Eidgenössische Abstimmung über die Totalrevision des CO2-Gesetzes

Die Eidgenössische Abstimmung über die Totalrevision des CO2-Gesetzes war eine schweizerische Referendumsabstimmung über das Bundesgesetz vom 25. September 2020 über die Verminderung von Treibhausgasemissionen (CO2-Gesetz). Die Vorlage wurde am 13. Juni 2021 mit einer Mehrheit von 51,59 % abgelehnt.[1]

Hintergrund

Im Jahr 2017 ratifizierte die Schweiz das Klimaübereinkommen von Paris. Sie verpflichtet sich damit, ihre Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem Stand von 1990 zu halbieren. Die Schweizer Regierung schlug deshalb am 1. Dezember 2017 eine Totalrevision des CO2-Gesetzes vor, um diese Verpflichtung auf nationaler Ebene umzusetzen.

Kundgebung der Klimastreikbewegung mit dem Bundeshaus im Hintergrund

Im Nationalrat erlitt die Vorlage 2018 vorerst Schiffbruch. Den einen gingen die Massnahmen zu wenig weit, die anderen waren grundsätzlich gegen das Gesetz. Die Vorlage wurde in der Gesamtabstimmung mit 92 gegen 60 Stimmen und 43 Enthaltungen abgelehnt.

Das politische Klima veränderte sich jedoch unter dem Eindruck der Klimastreikbewegung im Jahr 2019. Der Ständerat beschloss im September 2019 weitergehende Massnahmen als von der Regierung vorgeschlagen. So namentlich eine Flugticketabgabe. Der Nationalrat wurde in den Parlamentswahlen vom Oktober 2019 wegen des Klima-Themas viel «grüner», indem Grüne und Grünliberale viele Sitze gewannen. Der Nationalrat folgte nun dem Ständerat und lehnte dabei Anträge für Verschärfungen und Abschwächungen meist ab.

In den Schlussabstimmungen wurde das Gesetz am 25. September 2020 angenommen, im Nationalrat mit 129 gegen 59 Stimmen und 8 Enthaltungen und im Ständerat mit 33 gegen 5 Stimmen und 6 Enthaltungen.

Abstimmungsfrage

Wollen Sie das Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen (CO2-Gesetz) vom 25. September 2020 annehmen?[2]

Abstimmungstext

Weil es sich um eine Totalrevision des CO2-Gesetzes handelt, umfasst der Gesetzestext 39 Seiten. Der Gesetzestext wurde am 6. Oktober 2020 im Bundesblatt veröffentlicht.[3]

Positionsbezüge

Für die Totalrevision des CO2-Gesetzes sprachen sich alle Parteien der Schweiz aus, mit Ausnahme der EDU und SVP.[4] Bundesrat, Nationalrat und Ständerat positionierten sich für die Gesetzesänderung. Zudem wurde es von den Kantonen, dem Städteverband, dem Gemeindeverband, der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, den Umweltorganisationen, den Mobilitätsverbänden Touring Club Schweiz (TCS) und Verkehrs-Club Schweiz (VCS) sowie von zahlreichen Verbänden der Wirtschaft (z. B. Economiesuisse, Bankiervereinigung, Swissmem, Bauen Schweiz, Baumeisterverband, Bauernverband) unterstützt.[5] Zudem hatten sich mehr als 100 Wissenschaftler dem überparteilichen Ja-Komitee angeschlossen.[6]

Das Referendumskomitee bestand aus verschiedenen Verbänden aus der Autobranche, der Gebäude- und der Mineralölbranche.[7] Für ein «Nein» positionierten sich neben dem Referendumskomitee auch einige Regionen der Klimastreikbewegung.[8]

Argumente der Gegner

Gegner des Gesetzes aus Wirtschaftskreisen sagten, dieses sei teuer und nutzlos (die CO2-Emissionen der Schweiz würden nur einen geringen Teil zum weltweiten Ausstoss beitragen); zudem habe es finanzielle Auswirkungen für den Mittelstand und die KMU, die sich mit zusätzlichen Abgaben und Vorschriften konfrontiert sähen.[2] Das neue CO2-Gesetz führe zu mehr Bürokratie, mehr Verboten, mehr Vorschriften und neuen Steuern und Abgaben. Dabei sei die Schweiz auch ohne CO2-Gesetz klimapolitisch vorbildlich unterwegs.[9]

