Dorflinde in Faistenau
Die Faistenauer Dorflinde, eine sogenannte Tausendjährige Linde, ist eine Sommerlinde (Tilia platyphyllos)[1] und das Wahrzeichen der Gemeinde Faistenau im Flachgau, Land Salzburg. Die Linde prägt den Dorfplatz und steht als Naturdenkmal unter Schutz.
Der hohle und daher begehbare Stamm der Linde hat einen Umfang von 9,10 Metern, die Linde selber eine Höhe von 20,5 Metern (Stand: 2008).
Pflanzung
Der jetzige Dorfplatz mit dem umliegenden Gelände wurde einst als in der Geswant bezeichnet, da es (Brand-)Rodungsgebiet gewesen war.[2] Die in dessen Mitte gepflanzte Linde diente offenbar als Tanzlinde, denn sie ist eine im Wachsen so geleitete Linde, dass ein kreisförmiges Podest angebracht werden konnte, um auf diesem in der Baumkrone im Ring zu tanzen. Die Tanzpodeste sind längst verschwunden, während die „verwachsene Linde“ immer noch auf der „Schwandtn“ steht, womit eine „Rodungsinsel“ gemeint war; damals ein gerodeter Berg im Auwald von Faistenau. Inmitten dieser „Gschwandt“ betrieb eine Familie neben der Linde einen Bauernhof und ein Gasthaus, den „Gasthof auf der Gschwandt“, später „Postwirt“ und zurzeit „Gasthof Alte Post“. Anscheinend wurde der Familienname der Betreiber dieses Wirtshauses durch den Flurnamen „Berg“ und vom „Ringtanz“ auf der Tanzlinde gebildet. Der Begriff „Tanz“ war damals nur im Adelsstand üblich, Bürgerliche nannten ihn „Reigen“. Allerdings waren in Faistenau immer wieder Adelige „auf der Gschwandt“ zugegen, nachweislich die Brüder Jakob, Hartneid, Hermann und Ulrich von Thurn, die 1324 die Kirche in der Faistenau stifteten mit dem Recht, jährlich eine Dult abzuhalten. Durch die Anwesenheit der Adeligen von Thurn bei der Dult zum „Tanz“ auf dem „Berg“, der sicher eine Bewirtschaftung durch die ansässigen Bauersleute erfuhr, hat sich vermutlich deren Familienname „Tanzberger“ eingebürgert.[3] Diese scheinen bis 1724 als Besitzer des „Gasthauses auf der Geschwandt“ auf. Dann heiratet die Witwe Maria Tanzberger (geb. Kerschbaumer, 1690–1762) Herrn Joseph Grill aus St. Gilgen und nimmt seinen Namen an.[4]
Ereignisse unter der Linde
- 1863
Ein hohler westlicher Ast der Linde wird nach wie vor „Predigtstuhl“ genannt und kann von innen durch den Baum erreicht werden. Bei der Jesuiten-Mission, die am Sonntag den 25. Oktober 1863 begann und bis zum 2. November 1863, Allerseelen, dauerte, wurden 19 der 26 Predigten von dieser „Kanzel“ aus gehalten. Im Salzburger Kirchenblatt ist zu lesen: […] „Ein Gegenstand allgemeiner Bewunderung war die große Linde auf dem Platze vor der Kirche – sie mißt 4½ Umgriff oder 27 Fuß –, an der die Kanzel angebracht war; mit sehr geringer Mühe wurde ein ganz bequemer Aufgang von 9 Stufen durch die sehr schön verwachsene Höhlung der Linde hergestellt, so daß der Prediger aus dem Innern des Baumes auf die Kanzel heraustrat. […].“[5]
- 1900
Der am 15. Juli 1900 zum Priester geweihte Karl Kronlachner (1877–1951) feierte seine Primiz unter der Faistenauer Dorflinde.[6]
- 2018
Am 5. Juni 2018 um 12:00 Uhr traf unter 15-minütigem Glockengeläut die neue Orgel von Orgelbaumeister Alois Linder auf dem Dorfplatz unter der Linde ein. Dabei wurde die Belegschaft des Orgelbauers von Pfarrer P. Clement, Bürgermeister Josef Wörndl und verschiedenen Faistenauern mit einem kleinen Festakt begrüßt.
