ESA Vigil
ESA Vigil, kurz Vigil, ist ein Projekt der ESA für eine Raumfahrtmission im Rahmen ihrer Sparte „Space Safety“ (Raumsicherheit). Vigil ist neben Hera und Clearspace-1 eine der drei zentralen, in Vorbereitung befindlichen ESA-Missionen zur Förderung der Weltraumsicherheit. Vigil soll zur kontinuierlichen Sonnenbeobachtung und frühzeitigen Erfassung von koronalen Massenauswürfen, Flares und anderen potenziell für die Erde oder die Raumfahrt gefährliche Sonnenaktivitäten dienen. Zusätzlich soll das Raumfahrzeug auch Daten für die wissenschaftliche Untersuchung der Sonnenaktivität liefern.[1] Die Finanzierung geschieht über Mittel zur Verbesserung der Weltraumsicherheit und nicht aus den Budgets für Wissenschaftsmissionen.[2] Ein Start der Mission wird für das Jahr 2027 angestrebt.[3]
Das Projekt hatte den vorläufigen Namen Lagrange entsprechend dem vorgesehenen Einsatzort; der jetzige Name Vigil (von lateinisch vigilia „Nachtwache“) ist das Ergebnis eines Namenswettbewerbs und spielt auf die Funktion der Mission als Wächter an.[4]
Das Space Weather Service Network der ESA im belgischen Ukkel wertet die Informationen von verschiedenen Satelliten und Weltraumobservatorien aus und gibt ständig aktuelle Informationen über das Weltraumwetter heraus.[5] Die Daten von Vigil sollen frühere spezifische Weltraumwetterwarnungen ermöglichen. Damit könnten verwundbare Systeme wie Satelliten, Stromnetze und Kommunikationssysteme vorbereitet und vor schädlichen Auswirkungen geschützt werden.[6]
Im Gegensatz zu den bisherigen wissenschaftlichen Missionen zur Beobachtung des Sonnenwinds und der Sonnenaktivität, die ihre Daten sammeln und in regelmäßigen Abständen zur Erde senden, würde Vigil wie ein Wettersatellit in ständigem Kontakt zu einer Bodenstation stehen und permanent aktualisierte Daten zur Auswertung liefern.
Stationierung an Lagrangepunkt L5
Vigil würde in einer Sonnenumlaufbahn in ungefähr 150 Millionen km Entfernung zur Sonne und zur Erde am Lagrangepunkt L5 stationiert werden. Es wäre die erste und bisher einzige Mission am L5 Punkt. Die Bahnen um L5 sind stabil, sodass der Betrieb dauerhaft nur sehr wenig Treibstoff erfordert. Die Sonneneinstrahlung an L5 entspricht der Sonneneinstrahlung bei der Erde, somit können dort die üblichen Solarzellen zur Energieversorgung eingesetzt werden. Ein Nachteil ist aber die Entfernung von 1 AE, also rund 150 Millionen km zur Erde, was die permanente Verwendung von Deep-Space-Stationen erfordert. Ein Radiosignal von L5 zur Erde hat eine Laufzeit von ca. 10 Minuten.
Die Sonne dreht sich mit einer siderischen Rotationsperiode von 25,38 Tagen. Von L5 aus könnte Vigil einen Bereich der Sonnenoberfläche sehen, noch bevor er sich in den Sichtbereich von der Erde und Lagrangepunkt L1 dreht. Die Beobachtungen der Sonde sollen permanent ausgewertet werden. Umfang, Geschwindigkeit und Richtung von koronalen Massenauswürfen können bestimmt werden. Damit könnte eine frühere Warnung vor schädlichem Weltraumwetter erfolgen, mehrere Stunden bevor das Ereignis von der Erde oder von Lagrangepunkt L1 aus zu beobachten ist. Auch Partikel und Plasma aus einem solchen Ereignis könnten an L5 früher erfasst werden.[6]
Frühe Studien der Mission enthielten eine zweite ESA-Sonde mit ähnlichen Instrumenten, die am Lagrangepunkt L1 stationiert werden und dort das Sonnenobservatorium SOHO ersetzen sollte, das voraussichtlich circa 2025 durch Treibstoffmangel außer Betrieb gehen wird.[7] Stattdessen unterstützt die ESA nun das indische Sonnenobservatorium Aditya-L1 an L1, das sieben verschiedene Instrumente hat und im September 2023 startete.[8][9] Diese Sonde mit einer geplanten Lebensdauer von mindestens fünf Jahren soll wie Vigil permanent Daten zur Bodenstation liefern. Durch die Beobachtung von zwei Standpunkten aus könnten Ort, Richtung und Geschwindigkeit der Massenauswürfe genauer bestimmt werden. Gemäß einem Abkommen mit der indischen Raumfahrtbehörde ISRO unterstützt die ESA diese Mission mit ihrem ESTRACK-Antennennetzwerk und hält rund um die Uhr den Kontakt zu Aditya-L1.
