Zoologischen Gesellschaft, Hamburg 1869, S. 93 f. (Die Verwaltung der Zoologischen Gesellschaft war im selben Hause untergebracht.)
Anmerkungen
- Das Haus (Charles Beinhauer) Große Bäckerstraße 26 bildete mit der Großen Johannisstraße eine Eckbebauung und besaß ein Flachdach (Hamburgs Neubau, Blatt 43. Grosse Johannis-Strasse. Blatt 2. (Süd-Seite). Lithographie von Charles Fuchs um 1850).
- 1850 findet sich in den Hamburger Nachrichten der Name „Betty Berlin, geb. Bieber“.
- Julius Berlin war ebenso im Vorstand tätig.
- Anzeige mit dem Hinweis auf die Eröffnung (ohne Datumsangabe) in den Hamburger Nachrichten am 5. Februar 1853. Das wiederholt genannte Datum „16. September 1852“ für die Eröffnung ist vermutlich auf ein Zitat (Hanni Schwarz: Photographie als Frauenberuf) aus dem Jahr 1877 aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Ateliers zurückzuführen.
- Marie Auguste Adelgunde Koettgen (1823–1904) war die Initiatorin. Sie war die Frau des Porträtmalers Gustav Adolf Koettgen und Schwester des Komponisten Justus Wilhelm Lyra. (Edith Laudowicz: Marie Auguste Adelgunde Koettgen).
- Die Nennung eines weiblichen Vornamens als Bestandteil des Namens eines Unternehmens war zu dieser Zeit untersagt, weshalb nur der Anfangsbuchstabe genutzt wurde.
- Der Hinweis „im Hause des Herrn Charles Beinhauer“ wurde verwendet, da es sich um ein allgemein bekanntes Unternehmen handelte, das stark frequentiert wurde. Beinhauer verwendete als Adressangabe: „Ecke grosse Johannisstraße und Börsenbrücke“.
- Ihre Schwester Betty und deren Mann Julius waren als unmittelbare Erben eingesetzt. Siehe Testament (Sig.: 232-3_H 9192; Staatsarchiv Hamburg,).