Dmytro Jarosch
Dmytro Anatolijowytsch Jarosch (ukrainisch Дмитро́ Анатолійович Я́рош; * 30. September 1971 in Dniprodserschynsk, Ukrainische SSR) fungiert als Berater des Generalstabs der Ukrainischen Streitkräfte. Er war von Anfang 2014 bis Ende Dezember 2015[1] ein rechtsextremer ukrainischer Politiker und Funktionär der radikal-nationalistischen Gruppe „Prawyj Sektor“.
Biografie
Jarosch absolvierte in seiner Heimatstadt Dniprodserschynsk die Mittelschule, von 1989 bis 1991 leistete er Wehrdienst in der sowjetischen Armee. Später absolvierte er ein Studium der Philologie an der Universität von Drohobytsch.
Jarosch engagierte sich bereits früh in ukrainisch-nationalistischen Gruppierungen. 1994 war er Mitbegründer der rechtsextremen Gruppe Trysub (benannt nach dem nationalen Symbol der Ukraine Trysub), seit 2005 galt er als der Anführer dieser Organisation. In einem Interview von 2008 wurde er als „Colonel“ bezeichnet.[2]
Euromaidan-Proteste
Im Rahmen der Proteste des Euromaidan schlossen sich Ende November 2013 mehrere rechtsextreme bzw. radikal-nationalistische Gruppierungen zu der informellen, paramilitärisch organisierten und gewalttätig auftretenden Gruppe „Prawyj Sektor“ (deutsch Rechter Sektor) zusammen. Jarosch war eine der Führungsfiguren der Gruppe und wurde von verschiedenen Medien auch als „Anführer“ bzw. als „Vorsitzender“ des „Rechten Sektors“ bezeichnet. Auf dem Maidan trat er mehrfach als Redner auf und proklamierte dort am 21. Februar 2014 die Fortsetzung der „nationalen Revolution“ in der Ukraine.[3] Obwohl Jarosch bei der Regierungsbildung verschiedene Posten angeboten wurden, gehörte er der Ende Februar 2014 neu gebildeten ukrainischen Regierung nicht an.[4]
Krieg in der Ukraine
Wegen eines im Internet erschienenen angeblichen Aufruf Jaroschs an den tschetschenischen Terroristenführer Doku Umarow zur Unterstützung der Ukraine den „Kampf gegen Russland zu aktivieren“[5] ermittelt die russische Staatsanwaltschaft seit dem 3. März 2014 gegen Jarosch.[6] Gegenüber Radio Liberty hatte ein Sprecher Jaroschs erklärt, der vermeintliche Aufruf sei Teil einer Schmutzkampagne, die Webseite sei gehackt worden.[7][8] Am 5. März 2014 schrieben die russischen Behörden Jarosch wegen „Aufwiegelung zum Terrorismus“ international zur Fahndung aus.[9] Am 11. März 2014 forderte der Duma-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Kommunistischen Partei Russlands, Waleri Raschkin, die Liquidierung von Jarosch.[10][11]
Am 7. März 2014 kündigte der Prawyj Sektor an, die Gruppe wolle sich in eine Partei umwandeln. Jarosch werde bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine am 25. Mai 2014 kandidieren.[12] Im Zusammenhang mit seiner Präsidentschaftskandidatur erklärte Jarosch, der „Rechte Sektor“ werde Antisemitismus in Zukunft nicht nur nicht unterstützen, sondern mit sämtlichen rechtlichen Mitteln bekämpfen[13] und bekräftigte in einem Interview mit dem Sender Jewish News One ebenfalls die Ablehnung von Antisemitismus durch ihn und seine Organisation.[14] Bei den Präsidentschaftswahlen erreichte Jarosch ein Ergebnis von 0,70 % der abgegebenen Stimmen.
Jarosch nahm im Sommer 2014 als Anführer eines bewaffneten Freiwilligenverbandes des Prawyj Sektor an den Kämpfen gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine teil.[15] Am 21. Januar 2015 wurde Jarosch während der Zweiten Schlacht um den Flughafen Donezk bei Pisky schwer verwundet.[16] Im April 2015 wurde Jarosch zum Berater des Generalstabs der Ukrainischen Streitkräfte ernannt. Er soll als Vermittler zwischen den Freiwilligenbataillonen und dem Generalstab dienen.[17]
Bei der Parlamentswahl 2014 kandidierte Jarosch in der Oblast Dnipropetrowsk und gewann ein Direktmandat für die Werchowna Rada.[18]
Politische Positionen
Jarosch weist den Vorwurf zurück, er sei rassistisch. In seiner Ansicht betrachtet er alle Menschen, welche für die Ukraine kämpfen, als Kameraden. Auch erklärte er, dass er jegliche Form von Chauvinismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit ablehne.[19]
Jarosch bezeichnet die Ukraine als ein „europäisches Land“. Er lehnt allerdings einen Beitritt zur EU ab, der er eine antichristliche Ausrichtung vorwirft. In seinem Buch „Nation und Revolution“ beschreibt er seine Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Auf eine Frage des Spiegels, ob Adolf Hitler sein Vorbild sei, erklärte Jarosch: „Er hat so viel Blut meines Volkes vergossen, ich kann ihm nichts Positives abgewinnen. Der deutsche Nationalsozialismus ist für ukrainische Nationalisten ein Feind.“[20]
Jarosch forderte das Verbot der Partei der Regionen sowie der Kommunistischen Partei.[21] Er sieht sich selbst als Anhänger des ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera.[22] Nach den ukrainischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2019 bezeichnete er in einem Interview das Minsker Friedensabkommen als Tod des ukrainischen Staates und drohte damit, dass Selenskyj an einem Baum aufgeknüpft werde, sollte er die gefallenen Opfer des Konfliktes verraten.[23]
Werke
- Nation und Revolution.[24]
Weblinks
- Reportage des Time-Magazine über Jarosch, 4. Februar 2014
- Interview des Magazins Newsweek mit Jarosch, 12. März 2014
- Interview mit Jarosch über seine Rolle bei den Kämpfen in der Ostukraine, hromadske.tv vom 9. Juli 2014
- Herwig Lewy: Der „gemäßigte Ukrainer“ und die Figur Dmytro Jarosch, heise.de, 1. Mai 2014
- Gesucht von INTERPOL wegen öffentlicher Aufstachelung zu extremistischen Handlungen
Einzelnachweise
- Anführer verlässt Rechten Sektor in der Ukraine. In: derstandard.at. 28. Dezember 2015, abgerufen am 2. Februar 2024.
