Europäischer Auswärtiger Dienst

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD; englisch European External Action Service, EEAS) ist eine Institution zur Unterstützung des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik,[1] dem er unterstellt ist. Die genaue Organisation regelt ein Beschluss des Rates der EU vom 26. Juli 2010.[2] Personell setzt sich der Dienst zusammen aus mindestens 60 Prozent EU-Beamten und -Bediensteten (nach der Gründung 2010 zunächst ehemalige Beamte und Bedienstete der Europäischen Kommission und des Ratssekretariats) sowie aus mindestens einem Drittel Bediensteten auf Zeit, die von den nationalen diplomatischen Diensten der Mitgliedsstaaten abgeordnet werden.

Das Logo des Europäischen Auswärtigen Dienstes

Die Zentrale des EAD befindet sich in Brüssel, zudem hat er 142 Delegationen in Drittländern und bei internationalen Organisationen.[3] In der Zentrale gibt es fünf regionale Ressorts (Asien, Afrika, Russland/östliche Nachbarschaft/Westlicher Balkan, Naher Osten/südliche Nachbarschaft, Amerika) sowie ein Ressort für globale und multilaterale Angelegenheiten. Außerdem umfasst sie die Strukturen für Krisenmanagement sowie das Politische und Sicherheitspolitische Komitee und eine Generaldirektion für Verwaltungsfragen.

Derzeit umfasst der EAD 3645 Mitarbeiter, 1611 davon arbeiten in der Zentrale, 2034 in den Delegationen. Dazu kommen circa 4000 Angestellte in den Missionen der EU für ziviles und militärisches Krisenmanagement.

Hauptsitz des EAD ist das sogenannte Triangle Building am Schuman-Kreisel im Zentrum des Brüsseler Europaviertels. Einige hundert Angestellte haben ihre Büros im Kortenberg-Gebäude und in der Ecole Royale Militaire.[4]

Aufgrund der Propaganda in der Russischen Föderation gründete der EAD im Jahr 2015 die East StratCom Task Force, um vorrangig Fälle von in Russland propagierten Unwahrheiten über die EU und ihre Mitgliedstaaten zu zählen und diese zur Schau zu stellen.

Position im politischen System der EU

Der EAD nimmt als Konstrukt sui generis eine Sonderstellung im politischen System der EU ein. Er ist direkt dem Hohen Vertreter unterstellt, der zugleich Vizepräsident der Europäischen Kommission, Vorsitzender des Rates für Auswärtige Angelegenheiten und Außenbeauftragter des Europäischen Rates ist. Die Kompetenzen für Europäische Nachbarschaftspolitik, Erweiterung und Entwicklungshilfe liegen weiterhin bei der Kommission, der EAD umfasst also nicht alle außenpolitisch relevanten Politikbereiche der EU. Auch das Europäische Parlament besitzt gewisse Kontroll- und Informationsrechte und kann zudem über sein Budgetrecht Einfluss auf den EAD nehmen. Der EAD muss daher supranationale sowie intergouvernementale Instrumente in Einklang bringen, um die Kohärenz des außenpolitischen Handelns der EU zu wahren.

Der EAD ist weder eine Agentur der Europäischen Union noch ein eigenständiges EU-Organ, seine Mitarbeiter werden jedoch im Rahmen des Personalstatuts als EU-Beamte behandelt. Im Sinne des Finanzstatuts ist der EAD einem Organ der EU gleichgestellt: Er hat einen eigenen Haushaltsplan, den zehnten Einzelplan des EU-Haushalts. Dieser umfasste für 2015 ein Budget von 602 Millionen Euro.

Struktur und Organisation

Historie

In die Amtszeit der ersten Hohen Vertreterin Catherine Ashton fiel zunächst der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes.

Die ehemalige Hohe Vertreterin Catherine Ashton legte einen Vorschlag zur Struktur des EAD vor, über den im April 2010 vom Rat für Allgemeine Angelegenheiten eine Einigung erzielt wurde. Der Brok-Bericht zu diesem Vorschlag wurde mit großer Mehrheit am 8. Juli 2010 vom Europäischen Parlament angenommen.[5]

Am 15. September 2010 gab die ehemalige Hohe Vertreterin die Namen der ersten 28 EU-Botschafter bekannt, wobei der deutsche Diplomat Markus Ederer zur Leitung der EU-Delegation in Peking ausgewählt wurde.[6]

In den historisch ersten Leitungsstab der EAD-Verwaltung berief Ashton am 25. Oktober den Franzosen Pierre Vimont als Geschäftsführenden Generalsekretär und den Iren David O’Sullivan als Verwaltungschef. Als Stellvertretende Generalsekretäre ernannte Ashton am 29. Oktober die Deutsche Helga Schmid und den Polen Maciej Popowski.[7]

Nach der Europawahl 2019 wurde Josep Borrell Anfang Juli 2019 vom Europäischen Rat für die Position des EU-Außenbeauftragten nominiert.[8] Im Oktober 2019 wurde seine Ernennung durch die Fraktionsvorsitzenden des Europäischen Parlaments bestätigt. Er trat das Amt am 1. Dezember 2019 an.

