Dom zu Visby
Die Domkirche zu Visby (schwedisch Visby domkyrka), oder der Dom zu Visby, der auch unter dem ursprünglichen Namen Sankt-Maria-Kirche bekannt ist, ist die einzige verbliebene mittelalterliche Hauptkirche der alten Hansestadt Visby auf der schwedischen Insel Gotland. Sie ist seit 1572 Bischofskirche des Bistums Visby der Schwedischen Kirche.
Geschichte
Mit dem Bau der Marienkirche in Visby auf Gotland wurde im 12. Jahrhundert, zunächst als dreischiffige romanische Basilika mit einem Querschiff als östlichem Abschluss begonnen. Auch der Westturm stammt im unteren Bereich aus dieser Zeit.[1] Sie entstand als Hausteinbau aus dem auf der Insel heimischen Kalkstein. Der Kirchbau war ein Bau der Gotlandfahrer, der deutschen Seeleute und Kaufleute, die Visby im Mittelalter als Handelsmetropole der östlichen Ostsee und Bindeglied im Handel der Hansestädte an der südlichen Ostseeküste mit Russland und dem Baltikum aufsuchten, also eine reine Gästekirche, die erst später, so wie Deutsche sich in der Stadt dauerhaft ansiedelten, zur Gemeindekirche der deutschen Bevölkerung Visbys wurde. Das Geld für den Bau wurde zumeist auf den Koggen in der Gotlandfahrt gesammelt. 1225 wurde die Kirche der Jungfrau Maria geweiht. Die Kirche wurde mehrfach umgebaut und erweitert. Das Langhaus wurde vergrößert. Das Querschiff wurde verdoppelt und bildet zusammen mit dem östlich anschließenden romanischen Chor, der um zwei Seitenjoche erweitert wurde, einen Hallenchor. Dem Stirnseiten des östlichen Querhauses wurden zwei Osttürme angefügt. Die Hansekaufleute dachten praktisch und zogen in das Kirchenschiff ein weiteres Stockwerk als Lagerboden ein, so dass auch Handelswaren in der Kirche sicher verwahrt werden konnten, von außen kann man das heute noch an den Windenhaken erkennen, an denen die die Taljen eingehängt wurden, um die Waren auf die Lagerböden zu heben. Auch die gemeinsame Kasse des Hansekontors in Nowgorod, dem Peterhof, wurde nach den Bestimmungen der Nowgoroder Schra in St. Marien in Visby in den Zeiten verwahrt, in denen sich die Nowgorodfahrer nicht im Kontor aufhielten. Es handelt sich bei Sankt Maria aufgrund der Doppelnutzung um eine Faktoreikirche, wie sie auch am Peterhof von Nowgorod bestand.
Um 1300 folgte ein erneuter großer Um- und Anbau. Angebaut wurde eine große Kapelle auf der Südseite der Kirche. Das Langhaus wurde optisch von außen wieder zur Basilika. Der Westturm erhielt im Jahr 1423 seine heutige Höhe. Die heutigen Turmhauben sind allerdings eine Formgebung des 18. Jahrhunderts; früher waren sie hoch und spitz, wie es alte Stiche von Visby aus dem 16. Jahrhundert zeigen.[2]
- Romanisches Portal
- Gotisches Portal
- Winde vor dem Lagerboden
- Wasserspeier an der Süd-Kapelle
Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen des ausgehenden Mittelalters fielen im Jahr 1525 alle übrigen mittelalterlichen Kirchen Visbys einem Sturmangriff der mit Gustaf Wasa verbündeten Lübecker auf die von dem dänischen Gefolgsmann Severin Norby besetzte Stadt zum Opfer und brannten aus. Sie werden seither als Ruinen erhalten und prägen das Stadtbild in einem ganz besonderen Maße, die Kirche des Franziskanerklosters St. Karin gilt als schönste von ihnen. Seither ist die ehemals deutsche Kirche Sankt Maria auch die einzige Kirche in Visby, in der Gottesdienst gehalten werden kann. 1572 wurde die Marienkirche zur Bischofskirche der Diözese Visby und damit zum Dom. Im schwedischen Sprachgebrauch verschmolzen alter Name und neue Funktion zu Visby Sankt Maria Domkyrka. Seit 2003 ist die Marienkirche zugleich die Kathedrale der Schwedischen Kirche im Ausland.
