Emilianische Sprache

Emilianisch bezeichnet eine Gruppe von sprachlichen Varietäten des Galloitalischen, die umgangssprachlich Dialetti (=Dialekte) genannt werden und die dem padanischen Zweig angehören. Diese Sprachvarietäten werden in der historischen Region Emilia gesprochen, die grob geschätzt das Gebiet der Provinzen Piacenza, Parma, Reggio Emilia, Modena, Ferrara und einen Teil der Metropolitanstadt Bologna (diesseits des Flusses Sillaro) umfasst. Jenseits des Sillaros beginnt die Region Romagna. Beide historischen Regionen bilden die Verwaltungsregion Emilia-Romagna.

Emilianisch (Emigliàn)

Gesprochen in

Emilia (Italien)
Sprecher ≈3 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

roa (sonstige Romanische Sprachen)

ISO 639-3

egl

Verbreitungsgebiet des Emilianischen. Der Sprachraum des Romagnolischen ist dunkler verfärbt.

Die emilianische Sprache, wie alle anderen Sprachen des padanischen Zweigs, wurde als europäische Minderheitssprache durch den Europarat anerkannt und ist sowohl in den von der UNESCO abgefassten (Red Book on endangered languages) als schutzwürdige Sprache als auch in den Sprachatlas Ethnologue aufgenommen worden.

In der gegenwärtigen Forschung zählt Emilianisch zu den westlichen romanischen Sprachen, wie Französisch, Okzitanisch, Katalanisch, Ligurisch, Lombardisch, Piemontesisch und Romagnol, während Italienisch dem Zweig der östlichen romanischen Sprachen angehört.

Eine emilianische Koinesprache existiert nicht.

Die Grenzen zu den anderen padanischen Dialekten sind auf der Ebene der Phonetik und des Wortschatzes ziemlich fließend, so dass manche Dialektologen einige Grenzvarietäten des Lombardischen wie etwa die von Mantua, Pavia oder Voghera als Übergangsformen zwischen dem Lombardischen und dem Emilianischen, andere sogar als echtes Emilianisch bezeichneten.

Auch der Dialekt der Lunigiana, einer Region in der nordwestlichen Toskana, gehört dem emilianischen Zweig an.

Dialektvarietäten

Der emilianische Zweig gliedert sich in fünf Unterzweige, die sich lautlich und im Wortschatz unterscheiden.

Sprachbesonderheiten

Die emilianischen Dialekte weisen alle gemeinsame Züge mit den padanischen Sprachvarietäten auf, u. a.:

  • das Abschneiden der Endvokale in Bezug auf das Standard-Italienisch mit Ausnahme der a und die damit verbundene Phonetikausdehnung der vorherigen Lautstimme, die komplex werden kann:
    Bolognesisch: mèder (Mutter), dutåur (Arzt), âlber (Baum).
  • das Vorhandensein runder Vokale, die typisch für die westromanischen Sprachen sind. Auf Lunigianisch und Westemilianisch sind weitere vier davon vorhanden: ä, ü, ö, å (im Westemilianischen besonders auch ë, eine halb-stimmlose Lautstimme, die auch im Piemontesischen vorhanden ist), im Mittelemilianischen hingegen nur einer. Man vergleiche beispielsweise das Wort Schnecke:
    Westemilianisch: lümäga
    Bolognesisch: lumèga
    Es wird vermutet, dass das Vorhandensein dieser Vokale auf die Herrschaft der Boier zurückzuführen ist.
  • Eine weitere Besonderheit des Emilianischen ist die Schwächung der unbetonten Silben, die oft zu einer Null-Apophonie tendieren:
    Bolognesisch: ṡbdèl (Krankenhaus) - bdòc (Laus) - dscårrer (sprechen)
  • das Vorhandensein nasaler und alveolarer Laute (die im Bolognesischen mit dem Sonderzeichen ṅ geschrieben werden), wie etwa im Bolognesischen
    cusén (Kissen) [hier wird es wie in im Französischen ausgesprochen]
  • die Bildung der Pluralformen durch eine Lautverschiebung:
    żnòc' (Knie [Sg.]) - żnûc' (Knie [Pl.])
    fardåur (Erkältung) - fardûr (Erkältungen)
    uràvvṡ (Goldschmied) - urévvṡ (Goldschmiede)
  • das Vorhandensein vieler Verbklassen
  • das Vorhandensein einer Fragesatz-Konjugation und einer Aussagesatz-Konjugation:
    Bolognesisch: a sån (ich bin) und såggna? (bin ich?)
  • Die obligatorische Verwendung des Personalpronomens (anders als im Italienischen) und der Gebrauch betonter Formen:
    Mittelemilianisch: me a sun andèe (ich bin gegangen) [Vergleiche dazu moi, je suis allé im Französischen].

Beispiele

Bolognesisch Italienisch
Pèder nòster (=Vaterunser) Padre nostro
Pèder nòster, Padre nostro
ch't î int al zîl, Che sei nei cieli
ch'al séppa santifichè al tô nómm, Sia santificato il tuo nome
ch'ai véggna al tô raggn, Venga il tuo regno
ch'ai séppa fâta la tô volontè, Sia fatta la tua volontà
cómm in zîl, acsé anc in tèra. Come in cielo, così in terra
Dâs incû al nòster pan ed tótt i dé, Dacci oggi il nostro pane quotidiano
e dscanzèla i nûster dèbet, E rimetti a noi i nostri debiti
cme nuèter a i dscanzlän ai nûster debitûr, Come noi li rimettiamo ai nostri debitori
e brîṡa lasèr ch'a cascaggna in tentaziån, E non ci indurre in tentazione
mo lébbres dal mèl. Ma liberaci dal male
Âmen. Amen.

Literatur

  • Pietro Mainoldi: Manuale dell’odierno dialetto bolognese, Suoni e segni, Grammatica - Vocabolario. Società tipografica Mareggiani, Bologna 1950 (Rist. anast.: Sala Bolognese, A. Forni 2000).
  • Fabio Foresti: Bibliografia dialettale dell’Emilia-Romagna e della Repubblica di San Marino (BDER). IBACN Emilia-Romagna / Compositori, Bologna 1997.
  • E. F. Tuttle: Nasalization in Northern Italy: Syllabic Constraints and Strength Scales as Developmental Parameters. In: Rivista di Linguistica, III: 23–92 (1991).
  • Daniele Vitali, Luigi Lepri [vitali d. e lepri l.]: Dizionario italiano-bolognese, bolognese-italiano. Ed. Vallardi, 2000.
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