Im Dezember 2020 ernannte der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Stefano Sannino zum Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienst.

Derzeitiger Hoher Vertreter: Josep Borrell
Derzeitiger Generalsekretär Stefano Sannino
Derzeitiger Generalsekretär Stefano Sannino

Aktuelle Besetzung

  • Generalsekretär: Stefano Sannino[9]
  • Stellvertretender Generalsekretär für politische Angelegenheiten (Politischer Direktor): Enrique Mora
  • Stellvertretende Generalsekretärin für wirtschaftliche und globale Fragen: Helena König
  • Stellvertretender Generalsekretär für die GSVP und Krisenreaktion: Charles Fries[10]

Exekutivdirektoren

  • Exekutivdirektorin für Asien und den Pazifik: Paola Pampaloni (geschäftsführend)
  • Exekutivdirektorin für Europa: Angelina Eichhorst
  • Exekutivdirektor für Osteuropa und Zentralasien: Michael Siebert
  • Exekutivdirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika: Hélène Le Gal

Weitere hochrangige Führungskräfte

  • Exekutivdirektor EU-Militärstab (EUMS): Michiel van der Laan
  • INTCEN (EU-Lagezentrum): Alexander Lassalle, Leiter der Abteilung Nachrichtendienstliche Analyse und Berichterstattung, und Dario Malnar, Referatsleiter des Referats Unterstützung und offene Informationsgewinnung

Geschichte

Gründe für die Einrichtung des EAD

Das politische System der Europäischen Union war seit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 von dem sogenannten „Drei-Säulen-Modell“ gekennzeichnet. Dabei bildet die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) eine der beiden intergouvernementalen Säulen, bei denen Entscheidungen von den Regierungen der Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union einstimmig getroffen werden mussten, die Europäische Kommission lediglich eine untergeordnete Rolle besaß und die Außenvertretung dem Hohen Vertreter für die GASP (längster Amtsinhaber Javier Solana) oblag.

  • Europäische Union
  • Länder mit EU-Delegationen
  • In Angelegenheiten, für die die Europäischen Gemeinschaften zuständig waren (z. B. Außenhandelspolitik, Nachbarschaftspolitik oder Entwicklungshilfe), war für die Außenvertretung die Europäische Kommission zuständig. Diese errichtete sogenannte EU-Delegationen im Ausland, die dem Außenkommissar unterstanden, aber personell und finanziell meist schlechter ausgestattet waren als die Botschaften der Nationalstaaten. Dies bewirkte, dass die Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vor allem den diplomatischen Diensten der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen blieb, die ihrerseits aber im Zweifel den Vorgaben ihrer nationalen Regierungen folgten – nicht den gemeinschaftlich beschlossenen Maßnahmen der GASP. Diese Fragmentierung der Kompetenzen brachte es mit sich, dass die EU als diplomatischer Akteur in den internationalen Beziehungen im Vergleich etwa mit ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in der Welt unterrepräsentiert war.

    Dieses Kohärenzproblem sollte mit dem Vertrag von Lissabon von 2007 schrittweise gelöst werden, in dem der Posten eines Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik (derzeit Josep Borrell) geschaffen wurde, dem der Europäische Auswärtige Dienst untersteht. Dieser baute bei der Gründung auf den existierenden EU-Delegationen auf, wurde aber mit weiterem Personal aus den nationalen diplomatischen Diensten ergänzt.

    Ziel der Einrichtung des EAD war also eine Erhöhung der Kohärenz der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik: So sollte er dazu beitragen, dass die Positionen der Mitgliedstaaten besser abgestimmt, koordiniert und einheitlich kommuniziert werden. Außerdem sollte er dem Hohen Vertreter eine effizientere Implementierung außen- und sicherheitspolitischer Maßnahmen ermöglichen, da dieser mit dem EAD verstärkt auf eigene Beamte zurückgreifen kann und die Umsetzung beschlossener Maßnahmen nicht mehr den diplomatischen Diensten der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen muss.

