Eduard Taaffe
Eduard Franz Joseph Graf Taaffe (* 24. Februar 1833 in Wien; † 29. November 1895 in Ellischau, Böhmen) war ein österreichischer Staatsmann, konservativer Sozialreformer, Ministerpräsident Cisleithaniens, mehrfach Minister sowie Landespräsident in Salzburg, Statthalter in Österreich ob der Enns und später Statthalter in Tirol. Seine Familie war uradeliger irischer Herkunft und er hatte in der Peerage of Ireland die Titel eines Viscount Taaffe und Baron Ballymote inne.
Leben
Eduard Franz Joseph Graf Taaffe (seit 1873, nach dem Tod seines älteren Bruders Karl, auch 11. Viscount Taaffe) war ein Jugendfreund von Kaiser Franz Joseph I. Taaffe studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Auf Grund der Vertrauensposition beim Kaiser wurde er mit 28 Jahren, 1861, Statthaltereirat und Leiter der Kreisbehörde in Prag, 1863 Landespräsident (Landeschef) im Kronland Salzburg und war im Jänner / Februar 1867 Statthalter (Landeschef) im Kronland Österreich ob der Enns.
In der Amtszeit von Ministerpräsident Friedrich Ferdinand von Beust, der zu dieser Zeit den österreichisch-ungarischen Ausgleich verhandelte und abschloss, berief ihn der Kaiser im Februar 1867 zum Leiter des Verwaltungsministeriums und ernannte ihn im März zum Minister des Inneren.
Anschließend wurde er zum Jahresende 1867 zum Stellvertreter des Ministerpräsidenten Fürst Karl von Auersperg ernannt und zugleich mit den Agenden für Landesverteidigung und öffentliche Sicherheit betraut. Nach dem Ausscheiden Auerspergs ernannte ihn der Kaiser am 24. September 1868 zum k.k. Ministerpräsidenten und Landesverteidigungsminister.
Da er im so genannten Bürgerministerium mit seiner Absicht, den Forderungen der nichtdeutschen Nationalitäten besser zu entsprechen, in der Minderheit blieb, suchte er um Enthebung an, die ihm der Kaiser am 15. Jänner 1870 erteilte. Am 12. April 1870 ernannte der Kaiser ihn im an diesem Tag ernannten Ministerium Potocki zum Minister des Innern und übertrug ihm die Leitung des Ministeriums für Landesverteidigung.[1] Das Ministerium Potocki wurde im Februar 1871 enthoben.
Von Mai 1871 bis Juni 1879 war Taaffe dann k.k. Statthalter (Landeschef) im Kronland Tirol. In dieser Zeit wurde er im April 1878 vom Kaiser mit dem höchsten Ehrenzeichen der Monarchie, dem Orden vom Goldenen Vlies, ausgezeichnet. Am 12. August 1879 wurde er vom Kaiser erneut zum k.k. Ministerpräsidenten ernannt und amtierte bis zum 11. November 1893.
1862 heiratete er die ungarische Adelige Irma Csáky de Körösszegy et Adorján, mit der er vier Töchter und den Sohn Heinrich Taaffe bekam. Seine Tochter Marie Amalie heiratete 1889 Max von Coudenhove.
Wirken
Die Berufung des konservativen Monarchisten Eduard Taaffe brachte einen grundlegenden Wandel der Politik. Er bedeutete das Ende der politischen Vormacht der Liberalen, der Regierung durch Advokaten und Unternehmer.
1882 setzte der Reichsrat auf seinen Vorschlag die Zensusgrenze (Mindeststeuerleistung) für die Wahlbeteiligung von zehn auf fünf Gulden herab, wodurch der gewerbliche Mittelstand das Wahlrecht erhielt (so genannte Fünf-Gulden-Männer). Dadurch wurde seine parlamentarische Basis gestärkt.