Westschweizer Regionen der Klimastreikbewegung argumentierten, das vorliegende CO2-Gesetz sei der falsche Weg, weil es eine Lösung der Klimakrise vortäusche. Ausserdem bitte das Gesetz nicht diejenigen zur Kasse, welche an der Quelle der Emissionen sitzen, sondern würde die Konsumenten in die Pflicht nehmen.[8]

Argumente der Befürworter

Die Schweizer Regierung hielt in ihrem Abstimmungsbüchlein fest: Mit dem revidierten CO2-Gesetz knüpfe die Schweiz an ihre bisherige Klimapolitik an und verstärke diese. Das Gesetz setze weiterhin auf die Kombination von finanziellen Anreizen, Investitionen und neuen Technologien. Klimafreundliches Verhalten werde belohnt. Wer hingegen viel CO2 verursache, zum Beispiel wer viel fliegt, zahlt mehr. Beim Verkehr sorge das Gesetz dafür, dass Fahrzeuge auf den Markt kommen, die weniger Benzin und Diesel verbrauchen. «Wird das neue CO2-Gesetz abgelehnt, ist sicher, dass die Schweiz das Ziel verfehlt, den Treibhausgas-Ausstoss bis 2030 gegenüber dem Wert von 1990 zu halbieren (Übereinkommen von Paris)», so der Bundesrat.[2]

Mehr als die Hälfte der Gelder aus der CO2-Abgabe und der Flugticketabgabe werde an die Bevölkerung zurückverteilt. Jede Person erhalte den gleichen Betrag. Familien würden somit für jedes Mitglied eine Rückvergütung bekommen. Das Geld werde über die Krankenkassenprämie gutgeschrieben.

Das Ja-Komitee argumentierte, dass es einen internationalen Effort für den Klimaschutz brauche und dass die Schweiz mit diesem Gesetz ihren Beitrag leiste. Zudem sei das CO2-Gesetz verursachergerecht und gesundheitsförderlich und durch den Rückverteilungsmechanismus fair und solidarisch ausgestaltet.[10]

Meinungsumfragen

Institut Auftraggeber Datum Ja Eher Ja Unentschieden
Keine Antwort
Eher Nein Nein
LeeWas GmbH Tamedia 28. Mai 2021 49 4 1 4 42
gfs.Bern SRG SSR 22. Mai 2021 38 16 3 13 30
LeeWas GmbH Tamedia 12. Mai 2021 42 8 4 6 40
LeeWas GmbH Tamedia 27. April 2021 43 11 3 8 35
gfs.Bern SRG SSR 23. April 2021 36 24 5 15 20

Bemerkungen: Angaben in Prozent. Das Datum bezeichnet den mittleren Zeitpunkt der Umfrage, nicht den Zeitpunkt der Publikation der Umfrage.

Volksabstimmung

Abstimmungsergebnisse nach Kantonen

Die Vorlage wurde am 13. Juni 2021 vom Volk abgelehnt. 51,6 Prozent stimmten mit Nein, 48,4 Prozent mit Ja. Abgelehnt wurde damit die Neufassung des CO2-Gesetzes.

Durch die gleichzeitige Vorlage von mehreren Agrarinitiativen bei den Abstimmungen am 13. Juni 2021 war bei der ländlichen Bevölkerung intensiver mobilisiert worden; Teile der Klimabewegung lehnten die Neufassung ebenfalls ab oder unterstützten diese nicht,[11] auch sei die Rückverteilung der Lenkungsabgaben an die Bevölkerung zu wenig deutlich sichtbar gewesen.[12]

