Felsenblümchen

Die Felsenblümchen (Draba), wenige werden Hungerblümchen genannt, bilden eine Pflanzengattung in der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Die 350[1] bis 402[2] Arten sind in Eurasien, im nordwestlichen Afrika, von Nordamerika bis Mexiko und über die Anden bis Patagonien weitverbreitet;[3] die meisten Arten kommen auf der Nordhalbkugel vor. Die meisten Arten gedeihen in der subarktischen bis arktischen und/oder subalpinen bis alpinen Flora.[1][4]

Felsenblümchen

Immergrünes Felsenblümchen (Draba aizoides)

Systematik
Rosiden
Eurosiden II
Ordnung: Kreuzblütlerartige (Brassicales)
Familie: Kreuzblütler (Brassicaceae)
Tribus: Arabideae
Gattung: Felsenblümchen
Wissenschaftlicher Name
Draba
L.

Beschreibung

Illustration von A (links) Alpen-Felsenblümchen (Draba alpina) und B (rechts) Schnee-Felsenblümchen (Draba nivalis)
Illustration von A (links) Frühlings-Hungerblümchen (Draba verna) und B (rechts) Norweger Felsenblümchen (Draba norvegica)
Illustration aus Atlas der Alpenflora des Immergrünen Felsenblümchen (Draba aizoides)
Illustration des Eis-Felsenblümchen (Draba dubia) aus Atlas der Alpenflora
Illustration aus The fur seals and fur-seal islands of the North Pacific Ocean von Draba grandis

Erscheinungsbild, Indument und Laubblätter

Draba-Arten wachsen als selten ein-, zwei- bis mehrjährige oder meist ausdauernde krautige Pflanzen, manchmal verholzen die Stängel an ihrer Basis und selten sind es Halbsträucher. Die meist aufrechten bis aufsteigenden, selten liegenden bis niederliegenden Sprossachsen sind unverzweigt oder, meist im oberen Bereich, verzweigt.[3][1][5]

Die Pflanzenteile sind kahl bis sehr unterschiedlich behaart: die Trichome können gestielt sein, sie sind einfach oder beispielsweise gegabelt, kreuzförmig, sternförmig und oft sind mehrere dieser Trichomformen an einer Art vorhanden.[3][1][5]

Die Laubblätter stehen meist in grundständigen Rosetten und wechselständig am Stängel verteilt angeordnet, manchmal ist der Stängel unbeblättert. Die Grundblätter sind meist gestielt, selten sitzend und ihre einfachen Blattspreiten besitzen einen glatten oder gezähnten, selten gelappten Blattrand. Wenn Stängelblätter vorhanden sind, dann sind sie gestielt oder sitzend und ihre einfachen Blattspreiten mit meist keilförmiger oder selten geöhrter Spreitenbasis besitzen einen glatten oder gezähnten Blattrand.[3][1][5]

Blütenstände und Blüten

Draba-Arten besitzen meist schirmtraubige Blütenstände, deren Blütenstandsachsen sich bis zur Fruchtreife verlängern können und sich so zu traubigen Blüten-/Fruchtständen entwickeln. Manchmal sind Tragblätter vorhanden.[3][1] In den Blütenständen stehen einige bis viele Blüten zusammen.[5]

Die zwittrigen Blüten sind vierzählig. Die vier selten haltbaren, aufrechten bis aufsteigenden oder selten spreizenden Kelchblätter sind eiförmig oder länglich, selten elliptisch. Die Ränder der Kelchblätter sind meist häutig. Die vier meist gelben, weißen, selten rosa- bis purpurfarbenen oder orangefarbenen, selten roten Kronblätter sind verkehrt-eiförmig, spatelförmig, verkehrt-lanzettlich oder linealisch, selten kreisförmig oder länglich, sie sind undeutlich bis deutlich genagelt und das obere Ende ist stumpf, gerundet, eingekerbt oder selten tief-zweigeteilt. Die Kronblätter sind meist länger, selten kürzer als die Kelchblätter. Von den sechs Staubblättern sind vier länger und zwei kürzer. Die Staubfäden können an ihrer Basis verbreitert sein. Die Staubbeutel sind eiförmig oder länglich mit stumpfem oberen Ende. Die ein, zwei oder vier (da die mittleren fehlen können) Nektardrüsen stehen einzeln oder sind zusammenfließend. Der durch ein vollständiges, falsches Septum zweigeteilte Fruchtknoten enthält 4 bis 70 (selten bis zu 88) Samenanlagen. Der haltbare, zylindrische und bei einer Länge von 0,5 bis 17 Millimetern kaum bis deutlich erkennbare Griffel endet in einer kopfigen Narbe, die einfach ist oder etwas zweilappig.[3][1][5]

Früchte und Samen

Die dünnen Fruchtstiele sind aufrecht bis aufsteigend oder spreizend. Die kahlen Schoten oder meist Schötchen sind eiförmig, lanzettlich, elliptisch, länglich, linealisch, lanzettlich oder fast kreisförmig, flach oder manchmal spiralig gedreht. Die kahlen oder flaumig behaarten, papierartigen Fruchtklappen besitzen deutliche oder unscheinbare Mittel- und Seitennerven. Der Plazentar-Rahmen (Replum) ist gerundet. Das vollständig ausgebildete Septum ist häutig und durchscheinend. In der Frucht sind die Samen in zwei Reihen angeordnet.[3][1][5] Bei Reife öffnen sich die Früchte und entlassen die Samen.