Ausstattung
Die Kirche verfügt über eine sehr reichhaltige Ausstattung. Auffallend sind die Glasmalereien auf den Fenstern aus jüngster Zeit. Neben dem Barock- und dem neugotischen Hochaltar[3] verfügt die Marienkirche über eine sehr bedeutende Fünte aus Kalkstein aus dem 12. Jahrhundert. Die der Gemeinde 1684 geschenkte Kanzel, geschnitzt aus Walnuss, ist eine norddeutsche Arbeit, die aus Lübeck importiert wurde. Das Thema der Triumphkreuze nimmt eine triumphale Christusfigur des 13. Jahrhunderts auf. Die Kirche verfügt über eine Vielzahl von Epitaphen aus der Zeit vom 14. bis zum 18. Jahrhundert. Ein Epitaph des Malers Jost de Laval[4] erinnert beispielsweise an den Lübecker Bürgermeister Bartholomeus Tinnappel, der im Dreikronenkrieg 1566 als Admiral der Lübecker Kriegsflotte nach einem Seegefecht bei Gotland mit seinem Flaggschiff und großen Teilen der Flotte unterging, weil seine Flotte ungünstig ankerte.[5] Der Sturm soll 6.000 Seeleute und Soldaten das Leben gekostet haben.
- Taufstein
- Kanzel mit Treppe; romanische und gotische Fenster
- Triumphierender Christus
Orgeln
Die Domkirche verfügt über diverse Orgeln: Die Hauptorgel; eine kleine Chororgel (auch „Marienorgel“ genannt, aus dem Jahr 1984), sowie diverse kleinere Orgeln.
Die Hauptorgel stammt aus der Werkstatt des schwedischen Orgelbauers Åckerman & Lund aus dem Jahr 1892. Sie ist in ihrem Bestand weitgehend original erhalten. Das Instrument hat 25 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch. Das Instrument ist mit Bakermaschinen ausgestattet.[6]
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- Koppeln: I/I (Superoktavkoppel), II/I (auch als Suboktavkoppel), I/P, II/P
Kapellen
Die Swertingkapelle wurde als Sühnekapelle für den aus einer Rostocker Familie stammenden Bürgermeister der Stadt Visby Hermann Swerting errichtet. Er wurde 1342 als Bürgermeister hingerichtet. Seine Söhne – einer davon, Simon Swerting, war später Bürgermeister in Lübeck – stifteten die Kapelle. „Die Summe, die als Sühne für die Ermordung seines Vaters gezahlt wurde, verwandte er gemeinsam mit seinem Bruder zum Ankauf des Gutes Ovendorf[7], dessen Einkünfte einer Vikarie überwiesen wurden, die zu Ehren seines Vaters in einer zu Wisby erbauten Sühnekapelle errichtet ward“.[8] Die Kapelle ist heute eine Erinnerungsstätte für alle auf See Gebliebenen, auch für die Opfer des Estonia-Untergangs 1994 und des durch das Seebeben im Indischen Ozean 2004 ausgelösten Tsunami.
Literatur
- Robert Bohn: Wisby – Die Keimzelle des hansischen Ostseehandels. In: Jörgen Bracker (Hrsg.): Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos. 4. bibliographisch aktualisierte Auflage des Textbandes zur Hamburger Hanse-Ausstellung von 1989. Schmidt-Römhild, Lübeck 2006, ISBN 3-7950-1275-9, S. 269–282.
- Antjekathrin Graßmann (Hrsg.): Lübeckische Geschichte. 2. überarbeitete Auflage. Schmidt-Römhild, Lübeck 1989, ISBN 3-7950-3203-2.
- Marita Jonsson, Sven-Olof Lindquist: Kulturführer Gotland. Almqvist & Wiksell, Uppsala 1993, ISBN 91-88036-09-X.
- Ulrich Quack: Gotland. Die größte Insel der Ostsee. Eine schwedische Provinz von besonderem Reiz. Kultur, Geschichte, Landschaft. DuMont, Köln 1991, ISBN 3-7701-2415-4.
Quellen und Anmerkungen
- Marita Jonsson, Sven-Olof Lindquist: Kulturführer Gotland. Almqvist & Wiksell, Uppsala 1993, ISBN 91-88036-09-X, S. 113.
- Die Ansicht von Braun/Hogenberg gibt indessen ein reines Phantasiebild der Stadt Visby und zeigt den Dom unzutreffend mit zwei Westtürmen.
- Der aus einer Lübecker Werkstatt stammende spätgotische Altaraufsatz wurde bereits 1684 an die Landkirche in Källunge verkauft. (vgl. Quack 1991, S. 204)
- Epitaph Tinnappel (Memento des vom 20. Dezember 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Emil Ferdinand Fehling: Lübeckische Ratslinie Lübeck 1925 Nr. 657; Lübeckische Geschichte, S. 422.
- Orglarna i S:ta Maria Domkyrka. In: Orgelanders hemsida. Anders Söderlund, abgerufen am 20. April 2023 (schwedisch).
- Anm.: bei Travemünde
- Zitat nach Emil Ferdinand Fehling: Lübeckische Ratslinie Lübeck 1925 Nr. 657; Lübeckische Geschichte, Nr. 387