Ehekredit
Ein Ehekredit wurde in der DDR seit 1972 frisch verheirateten Paaren gewährt. Es handelte sich zunächst um eine umgangssprachliche Bezeichnung, die später auch offiziell wurde. Eine ähnliche familienpolitische Maßnahme gab es als Ehestandsdarlehen in der Zeit des Nationalsozialismus. Zwischen 1972 und 1988 wurden 1.371.649 Ehekredite mit einem Gesamtvolumen von 9,3 Milliarden Mark vergeben, von denen etwa ein Viertel „abgekindert“ wurde.[1]
Kreditbedingungen
Auf Antrag erhielten Ehepaare, bei denen beide Partner nicht älter als 26 Jahre waren (offizieller Begriff: Jungehe, dies betraf 80 % der in der DDR geschlossenen Ehen) und deren gemeinsames Einkommen bei Eheschließung nicht über 1.400 Mark lag, von der Sparkasse einen zinslosen Kredit von erst 5.000, ab 1986 7.000 DDR-Mark[2]. Die Rückzahlung erfolgte in Monatsraten à 50 Mark.
„Abkindern“
Bei Geburt eines oder mehrerer Kinder wurde die abzuzahlende Kreditsumme entweder als Sondertilgung (offiziell Krediterlaß genannt) gemindert (beim ersten Kind um 1.000 Mark, beim zweiten Kind um weitere 1.500 Mark) und war bei Geburt des dritten Kindes gänzlich getilgt (drittes Kind = Sondertilgung/Krediterlaß von 2.500 Mark). Dafür wurde umgangssprachlich, wie zuvor bereits in Westdeutschland und West-Berlin für ähnliche staatlich geförderte Kredite der in nationalsozialistischer Zeit aufgekommene Begriff „abkindern“ benutzt.[3] Gleichzeitig sank die monatliche Tilgung, so dass die Kreditlaufzeit gleich blieb. War zum Zeitpunkt der Geburt eines Kindes durch die Sondertilgung der Kredit bereits überzahlt, wurde der überzahlte Betrag wieder ausbezahlt (zurückgewährt). Bei drei Kindern wurde somit der gesamte Kreditbetrag mit einer Summe getilgt und bereits gezahlte Beträge rückgewährt; sie wurden so zu einem Zuschuss. Amtlich beglaubigte Totgeburten wurden wie lebend geborene Kinder behandelt, d. h. für diese wurde ebenfalls die Sondertilgung/der Krediterlaß gewährt.
Nach der Wende
Mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wurden die Ehekredite wie alle Kredite zum 1. Juli 1990 halbiert. Durch das Zinsanpassungsgesetz wurden sie auf marktübliche Zinssätze umgestellt. Um Härten zu vermeiden, wurden diese Zinsen bis zum 31. Dezember 1992 auf Antrag vom Bund übernommen.
Unter westlichen Demographen wurde das statistische Phänomen als Honecker-Buckel bezeichnet.
Einzelnachweise
- Birgit Wolf: Sprache in der DDR:Ein Wörterbuch, 2000, ISBN 3-11-016427-2, Stichworte „Abkindern“, „Ehekredit“ und „Jungehe“, Seite 2, 48 und 112
- Klaus-Dieter Stamm: Stichworte von A bis Z: Zu Bildung, Jugend und Gesellschaft in der DDR 1949–1990, 2010, ISBN 3-8391-6533-4, Stichwort „Abkindern“, Seite 40, online
Einzelnachweise
- Dierk Hoffmann, Michael Schwartz (Hrsg.): Sozialstaatlichkeit in der DDR: Sozialpolitische Entwicklungen im Spannungsfeld von Diktatur und Gesellschaft 1945/49-1989, 2005, ISBN 3-486-57804-9, Seite 70, online
- GBl. I Nr. 15, S. 244
- Zur NS-Zeit siehe Detlev Humann: Arbeitsschlacht – Arbeitsbeschaffung und Propaganda in der NS-Zeit 1933-1939. Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0838-1, S. 120, zu West-Berlin Elke Kimmel: West-Berlin. Biografie einer Halbstadt. Ch. Berlin 2018, ISBN 978-3-96289-014-8, S. 91.