Elisabeth von Herzogenberg
Elisabeth von Herzogenberg (geboren am 13. April 1847 in Paris als Elisabeth Stockhausen; gestorben am 7. Januar 1892 in Sanremo) war eine deutsche Pianistin, Komponistin, Sängerin und Mäzenin.
Leben
Elisabeth von Stockhausen wurde als drittes Kind des hannoveranischen Diplomaten Bodo Albrecht von Stockhausen (1810–1885) und Gräfin Clotilde von Baudissin (1818–1891) in Paris geboren. Bodo Albrecht von Stockhausen hatte in Paris Klavierunterricht bei Frédéric Chopin erhalten. Als Elisabeth fünf Jahre alt war, zog die Familie nach Wien. Dort erhielt sie Klavierunterricht zunächst von Theodor Dirzka, Organist der evangelischen Gemeinde. Später unterrichtete sie der Pianist Julius Epstein in Klavierspiel und Harmonielehre, zudem erhielt sie Gesangsunterricht. Ihr Stimmumfang umfasste drei Oktaven, ihre Stimme wird als außerordentlich klar geschildert.
Stockhausens Klavierspiel wurde gerühmt für Ausdruck, Anschlag, Technik und Einfühlungskraft und begeisterte unter anderem Paul Heyse, Clara Schumann, Adolf von Hildebrand und Johannes Brahms. Letzterer nahm sie 1863 als Schülerin an, verwies sie aber nach kurzer Zeit an Julius Epstein zurück. Über die möglichen Gründe – Rücksicht auf Epstein oder Rückzug angesichts einer aufkeimenden Liebesbeziehung – gibt es unterschiedliche Spekulationen[1]. Dennoch wurde Elisabeth später enge Vertraute von Brahms, die ihm im Zuge brieflicher Beratung ausführliche Rezensionen seiner Werke zusandte, sowie von Clara Schumann. Der Komponist widmete ihr 1880 die beiden Rhapsodien op. 79 und verwarf Stücke, die ihr missfielen. Der von Max Kalbeck in zwei Bänden herausgegebene Briefwechsel zwischen Brahms und dem Ehepaar Herzogenberg[2][3] stellt eine wichtige Quelle für die Brahmsforschung dar.
In Wien lernte Elisabeth von Stockhausen im Jahr 1865 den Komponisten und Dirigenten Heinrich von Herzogenberg kennen, beide heirateten am 26. November 1868. Das Paar lebte zunächst in Graz, ab 1872 in Leipzig und ab 1885 in Berlin, wo Heinrich von Herzogenberg an der Königlichen Hochschule für Musik Komposition lehrte.
Elisabeth von Herzogenberg, obwohl stets gemeinsam mit ihrem Mann in die musikalische Szene integriert, trat vor allem im privaten Kreis als Pianistin und Sängerin auf und betätigte sich als musikalische Beraterin und Mäzenin von Künstlern. So unterstützte sie ihren Ehemann bei der Leitung des Leipziger Bachvereins, den dieser 1875 gemeinsam mit Philipp Spitta, Franz von Holstein und Alfred Volkland ins Leben gerufen hatte. Gelegentlich wirkte sie in Konzerten des Vereins als Pianistin mit. 1878 lernte sie die Musikstudentin Ethel Smyth kennen, die sie intensiv förderte und mit der sie eine Liebesbeziehung führte.[4] Smyth widmete ihr ein ganzes Kapitel (XX) in ihren Memoiren.[5]
Ihre Ehe blieb kinderlos. Ihr Mann erkrankte in den Jahren 1887 bis 1889, bald darauf verschlimmerte sich ihr eigenes Herzleiden. In dieser Zeit bis zu ihrem Tod reiste das Ehepaar durch verschiedene europäische Kurorte. Im Januar 1892 erlag Elisabeth von Herzogenberg, noch nicht 45-jährig, in Sanremo, das sie gemeinsam mit ihrem Mann im November 1891 des wärmeren Klimas wegen aufgesucht hatte, ihrem Herzleiden. Das unmittelbar danach geschriebene Streichquintett op. 77 ihres Mannes variiert in seinem langsamen Satz ein von Elisabeth auf einen Text von Friedrich Rückert komponiertes Lied „Du bist vergangen eh ich’s gedacht“. Unter dem Eindruck ihres Todes entstand außerdem die Kantate „Todtenfeier“ op. 80 für Soli, Chor und Orchester.