Die länglichen, ei- oder kreisförmigen Samen sind meist abgeflacht, bei Draba aleutica sowie Draba verna nur schwach abgeflacht, und meist ungeflügelt, aber bei Draba asterophora, Draba brachycarpa, Draba carnosula, Draba pterosperma geflügelt. Die winzig netzartige Samenschale (Testa) ist nicht verschleimt im nassen Zustand. Die Keimblätter (Kotyledonen) sind zurückgebogen.[3][1][5]

Chromosomensätze

Die Chromosomengrundzahlen betragen x = 6 bis 12, am häufigsten 8.[3] Der Ploidiegrad innerhalb der Gattung ist sehr unterschiedlich von diploid bis octadecaploid. Am häufigsten sind die untersuchten Arten mit 23 % aneuploid und am zweithäufigsten mit gut 20 % tetraploid.[6]

Standorte und Gefährdung

Draba-Arten gedeihen überwiegend in alpinen oder borealen Gebieten, selten wachsen sie in gemäßigten und tiefgelegenen Gebieten der Nordhalbkugel.[3] Viele Felsenblümchen-Arten besiedeln offene, steinige Böden: Felsen, Felsspalten, Felsschutt oder lückige Trockenrasen.

Etwa 14 Draba-Arten sind in der Roten Liste der gefährdeten Arten der IUCN aufgelistet.[7] Nicht alle Staaten melden ihre Arten zur Liste der IUCN und es stehen viele weitere Draba-Arten in den Roten Listen der Heimat-Staaten. Beispielsweise sind in Japan neun weitere Arten gefährdet.[8][9]

Systematik und Verbreitung

Taxonomie

Die Gattung Draba wurde 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Band 2, S. 642–643[10] aufgestellt. Der Gattungsname Draba leitet sich vom griechischen Wort drabe ab und bedeutet "scharf", "bitter" oder "brennend". Als Lektotypusart wurde Draba incana L. durch Mary Letitia Green in Bulletin of Miscellaneous Information, 1925, S. 51 festgelegt.[11] Otto Eugen Schulz veröffentlichte 1927 eine Monographie der Gattung Draba: Cruciferae-Draba et Erophila. In: Heinrich Gustav Adolf Engler: Das Pflanzenreich: ..., Heft 89, IV, S. 105.

Synonyme für Draba L. sind: Aizodraba Fourr., Coelonema Maxim., Dolichostylis Turcz. non Cassini, Drabella Nábelek non (DC.) Fourr., Drabopsis C.Koch, Erophila DC., Holargidium Turczaninow ex Ledebour, Leptonema Hook. non A.Juss. nec Rabenh. nec J.Sm., Nesodraba Greene, Odontocyclus Turcz., Pseudobraya Korsh., Schivereckia Andrz. ex DC., Stenonema Hook., Thylacodraba (Nábelek) O.E.Schulz.[3][2]

Arten und ihre Verbreitung

Draba ist die artenreichste und taxonomisch schwierigste Gattung der Familie Brassicaceae. Es wurden über 950 Taxa und fast ein Viertel davon als infraspezifische Taxa veröffentlicht.[1] Einige Arten wurden von manchen Autoren früher zu den Hungerblümchen (Erophila) gestellt. Von den meisten Autoren, wie Al-Shehbaz, werden jedoch seit mindestens 2010 alle Erophila-Arten in die Gattung Draba gestellt. So wird beispielsweise das Frühlings-Hungerblümchen (Draba verna L.) in der Flora of North America 2010 und bei Ingrid Jordon-Thaden 2010[6] als akzeptiert gewertet.

Die 350 bis 402[2] Draba-Arten sind hauptsächlich auf der Nordhalbkugel in Eurasien und Nordamerika sowie in Nordafrika verbreitet. Sie gedeihen besonders in arktischen, subarktischen, alpinen und subalpinen Regionen. Nur wenige Arten gedeihen in den tieferen Höhenstufen der gemäßigten Gebiete der Nordhalbkugel.[5] Etwa 70 Arten kommen in Südamerika in den Anden von Kolumbien bis Patagonien vor. In Nordamerika gibt es etwa 121 Arten.[3] In China gibt es etwa 48 Arten, 16 davon nur dort.[1]

Äußere Systematik

Die Gattung Draba gehört zur Tribus Arabideae innerhalb der Familie Brassicaceae.[13][2]

Im 21. Jahrhundert wurden aufgrund molekulargenetischer Daten einige Änderung in der Tribus Arabideae erforderlich, das betrifft auch Arten, die in die Gattung Draba eingeordnet waren und es wurden einige artenarme Gattungen reaktiviert oder neu aufgestellt:[18][6][2]