In der Wirtschaftspolitik trat an Stelle der Dominanz von Markt und Wettbewerb der Protektionismus. So verstärkte die Regierung Taaffe den Zollschutz für die österreichische Industrie. Sie ging vom Prinzip der Gewerbefreiheit ab und führte Befähigungsnachweise für handwerksmäßige Gewerbe ein.
In der Sozialpolitik wurde 1883 ein Gewerbeinspektionsgesetz geschaffen, wonach die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen zu kontrollieren waren. Durch die Gewerberechtsnovelle 1885 wurde die Fabrikarbeit für Jugendliche unter 14 Jahren verboten, solche bis zu 16 Jahren durften nicht zu schweren Arbeiten herangezogen werden. Für diese wie für Frauen war Nachtarbeit verboten. Der Maximalarbeitstag wurde mit elf Stunden fixiert. Das Trucksystem – also die Entlohnung mit Waren – wurde untersagt, technisch-sanitäre Anlagen wurden vorgeschrieben, Lohnschutzbestimmungen sowie Fürsorgemaßnahmen für Wöchnerinnen wurden erlassen.
1887 wurde ein Unfallversicherungsgesetz beschlossen, das 1889 in Kraft trat. 1888 folgte das Krankenversicherungsgesetz. Damit nahm Österreich in der Arbeiterschutzgesetzgebung in Europa eine Vorreiterrolle ein. Alle diese Reformen wurden federführend von Emil Steinbach als führendem Mitarbeiter und später auch Finanzminister unter Taaffe geplant und durchgeführt.
Den weltanschaulichen Hintergrund für Taaffes Politik bildete die christliche Soziallehre, wie sie vor allem von Karl von Vogelsang artikuliert wurde. Dieser lehnte reine Einkommensmaximierung ab und stellte Solidarität sowie gesellschaftliche Verantwortung in den Mittelpunkt seiner Überlegungen.
Die Pressefreiheit wurde unter Taaffe massiv eingeschränkt. Er baute ein polizeistaatliches Überwachungssystem auf. Bereits als Minister des Inneren war Graf Taaffe relativ früh mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung konfrontiert. Der Delegation mit der ersten Petition der Arbeiterbewegung, die ihn nach den Massendemonstrationen von Dezember 1869 traf, antwortete er: „was Sie hier beginnen ist eine Revolution“. Er ließ daraufhin die Unterzeichner wegen Verstoß gegen das damalige Vereinsgesetz verhaften. Im März 1870 startete er eine Repressionswelle, wobei fast alle Organisationen und Presseorgane der Arbeiterbewegung verboten wurden und stellte 14 ihrer Anführer, darunter Heinrich Oberwinder, Andreas Scheu und Johann Most wegen „Hochverrat“ vors Gericht. Dies stieß auf heftige Reaktionen in breiten, auch bürgerlichen Kreisen und löste tagelange Straßenproteste aus gegen Repression und Gesinnungsjustiz, wonach sich die Regierung zur Mäßigung gezwungen sah. Als Ministerpräsident verhängte er einen Ausnahmezustand, der zwischen 1884 und 1891 andauerte. Er brachte im Jänner 1885 das repressive Sozialistengesetz im Parlament ein.
Durch eine Sprachenverordnung von 1880, die den (zusätzlichen) Gebrauch der tschechischen Amtssprache auch in den mehrheitlich deutschen Gebieten Böhmens vorsah, erleichterte es Taaffe den Tschechen, Beamtenstellen zu erreichen. Seine Ausgleichsverhandlungen mit den Tschechen im Jänner 1890 in Wien scheiterten aber am Widerstand der nationalistischen Partei der Jungtschechen.