Zwar sind einige Kompositionen Elisabeths von Herzogenberg überliefert, ein Großteil ging jedoch unveröffentlicht verloren. 1889 wurden bei Rieter-Biedermann in Leipzig „24 Volkskinderlieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte“ veröffentlicht (Textdichter und Kompositionsdatum unbekannt). Ihr Mann publizierte nach ihrem Tod „Acht Clavierstücke“ aus ihrer Feder (ebenfalls bei Rieter-Biedermann), die er einzeln mit Widmungen an Freunde der Verstorbenen versah. Eine Einspielung der „Acht Clavierstücke“ durch Nataša Veljković erschien 2014 im Rahmen einer Gesamtaufnahme des Klavierwerks von Heinrich v. Herzogenberg beim Label cpo. 2019 erklang das Andante aus den „Clavierstücken“ in einem Konzert an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im Rahmen von Europride, das der Komponistin Ethel Smyth und ihren „queer contemporaries“ gewidmet war.[6]
Literatur
- Mirjam Gerber: Zwischen Salon und musikalischer Geselligkeit. Henriette Voigt, Livia Frege und Leipzigs bürgerliches Musikleben (= Studien und Materialien zur Musikwissenschaft 90), Hildesheim u. a. 2016, S. 171–173.
- Max Kalbeck (Hrsg.): Johannes Brahms im Briefwechsel mit Heinrich und Elisabet[h] von Herzogenberg. 2 Bde. Berlin, 1907.
- Antonius Lux (Hrsg.): Große Frauen der Weltgeschichte. Tausend Biographien in Wort und Bild, Sebastian Lux Verlag, München 1963, S. 224.
- Antje Ruhbaum: „Ein Talent, ‚als Sängerin, Pianistin, vielleicht sogar als Komponistin in der Öffentlichkeit zu glänzen...‘. Elisabeth von Herzogenberg (1847–1892) als Musikförderin“. In: Rebecca Grotjahn/Freia Hoffmann (Hrsg.): Geschlechterpolarisierungen in der Musikgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts (= Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Musik 3), Herbolzheim 2002, S. 197–207.
- Antje Ruhbaum: Elisabeth von Herzogenberg: Salon – Mäzenatentum – Musikförderung (= Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Musik 7), Dissertation, Kenzingen 2009.
- Schumann-Briefedition, Serie II, Bd. 15: Briefwechsel mit Freunden und Künstlerkollegen (Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig), hrsg. von Annegret Rosenmüller und Ekaterina Smyka, Köln 2016, S. 393‒402.
- Bernd Wiechert: Heinrich von Herzogenberg (1843–1900). Studien zu Leben und Werk. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, ISBN 978-3-525-27901-4.
Weblinks
- Antje Ruhbaum: Von Eisbergen und Unterwasserlandschaften. Elisabeth und Heinrich von Herzogenberg und der Brahmskreis., Webseite „herzogenberg.ch“ der Internationalen Herzogenberg-Gesellschaft mit Sitz in Heiden (Kanton Appenzell Ausserrhoden, Schweiz)
- Antje Ruhbaum: Artikel „Elisabeth von Herzogenberg“. In: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 4. Februar 2019.
- Elisabeth von Herzogenberg, Photographie (bei Suchbegriff „Elisabeth von Herzogenberg“ eingeben)
Einzelnachweise
- Antje Ruhbaum: Elisabeth von Herzogenberg: Salon – Mäzenatentum – Musikförderung. In: Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Musik 7. Centaurus-Verlag, Kenzingen 2009, ISBN 978-3-8255-0681-0, S. 29 f., urn:nbn:de:0168-ssoar-309311.
- Max Kalbeck (Hrsg.): Johannes Brahms im Briefwechsel mit Heinrich und Elisabet von Herzogenberg. 2. Auflage. Band 1. Verlag der Deutschen Brahmsgesellschaft, Berlin 1908 (archive.org).
- Max Kalbeck (Hrsg.): Johannes Brahms im Briefwechsel mit Heinrich und Elisabet von Herzogenberg. 2. Auflage. Band 2. Verlag der Deutschen Brahmsgesellschaft, Berlin 1908 (archive.org).
- Vgl. Antje Ruhbaum: „Ein Talent, ‚als Sängerin, Pianistin, vielleicht sogar als Komponistin in der Öffentlichkeit zu glänzen...‘. Elisabeth von Herzogenberg (1847–1892) als Musikförderin“. In: Rebecca Grotjahn/Freia Hoffmann (Hrsg.): Geschlechterpolaritäten in der Musikgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts (= Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Musik 3), Herbolzheim 2002, S. 197–207.
- Ethel Smyth: Impressions That Remained Memoirs. Alfred A. Knopf, 1946, S. XIII, 169–177 (archive.org [abgerufen am 14. Dezember 2022]).
- EuroPride 2019 Concert. In: Vienna Pride. Abgerufen am 14. Dezember 2022.