Quellen

  • Ihsan A. Al-Shehbaz, Michael D. Windham, Reidar Elven: Draba, S. 269–346 - textgleich online wie gedrucktes Werk, In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico, Volume 7 – Magnoliophyta: Salicaceae to Brassicaceae, Oxford University Press, New York und Oxford 2010, ISBN 978-0-19-531822-7. (Abschnitte Beschreibung, Verbreitung und Systematik)
  • S. G. Aiken, M. J. Dallwitz, L. L. Consaul, C. L. McJannet, L. J. Gillespie, R. L. Boles, G. W. Argus, J. M. Gillett, P. J. Scott, R. Elven, M. C. LeBlanc, A. K. Brysting, H. Solstad: Flora of the Canadian Arctic Archipelago: Draba L. Online bei DELTA. (Abschnitt Beschreibung)

Einzelnachweise

  1. Tai-yien Cheo, Lianli Lu, Guang Yang, Ihsan A. Al-Shehbaz, Vladimir Dorofeev: Brassicaceae: Draba, S. 66–84 - textgleich online wie gedrucktes Werk, In: Wu Zheng-Yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Herausgeber): Flora of China, Volume 8 - Brassicaceae through Saxifragaceae, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2001, ISBN 0-915279-93-2.
  2. Datenbank: BrassiBase, Version 1.2, März 2017 der Universität Heidelberg.
  3. Ihsan A. Al-Shehbaz, Michael D. Windham, Reidar Elven: Draba, S. 269–346 - textgleich online wie gedrucktes Werk, In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico, Volume 7 - Magnoliophyta: Salicaceae to Brassicaceae, Oxford University Press, New York und Oxford 2010, ISBN 978-0-19-531822-7
  4. Ingrid Jordon-Thaden, Ihsan A. Al-Shehbaz, Marcus A. Koch: Species richness of the globally distributed, arctic–alpine genus Draba L. (Brassicaceae). In: Alpine Botany, Volume 123, Issue 2, Oktober 2013, S. 97–106. doi:10.1007/s00035-013-0120-9
  5. Draba bei Tropicos.org. In: Brassicaceae. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  6. Ingrid Jordon-Thaden: Species and Genetic Diversity of Draba: Phylogeny and Phylogeography. Dissertation an der Universität Heidelberg 2010 (Volltext-PDF.)
  7. Draba in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2017. Abgerufen am 8. August 2017.
  8. Rote Liste der in Japan gefährdeten Pflanzenarten.
  9. Draba in Suchmaske eingeben.
  10. Erstveröffentlichung eingescannt bei biodiversitylibrary.org.
  11. Draba bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 4. August 2017.
  12. Eintrag bei The Euro+Med Plantbase Project zuletzt eingesehen am 8. August 2017
  13. Draba im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland., zuletzt bearbeitet 2010.
  14. Jaakko Jalas, Juha Suominen: Atlas florae europaeae. Band 11 Cruciferae (Ricotia to Raphanus). S. 80–111, Helsinki 1996, ISBN 951-9108-11-4.
  15. Draba bei Tropicos.org. In: Catalogue of the Vascular Plants of Ecuador. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  16. Draba bei Tropicos.org. In: Bolivia Checklist. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  17. Draba bei Tropicos.org. In: Peru Checklist. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  18. Ihsan A. Al-Shehbaz, D. A. German, R. Karl, Ingrid Jordon-Thaden, Marcus A. Koch: Nomenclatural adjustments in the tribe Arabideae (Brassicaceae). In: Plant Diversity and Evolution, Volume 129, Issue 1, 2011, S. 71–76. ISSN 1869-6155 doi:10.1127/1869-6155/2011/0129-0044 Voll-Text PDF von ResearchGate.
  19. Ihsan A. Al-Shehbaz: A generic and tribal synopsis of Brassicaceae (Cruciferae). In: Taxon Volume 61, Issue 5, 2012, S. 931–954. JSTOR:41679341 ISSN 0040-0262

Weiterführende Literatur

  • Xaver Finkenzeller, Jürke Grau: Alpenblumen. Erkennen und bestimmen (= Steinbachs Naturführer). Mosaik, München 2002, ISBN 3-576-11482-3.
  • Wolfgang Adler, Karl Oswald, Raimund Fischer: Exkursionsflora von Österreich. Hrsg.: Manfred A. Fischer. Eugen Ulmer, Stuttgart/Wien 1994, ISBN 3-8001-3461-6.
  • Ingrid Jordon-Thaden, Irina Hase, Ihsan A. Al-Shehbaz, Marcus A. Koch: Molecular phylogeny and systematics of the genus Draba s. l. (Brassicaceae) and identification of its closest related genera. In: Molecular Phylogenetics and Evolution, Volume 55, Issue 2, 2010, S. 524–540. doi:10.1016/j.ympev.2010.02.012 online.
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