  • Ja (4 12 Stände)
  • Nein (16 52 Stände)
  • «Totalrevision des CO2-Gesetzes» – amtliches Endergebnis[13]
    Kanton Ja (%) Nein (%) Beteiligung (%)
    Kanton Zürich Zürich 55,4 % 44,6 % 59,46 %
    Kanton Bern Bern 48,5 % 51,5 % 62,27 %
    Kanton Luzern Luzern 48,0 % 52,0 % 65,23 %
    Kanton Uri Uri 35,0 % 65,0 % 63,51 %
    Kanton Schwyz Schwyz 34,5 % 65,5 % 68,51 %
    Kanton Obwalden Obwalden 36,2 % 63,8 % 71,40 %
    Kanton Nidwalden Nidwalden 38,2 % 61,8 % 68,29 %
    Kanton Glarus Glarus 39,9 % 60,1 % 59,46 %
    Kanton Zug Zug 47,7 % 52,3 % 67,46 %
    Kanton Freiburg Freiburg 44,4 % 55,6 % 61,89 %
    Kanton Solothurn Solothurn 43,9 % 56,1 % 59,14 %
    Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt 66,6 % 33,4 % 58,08 %
    Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft 47,0 % 53,0 % 59,38 %
    Kanton Schaffhausen Schaffhausen 46,5 % 53,5 % 72,52 %
    Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden 42,5 % 57,5 % 66,12 %
    Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden 35,1 % 64,9 % 65,13 %
    Kanton St. Gallen St. Gallen 42,9 % 57,1 % 59,59 %
    Kanton Graubünden Graubünden 46,6 % 53,4 % 59,74 %
    Kanton Aargau Aargau 44,0 % 56,0 % 59,02 %
    Kanton Thurgau Thurgau 40,5 % 59,5 % 61,39 %
    Kanton Tessin Tessin 44,5 % 55,5 % 48,66 %
    Kanton Waadt Waadt 53,2 % 46,8 % 57,78 %
    Kanton Wallis Wallis 39,1 % 60,9 % 59,39 %
    Kanton Neuenburg Neuenburg 52,6 % 47,4 % 53,82 %
    Kanton Genf Genf 61,4 % 38,6 % 50,84 %
    Kanton Jura Jura 41,8 % 58,2 % 58,67 %
    Eidgenössisches Wappen ÜÜÜSchweizerische Eidgenossenschaft 48,4 % 51,6 % 59,70 %

    Siehe auch

    Einzelnachweise

    1. Der Bundesrat: CO2-Gesetz. Abgerufen am 14. Juni 2021.
    2. Der Bundesrat: CO2-Gesetz. Abgerufen am 28. April 2021.
    3. Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen (CO2-Gesetz) vom 25. September 2020 (PDF)
    4. Abstimmung vom 13. Juni – Parolenspiegel. In: srf.ch. 17. Mai 2021, abgerufen am 17. Mai 2021.
    5. Abstimmung vom 13. Juni: Bundesrat und Kantone empfehlen ein Ja zum revidierten CO2-Gesetz. In: admin.ch. Abgerufen am 27. April 2021.
    6. Abstimmung über CO2-Gesetz - Über hundert Forschende sind für ein Ja zum CO2-Gesetz. 22. April 2021, abgerufen am 27. April 2021.
    7. Referendum - Wirtschaftskomitee reicht Unterschriften gegen CO2-Gesetz ein. In: srf.ch. 12. Januar 2021, abgerufen am 27. April 2021.
    8. Unsere Kritik am CO2-Gesetz. In: climatestrike.ch. Abgerufen am 27. April 2021.
    9. Referendum gegen das CO2-Gesetz. In: vernuenftig-bleiben.ch. Abgerufen am 27. April 2021.
    10. Argumente. In: klimaschutz-ja.ch. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. April 2021; abgerufen am 27. April 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/klimaschutz-ja.ch
    11. Balz Rigendiger: Volk lehnt CO2-Gesetz mit 51,6 % ab. SWI Swissinfo.ch, 13. Juni 2021, abgerufen am 20. Juni 2021.
    12. Volksabstimmungen: Die Bürger schauen nicht nur auf das eigene Portemonnaie, 16. Juni 2021, abgerufen am 25. Juni 2021.
    13. Bundeskanzlei BK: Vorlage Nr. 644 Resultate in den Kantonen. Abgerufen am 17. März 2022.
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