    Konflikt über die Organisationsstruktur des EAD

    Wie die Organisationsstruktur und personelle Zusammensetzung dieses Dienstes genau aussehen sollte, stand lange nicht endgültig fest; vorgesehen waren 1100 Kommissionsbeamte und 700 Beamte nationaler Außenministerien.[11] Einen ersten Entwurf stellte Ashton Ende März 2010,[12] eine überarbeitete Version Ende April 2010 vor.[13] Allerdings kam es darüber zu Uneinigkeiten zwischen dem Rat der EU, der eine stärkere Einbindung der nationalen diplomatischen Dienste in den EAD forderte, und dem Europäischen Parlament, das sich umgekehrt für mehr Unabhängigkeit und eine stärker supranationale Rolle des EAD aussprach.[11] Die Entscheidungsmacht in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik liegt formal zwar nur beim Rat der EU, das Parlament muss aber das Budget des EAD bewilligen und hat dadurch Einfluss auf dessen Organisation.

    Einen konkreten Konsens über Organisation und Arbeitsweise des EAD fanden Europäisches Parlament, Europäischer Rat und Kommission am 21. Juni 2010. Nach der Sommerpause wurde im Europäischen Parlament der Entschluss über die nötigen Änderungen im Personal- und Finanzstatut der Europäischen Union gefasst. Gemeinsam mit den Änderungen des Haushaltsplans wurde dieser am 20. Oktober 2010 angenommen und verabschiedet. Am 1. Dezember 2010 nahm der Auswärtige Dienst der EU seine Arbeit auf. Zum 1. Januar 2011 fand der erste Personaltransfer von der Europäischen Kommission vom Sekretariat des Rates der EU zum EAD statt.

    Kritik

    Von Anbeginn an wurde Kritik an der Schaffung des Europäischen Auswärtigen Diensts, der neben den nationalen Auswärtigen Diensten der Mitgliedstaaten aufgebaut wurde und arbeitet, laut. Er sei falsch geführt, zu bürokratisch organisiert, Spielball unterschiedlicher Interessen und überflüssig.

    In Ermangelung gemeinsamer Positionen auf dem Feld der Außenpolitik und internationalen Beziehungen könne ein europäischer Dienst schlichtweg keine Effektivität entfalten. Auch sei eine solche, wenn es sie denn gäbe, redundant und erbringe keinen Mehrwert.[14]

    Siehe auch

    Literatur

    Einzelnachweise

    1. Art. 27 Abs. 3 EU-Vertrag in der Fassung des Vertrags von Lissabon
    2. Beschluss des Rates vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2010/427/EU) (PDF)
    3. High Representative/Vice-President Federica Mogherini visited Ashgabat to sign the Establishment Agreement of an EU Delegation to Turkmenistan. Abgerufen am 8. Oktober 2019 (englisch).
    4. EU foreign service moves into new home (englisch). EUobserver, abgerufen am 27. Februar 2012.
    5. About the European External Action Service (EEAS). Abgerufen am 29. November 2019 (englisch).
    6. Vor dem Gipfeltreffen in Brüssel: Die EU auf Sinnsuche. In: tagesschau.de. 16. September 2010, abgerufen am 30. Dezember 2010.
    7. Neue stellvertretende Generalsekretäre im EAD in Netzwerk EBD Newsletter 06/10 (Memento vom 10. November 2010 im Internet Archive)
    8. EU-Gipfel nominiert von der Leyen als Kommissionschefin. In: Die Welt. Die Welt, 2. Juli 2019, abgerufen am 15. Januar 2022.
    9. eeas.europa.eu
    10. Organigramm des EAD (Stand Oktober 2023). Abgerufen am 12. Oktober 2023.
    11. EP nimmt Ashton zu EAD in den Schwitzkasten. In: EurActiv. 11. Juni 2010, archiviert vom Original am 13. Juni 2010; abgerufen am 30. Dezember 2010.
    12. Ashton bereitet vagen EAD-Vorschlag vor. In: EurActiv. 24. März 2010, archiviert vom Original am 18. Dezember 2010; abgerufen am 30. Dezember 2010.
    13. Ashton präsentiert neues Design für EU-Diplomatendienst. In: EurActiv. 23. April 2010, archiviert vom Original am 1. Mai 2010; abgerufen am 30. Dezember 2010.
    14. Josef Janning: Europäischer Auswärtiger Dienst. In: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (Hrsg.): Internationale Politik. Nr. 4. Berlin Juni 2014, S. 56 ff. (internationalepolitik.de).

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