- Interview with Colonel Dmitry Jarosh, Kavkaz-Center am 25. Januar 2008
- Webseite der Agentur Interfax vom 21. Februar 2014
- Many Ukrainians Want Russia To Invade (Memento des vom 2. März 2014 im Webarchiv archive.today) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Time-Magazine vom 1. März 2014
- Лидер "Правого сектора" Дмитрий Ярош обратился за помощью к Доку Умарову, lifenews.ru am 1. März 2014
- Nach Appell an Topterrorist Umarow: Russland ermittelt gegen ukrainischen Nationalistenchef (Memento vom 3. März 2014 im Internet Archive), RIA Novosti am 3. März 2014
- Krim-Krise: Putins gefährliche Wette, FAZ am 2. März 2014
- Russia wages propaganda war over Ukraine, Financial Times vom 3. März 2014
- Russland erlässt internationalen Haftbefehl gegen ukrainischen Nationalistenchef RIA Novosti vom 5. März 2014
- Webseite der KPRF vom 11. März 2014
- Webseite der Agentur NEWSru.com vom 11. März 2014
- Rechtsextremist Jarosch will Präsident werden, Der Standard vom 7. März 2014
- Kein zunehmender Antisemitismus in der Ukraine, FAZ vom 24. März 2014
- Interview mit Jarosch bei Jewish News One vom 23. März 2014 (Memento vom 13. April 2014 im Internet Archive)
- Video: ultra-nationalist militants fighting alongside Ukraine’s army (Memento des vom 1. April 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Webseite von France 24 vom 10. Juli 2014
- http://www.kyivpost.com/content/ukraine/right-sectors-leader-yarosh-wounded-near-donetsk-377987.html
- okü./dpa/AFP: Nationalistenführer wird Berater des Generalstabs. In: FAZ.net. 6. April 2015, abgerufen am 13. Oktober 2018.
- Right Sector Yarosh wins elections in Dnipropetrovsk region constituency, Artikel in der Kyiv Post vom 28. Oktober 2014
- Profile: Ukraine's ultra-nationalist Right Sector. In: bbc.com. 28. April 2014, abgerufen am 4. Februar 2024 (englisch).
- Benjamin Bidder: Nationalistenführer Jarosch: "Jeder Ukrainer soll eine Schusswaffe tragen dürfen". In: Spiegel Online. 23. April 2014, abgerufen am 10. Juni 2018.
- Ukraine crisis: Key players. In: bbc.com. 27. Januar 2014, abgerufen am 4. Februar 2024 (englisch).
- Profile: Ukraine's ultra-nationalist Right Sector. In: bbc.com. 28. April 2014, abgerufen am 4. Februar 2024 (englisch).
- Liliia Rahutska: Jarosch: Wenn Zelensky die Ukraine verrät, wird er nicht sein Amt, sondern sein Leben verlieren. Ярош: якщо Зеленський зрадить Україну — втратить не посаду, а життя. In: Obozrevatel. 27. Mai 2019, abgerufen am 3. September 2023 (ukrainisch, Übersetzt mit Deepl.com): „Das Minsker Format - und ich spreche immer wieder davon - ist eine Gelegenheit, die Zeit zu verzögern, die Streitkräfte aufzurüsten, sich den besten internationalen Standards im nationalen Sicherheits- und Verteidigungssystem anzunähern. Dies ist eine Gelegenheit zum Manövrieren. Mehr aber auch nicht. Die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen ist der Tod unseres Staates. Sie sind keinen einzigen Tropfen Blut der Jungen und Mädchen, Männer und Frauen wert, die in diesem Krieg gestorben sind. [..] In seiner Rede zur Amtseinführung sagte Selenskyi, er sei bereit, seine Einschaltquoten, seine Popularität, seine Position zu verlieren... Nein, er wird sein Leben verlieren. Er wird an einem Baum auf dem Chreschtschatyk hängen, wenn er die Ukraine und die Menschen verrät, die in der Revolution und im Krieg gestorben sind.“
- Im Gleichmarsch mit Ultra-Nationalisten?, Tageblatt am 12. März 2014