Bedeutung
Ihre Bedeutung wird im Gemeindewappen sichtbar, das die Linde im Zentrum zeigt und von zwei Sparren, die dem Wappen der Herrn von Thurn entnommen wurden, überdacht wird. Zu bestimmten Anlässen finden Trachtengruppen, Gesangvereine und Festzüge vor ihr Aufstellung. Alle drei Jahre wird unter ihr der Jedermann aufgeführt, die nächste Staffel ist für den Sommer 2022 vorgesehen.[7] Die Linde ist eine der Sehenswürdigkeiten der Gemeinde.
Friedrich Pesendorfer hat ein Gedicht über die Linde verfasst, das 1912 im Linzer Volksblatt veröffentlicht wurde.[8]
Die Linde von Faistenau.
Ich bin des Dorfes Linde,
Die Linde von Faistenau,
Mein Stamm mit morscher Rinde
Ragt hoch in des Himmels Blau.
Viel hundert Jahre steh’ ich,
Ein uralter Lindenbaum,
Und die Geschlechter seh’ ich,
Sie kommen und geh’n wie im Traum.
Und kommt vorbei an der Linde
Ein Täufling ins Gotteshaus,
So sprech’ ich über dem Kinde
Auch meinen Segen aus.
Naht sich zur Hochzeitsfeier
Die Braut im Myrtenkranz,
So tanzt sie mit ihrem Freier
Um mich den Hochzeitstanz.
Dem zarten Menschenkindlein,
Dem Mann in Sturm und Streit,
Dem Greis im letzten Stündlein
Geb’ ich mein treu’ Geleit’.
Und senkt an der Friedhofsmauer
Ein Herz man zur letzten Ruh’,
So deck’ ich in stiller Trauer
Das Grab mit Blüten zu.
Auch schlagen wird meine Stunde,
Dann bricht mein morscher Bau,
Und die Sage bringt noch die Kunde
Von der Linde von Faistenau.
Literatur
- Roman Schmeißner / Walburga Tanzberger: Herkunft des Familiennamens Tanzberger (spekulativ). In: Erbhof Großbichl. Eigentümerchronik und Stammlinie der Familie Tanzberger. Eigenverlag, Faistenau 2021, S. 24 f.
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Sommer-Linde in Lindenplatz in Faistenau, Salzburg, Österreich. In: MonumentalTrees.com. 2016 .
- Urkunde: Salzburg, Domkapitel (831-1802) AUR 1324 V 01. In: Monasterium.net. ICARUS – International Centre for Archival Research
- Roman Schmeißner / Walburga Tanzberger: Herkunft des Familiennamens Tanzberger (spekulativ). In: Erbhof Großbichl. Eigentümerchronik und Stammlinie der Familie Tanzberger. Eigenverlag, Faistenau 2021, S. 24 f.
- Roman Schmeißner / Walburga Tanzberger: Stammlinie Tanzberger ab 1633. In: Erbhof Großbichl. Eigentümerchronik und Stammlinie der Familie Tanzberger. Eigenverlag, Faistenau 2021, S. 27–36, hier S. 29.
- Kirchliche Gegenwart. Herzogthum Salzburg. Faistenau. In: Salzburger Kirchenblatt, 5. November 1863, S. 371f. (online bei ANNO).
- Die Primizfeier unter einer 800jährigen Linde in Faistenau bei Salzburg. (Mit Illustration). In: Das interessante Blatt, 9. August 1900, S. 2. (online bei ANNO).
- Digitalisat
- Die Linde von Faistenau. In: Linzer Volksblatt, 21. Jänner 1912, S. 24. (online bei ANNO).