Im Oktober 1893 legte er, der Obstruktionspolitik der eingesessenen Parlamentsparteien überdrüssig, den Entwurf einer Wahlrechtsänderung für die Wahl zum Reichsrat vor, die die Einführung des allgemeinen, aber nicht gleichen (Männer-)Wahlrechtes bedeutet hätte. Das Scheitern der Vorlage nahm Kaiser Franz Joseph I. zum Anlass, Taaffe als Ministerpräsidenten zu entheben. Sein Nachfolger Kasimir Felix Badeni erweiterte im Jahr 1897 die von Taaffe begonnene Entschärfung der Sprachgegensätze in Cisleithanien durch die Badenische Sprachenverordnung, die ebenfalls schwere Konflikte auslöste, da die Deutschen Cisleithaniens nicht auf ihre Vorrechte verzichten wollten.
In Taaffes Amtszeit als Ministerpräsident fiel im Jahr 1889 der Selbstmord von Kronprinz Rudolf. Im Zuge der folgenden Untersuchungen übergab ihm der Kaiser geheime Dokumente bezüglich dieses Vorgangs (Mayerling-Papers). Diese sollte der Ministerpräsident nicht in das Staatsarchiv überführen, sondern auf Wunsch des Kaisers privat unter Verschluss halten. Der Verbleib dieser Akten ist bis heute ungeklärt.
Literatur
- Hans-Peter Hye, William D. Godsey: Taaffe, Eduard Graf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 749 (Digitalisat).
- H. P. Hye: Taaffe Eduard Franz Joseph Gf.. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 14, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2015, ISBN 978-3-7001-7794-4, S. 181 f. (Direktlinks auf S. 181, S. 182).
- Georg Beck: Die Persönlichkeit des Grafen Eduard Taaffe. Ungedruckte Dissertation Wien 1948.
- Ulrich E. Zellenberg: Ein Konservativer über den Parteien – der „Kaiserminister“ Eduard Graf Taaffe. In: Ulrich E. Zellenberg (Hrsg.): Konservative Profile. Ideen und Praxis in der Politik zwischen FM Radetzky, Karl Kraus und Alois Mock. Leopold Stocker Verlag, Graz 2003, ISBN 3-7020-1007-6, S. 225–243.
- Alfred Fischel: Taaffe, Eduard Graf. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 55, Duncker & Humblot, Leipzig 1910, S. 234–255.
- Eintrag zu Eduard Taaffe im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Julius Braunthal: Victor und Friedrich Adler – Zwei Generationen der Arbeiterbewegung, Verlag der Wiener Buchhandlungen, 1965, S. 41–58
Weblinks
- Biografie zu Eduard Taaffe auf dem Server des Bundeslandes Oberösterreich.
- Literatur von und über Eduard Taaffe im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Edward Francis Joseph Taaffe, 11th Viscount Taaffe of Corren auf thepeerage.com
- Bilder aus der Gruft der Grafen Taaffe bei mayerling.info
- Familienarchiv Taaffe im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien
- Repression und Arbeiter/innen/bewegung in Österreich
Einzelnachweise
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Franz von Spiegelfeld | Statthalter (Landeschef) des Kronlandes Herzogtum Salzburg 1863–1867 | Karl Coronini-Cronberg |
Franz von Spiegelfeld | Statthalter (Landeschef) des Kronlandes Erzherzogtum Österreich ob der Enns 1867 | Ignaz von Schurda |
Friedrich Ferdinand von Beust | k.k. Minister des Innern für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder 1867 | Carl Giskra |
keiner; Johann von Wagner | k.k. Minister für Landesverteidigung 1867–1870; 1870 / 1871 | Ignaz von Plener; Julius von Horst |
Karl Fürst Auersperg | k.k. Ministerpräsident für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder 1869–1870 | Ignaz von Plener |
Carl Giskra | k.k. Minister des Innern (2.) 1870–1871 | Karl Sigmund von Hohenwart |
Johann von Vorhauser | Statthalter (Landeschef) von Tirol und Vorarlberg 1871–1879 | Johann von Vorhauser (2.) |
Karl Ritter von Stremayr | k.k. Ministerpräsident (2.) 1879–1893 | Alfred Fürst Windisch-Grätz |