Embedded Journalism

Embedded Journalism (engl. embed „einbetten“, „integrieren“) bezeichnet kontrollierte, zivile Kriegsberichterstattung, bei der Kriegsberichterstatter im Krieg einer kämpfenden Militäreinheit zugewiesen werden. Geprägt wurde der Begriff zu Beginn des Irakkrieges im Jahre 2003 von den Streitkräften der Vereinigten Staaten.

Ein dem US-Militär zugewiesener Journalist schießt Fotos von US-Soldaten in Pana, Afghanistan

Die United States Army begegnete mit der Praxis des „eingebetteten Journalismus“ dem Druck amerikanischer Massenmedien, denen der Zugang zum Kriegsgeschehen während des Zweiten Golfkrieges 1991 und des Krieges in Afghanistan 2001 nicht ausgereicht hatte. Dabei entstand ein „grundlegendes Regelwerk für Kooperation zwischen Militär und Journalisten“.[1] Wie die Kommunikationswissenschaftler Katharina Veit und Christian Schäfer-Hock aufzeigen, gab es allerdings bereits zu Zeiten von Alexander dem Großen militärgestützten Journalismus.[2]

Der Begriff wird zunehmend auch außerhalb militärischer Zusammenhänge benutzt, um Journalismus zu charakterisieren, der sich den vorgegebenen politischen Strukturen und Erwartungen anpasst, also zum Sprachrohr der Regierung machen lässt. Die Struktur und Funktionsweise von politisch-medialen Netzwerken, in die der Journalist „eingebettet“ ist, wurde unter anderem von Uwe Krüger näher erforscht[3] und bildet einen Teil der modernen Form der Medienmanipulation.[4]

Auflagen und Risiken

Das US-Militär verlangte von den embedded journalists, kurz auch als embeds bezeichnet, dass sie vorher eine Zeitlang ein Spezialtraining absolvierten, das dem Boot Camp (kurzes, aber intensives militärisches Training in den USA) ähnelt, bevor sie in die Kampfzonen durften. Außerdem mussten sich die Reporter und deren Arbeitgeber verpflichten einem speziellen Regelkatalog, den sogenannten Ground Rules, die genaue Auflagen enthielten, zuzustimmen.

Während der Kampfhandlungen des Irakkrieges im Jahr 2003 sind 16 der 600 embedded journalists ums Leben gekommen, darunter auch der deutsche Focus-Korrespondent Christian Liebig. Die Zahl ist erstaunlich hoch, denn von den rund 300.000 eingesetzten alliierten Soldaten verloren während der Kampfhandlungen lediglich 178 ihr Leben; die Todeswahrscheinlichkeit der embeds war also rund 45-mal größer.

Qualität und Zensur

Befürworter des eingebetteten Journalismus betonen die unmittelbaren Eindrücke, die diese Form des Journalismus ermöglicht: „Potenziale des Embedded Journalism liegen [also] vorrangig in der menschlich-direkten Berichterstattung über die Truppen selbst.“ Dies könne das Interesse von eher politikfernen Zielgruppen an der Kriegsberichterstattung erhöhen.[5]

Bildrauschende Videos und Übertragungen mittels Satellitentechnik waren dauerhafte Begleiter des Kriegseinsatzes. Andererseits haben manche eingebetteten Journalisten den Krieg ehrlich und realitätsnah dokumentiert, wie beispielsweise die Fotojournalistin Lynsey Addario oder der Journalist Sebastian Junger in dem preisgekrönten Dokumentarfilm Restrepo.[6]

Als ein Problem des eingebetteten Journalismus gilt die große Nähe zwischen Journalisten und den handelnden Personen, über die sie berichten. So berichtet der Journalist Markus Deggerich (Spiegel Online) in einem Interview darüber, dass er beim Irakkrieg den Eindruck hatte, „dass es nicht mehr allen [Journalisten] gelingt, noch zu unterscheiden zwischen ihrer Rolle als Journalisten und als Kumpel“.[7] Eine unabhängige und neutrale Berichterstattung scheint also durch die Nähe zu den Protagonisten zumindest gefährdet zu sein. Eingebetteter Journalismus wird daher von manchen Beobachtern als „PR fürs Militär“[8] bezeichnet. Zudem wird auf die Zensurproblematik verwiesen.