Ein Standpunkt an L5 erlaubt weiterhin die nahezu lückenlose Untersuchung des Bereichs innerhalb der Erdumlaufbahn zwischen Sonne und Erde auf Asteroiden. Dieses würde aber ein zusätzliches Teleskop als Nutzlast erfordern, das bisher für die Mission nicht vorgeschlagen ist. Davon würden zusätzliche Daten anfallen, die übertragen werden müssen. Von der Erde, L1 und L2 aus, wo sich bereits diverse Weltraumobservatorien aufhalten, befinden sich diese Asteroiden vom Apohele-Typ und verschiedene Erdbahnkreuzer die meiste Zeit in Richtung Sonne und können nur schlecht oder gar nicht beobachtet werden.[7]
Raumfahrzeug
Die genaue technische Auslegung des Raumfahrzeugs steht noch nicht fest. Es stehen vier Konzepte zur Auswahl, von denen frühestens im Herbst 2022 eines ausgewählt werden sollte.[10]
Vigil selbst soll auf stabilen Langzeitbetrieb ausgelegt werden, womöglich für mehrere Jahrzehnte, und soll darum besonders robust konstruiert werden. Die Versorgungseinheit soll mehrere redundante Systeme haben, die auch bei Ausfällen von Komponenten einen sicheren Weiterbetrieb und Datenerfassung auch bei extremen Sonnenstürmen ermöglichen.[7]
Nutzlasten
Für die Aufgaben soll Vigil ähnliche Instrumente erhalten, wie sie bereits von SOHO, STEREO, Parker Solar Probe und Solar Orbiter eingesetzt werden. Dazu gehören Instrumente zur permanenten Beobachtung der Sonnenoberfläche, der Sonnenkorona und der Sonnenumgebung, aber auch Instrumente zur Messung der Strahlen, Partikel, Plasma und Magnetfelder, die auf das Raumfahrzeug treffen. Eine komplette Neuentwicklung von Instrumenten ist nicht notwendig, möglicherweise muss man aber Instrumente an die Beobachtungsdistanz anpassen. Primär dient die Mission zur Erfassung des Weltraumwetters und zur Verbesserung der Sicherheit und zum Schutz gegenüber Auswirkungen des Sonnenwinds und nicht der Wissenschaft. Diese Daten eignen sich aber auch zur langfristigen wissenschaftlichen Forschung und Auswertung und könnten dabei helfen, die Ursachen und Faktoren für solche Ereignisse besser zu verstehen und die Prognosen zu verbessern.[7]
Eines der vorgesehenen Instrumente ist der Photospheric Magnetic field Imager (PMI) vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Das Instrument nimmt ca. 380 Einzelbilder mit einer Kadenz von bis zu 1 bis 2 Minuten auf und komprimiert anschließend die Daten. Das Instrument liefert Daten über Kontinuumsintensität, Magnetfeldstärke, Neigung und Azimut des Magnetfelds und Sichtliniengeschwindigkeit.[11]
Einzelnachweise
- ESA’s Vigil space weather mission balances operational and scientific demands. Spacenews, 30. Januar 2024.
- Space Safety Programme at Ministerial Council. Abgerufen am 25. November 2022 (englisch).
- Measuring the solar wind with Vigil: solar-terrestrial relations and space-weather forecasting
- Wir stellen vor: ESA Vigil, der treue Wächter der Erde. ESA, abgerufen am 20. April 2022.
- Current Space Weather – Space Weather. ESA Space Weather Service Network, abgerufen am 11. April 2022.
- ESA Vigil overview. ESA, abgerufen am 8. April 2022 (englisch).
- S. Kraft, J. P. Luntama, K. G. Puschmann (ESOC/ESA): Remote sensing optical instrumentation for enhanced space weather monitoring from the L1 and L5 Lagrange points. In: International Conference on Space Optics — ICSO 2016. SPIE, Biarritz, France 2017, ISBN 978-1-5106-1613-4, S. 81, doi:10.1117/12.2296100 (spiedigitallibrary.org [abgerufen am 8. April 2022]).
- Wie unterstützt die ESA die Sonnenmission Aditya-L1? 31. August 2023, abgerufen am 8. Dezember 2023.
- ISRO: ADITYA-L1. Abgerufen am 8. Dezember 2023 (englisch).
- The "no name" space weather mission. ESA-Pressemeldung vom 17. Mai 2021.
- PMI (Vigil). Abgerufen am 30. Januar 2024.