Wenn auch die Konzeption eine gewisse Ähnlichkeit zu jener der deutschen Propagandakompanien (kurz PK) im Zweiten Weltkrieg aufweist, so gibt es doch einen Unterschied: Der PK-Reporter war befehlsgebundener Soldat, der embedded journalist dagegen ist Zivilist und zumindest formal unabhängig. Aus Sicht der Medienunternehmen stellt das Embedding einen – wirtschaftlichen – Fortschritt gegenüber dem extrem ungeliebten Pool-Prinzip dar. Ein Vorteil des Einbettens für Journalisten: Es löst sie von der Verpflichtung, ihr Material mit Kollegen teilen zu müssen, wie es unter Einsatz des Pool-Prinzips nötig gewesen ist.

Der Begriff „Eingebettete Journalisten“ wurde bei der Wahl für das Wort des Jahres 2003 auf den 5. Platz gewählt.

Kritik

Laut einem Artikel im Magazin Cicero (2014) gilt „Embedded Journalism, also Journalismus durch Berichterstatter, die einer kämpfenden Militäreinheit zugewiesen sind [...] als ethisch heikel.“ Vom ehemaligen Intendant des Westdeutschen Rundfunks Friedrich Nowottny stammt in diesen Kontext das Zitat: „Der Blick des Journalisten fällt durch den Sehschlitz des Panzers. Und der ist nicht sehr groß“ (2003). Auch kollidiert die Aufgabe des Presseoffiziers, darüber zu wachen, dass nichts passiert, was für das Image der Bundeswehr abträglich sein könnte, dass sich kein Soldat verplappert mit den Aufgaben eines Journalisten, der hingegen auf gute Zitate und Bilder lauert. Die RTL-Kriegsreporterin Antonia Rados während des Irakkriegs zeigte sich „erstaunt, dass die Zensur nicht strenger ist, aber es ist tagtäglich ein Katz-und-Maus-Spiel“ (2003).[9]

Literatur

  • Howard Tumber & Jerry Palmer: Media at war – The Iraq Crisis. Sage Publications, London 2008, ISBN 1-4129-0181-2.
  • John Byrne Cooke: Reporting The War – Freedom of the Press from the American Revolution to the War on Terrorism. Palgrave Macmillan, New York 2007, ISBN 1-4039-7515-9.
  • Rudolf Sponsel: Das Embedded Syndrom. Oder: vom Verlust der Objektivität durch embedded journalism. Eine polit-psychologische Analyse unter Einbeziehung bindungstheoretischer Phänomene. IP-GIPT, Erlangen (online).

Einzelnachweise

  1. Katharina Veit, Christian Schäfer-Hock: Embedded Journalism. In: Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hrsg.): Journalistische Genres. UVK-Verlag, Konstanz 2016, S. 155.
  2. Katharina Veit, Christian Schäfer-Hock: Embedded Journalism. In: Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hrsg.): Journalistische Genres. UVK-Verlag, Konstanz 2016, S. 153–166.
  3. Uwe Krüger: Meinungsmacht – Herbert von Halem Verlag. In: halem-verlag.de. 24. November 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Oktober 2015; abgerufen am 9. Januar 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.halem-verlag.de
  4. Stefanie Tornow-Godoy: Konstruktion der Wahrheit: Die Manipulation der US-Bevölkerung durch Politik und Medien. Hamburg 2012.
  5. Katharina Veit, Christian Schäfer-Hock: Embedded Journalism. In: Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hrsg.): Journalistische Genres. UVK-Verlag, Konstanz 2016, S. 159.
  6. Marc Pitzke: Afghanistan-Doku Restrepo: Die sinnlose Mission der Babyface-Killer. In: Spiegel Online. 22. Juni 2010, abgerufen am 9. Januar 2017.
  7. Journalist oder Kumpel? Zwischen Livemomenten und Reflexion. In: bpb.de. 24. April 2003, abgerufen am 9. Januar 2017.
  8. Christine Buth: Krisenberichterstattung: Eingebettete Journalisten. In: planet-wissen.de. 26. August 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. November 2016; abgerufen am 9. Januar 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.planet-wissen.de
  9. Marvin Oppong: - Keine Doku ohne Bundeswehr , cicero.de vom 3. September 2014
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