Stressor

Als Stressoren (auch: Stressfaktoren) werden alle inneren und äußeren Reize bezeichnet, die Stress verursachen und dadurch das betroffene Individuum zu einer Reaktion der aktiven Anpassung veranlassen. Der Organismus interpretiert die auf ihn einwirkenden Reize und ihre Auswirkungen für die jeweilige Situation und bewertet sie entweder positiv oder negativ.

Nach einem Konzept von Hans Selye unterscheidet man zwei Arten von Stress: positiven Stress (auch Eustress) und negativen Stress (auch Disstress oder Dysstress, englisch distress). Die griechische Vorsilbe εὖ eu bedeutet „wohl, gut, richtig, leicht“, die griechische Vorsilbe δύς dys bedeutet „miss-, schlecht“.

Eustress

Als Eustress werden diejenigen Stressoren bezeichnet, die den Organismus positiv beeinflussen. Ein grundsätzliches Stress- bzw. Erregungspotenzial ist für das Überleben eines Organismus unabdingbar. Positiver Stress erhöht die Aufmerksamkeit und fördert die maximale Leistungsfähigkeit des Körpers, ohne ihm zu schaden. Im Gegensatz zum Disstress wirkt sich Eustress auch bei häufigem, langfristigem Auftreten positiv auf die psychische oder physische Funktionsfähigkeit eines Organismus aus. Eustress tritt beispielsweise auf, wenn ein Mensch zu bestimmten Leistungen motiviert ist oder Glücksmomente empfindet.

Disstress

Negative Stressoren sind diejenigen Reize, die als unangenehm, bedrohlich oder überfordernd empfunden werden. Stress wird erst dann negativ interpretiert, wenn er häufig auftritt und kein körperlicher Ausgleich erfolgt. Ebenso können negative Auswirkungen auftreten, wenn die unter Stress leidende Person durch ihre Interpretation der Reize keine Möglichkeit zur Bewältigung der Situation sieht (Klausur, Wettkampf o. ä.). In diesem Fall kann Disstress durch die Vermittlung geeigneter Strategien zur Stressbewältigung (Coping) verhindert werden.

Disstress führt zu einer stark erhöhten Anspannung des Körpers (Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter und Hormone, z. B. Adrenalin und Noradrenalin). Auf Dauer führt dies zu einer Abnahme der Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit. Bei einer Langzeitwirkung von Disstress sowie fehlenden Copingstrategien kann es zu einem Burnout-Syndrom kommen.

Im Wirtschaftsleben sind die Menschen vielfältigen Stressoren ausgesetzt. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Großbetriebe des Einzelhandels, die traditionell das Instrumentarium psychologischer Betriebsführung beherrschen. Hier spielen Stressoren nicht nur für die Mitarbeiter eine Rolle (zum Beispiel aus den Bereichen Arbeitsumgebung, Arbeitsaufgabe, soziale Umgebung, Organisationsstruktur und persönliche Bedingungslage), sondern auch für die Kunden (zum Beispiel Ladengröße, Sortimentsumfang, Warenanordnung, Kundenmassen, Personalverhalten, Hintergrundmusik, Durchsagen und Lärm). Dabei müssen die Mitarbeiter jedoch vor andauernden Stressoren, die zu Disstress und negativen Reaktionen physiologischer, kognitiver und/oder emotionaler Art führen, geschützt werden. Da sich der kurzzeitige Einfluss von übermäßigen Reizen nach dem Kauf bzw. nach Verlassen des Geschäftslokals für die Kunden normalerweise rasch wieder auflöst, sind sie typischerweise einem Eustress ausgesetzt.[1]

Die Psychiater Thomas Holmes und Richard Rahe entwickelten eine Skala mit 43 Ereignissen, die The Social Readjustment Rating Scale (SRRS), um das Ausmaß von Stress messen zu können. Negativen bzw. positiven Lebensereignissen werden Stresswerte von 0 bis 100 zugewiesen. Demnach ist der Stress umso größer, je mehr Lebensbereiche den neuen Umständen angepasst werden müssen. Weitere Untersuchungen unterstützen den Zusammenhang zwischen Stress und Krankheit.[2][3]

Rang Ereignis Stresswert
1Tod des Ehepartners100
2Scheidung73
3Trennung vom Ehepartner65
4Haftstrafe63
5Tod eines Familienangehörigen63
6Eigene Verletzung oder Krankheit53
7Heirat50
8Verlust des Arbeitsplatzes47
9Aussöhnung mit dem Ehepartner45
10Pensionierung45
11Änderung im Gesundheitszustand eines Familienangehörigen44
12Schwangerschaft40
13Sexuelle Schwierigkeiten39
14Familienzuwachs39
15Geschäftliche Veränderung39
16Erhebliche Einkommensveränderung38
17Tod eines nahen Freundes37
18Berufswechsel36
19Änderung in der Häufung der Auseinandersetzungen mit dem Ehepartner35
20Aufnahme eines Kredites über 10.000 $31
21Kündigung eines Darlehens30
22Veränderung im beruflichen Verantwortungsbereich29
23Kinder verlassen das Elternhaus29
24Ärger mit der angeheirateten Verwandtschaft29
25Großer persönlicher Erfolg28
26Anfang oder Ende der Berufstätigkeit der Ehefrau26
27Schulbeginn oder -abschluss26
28Änderung des Lebensstandards25
29Änderung persönlicher Gewohnheiten24
30Ärger mit dem Vorgesetzten23
31Änderung von Arbeitszeit und -bedingungen20
32Wohnungswechsel20
33Schulwechsel20
34Änderung der Freizeitgewohnheiten19
35Änderung der kirchlichen Gewohnheiten19
36Änderung der gesellschaftlichen Gewohnheiten18
37Aufnahme eines Kredites unter 10.000 $17
38Änderung der Schlafgewohnheiten16
39Änderung der Häufigkeit familiärer Kontakte15
40Änderung der Essgewohnheiten15
41Urlaub13
42Weihnachten13
43Geringfügige Gesetzesübertretungen11

Siehe auch

Literatur

  • Hans Selye: The stress of life. McGraw-Hill, New York 1956.
  • Hans Selye: Stress in health and disease. Butterworth, Woburn (MA) 1976.
Wiktionary: Stressor – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Hans-Otto Schenk: Psychologie im Handel. Entscheidungsgrundlagen für das Handelsmarketing. 2. Auflage. Oldenbourg, München/Wien 2007, ISBN 978-3-486-58379-3.
  2. Thomas H. Holmes, Richard H. Rahe: The Social Readjustment Rating Scale. In: Journal of Psychosomatic Research. Vol. 11, Nr. 2, 1967, S. 213–218, doi:10.1016/0022-3999(67)90010-4, PMID 6059863 (englisch).
  3. Richard H. Rahe, Ransom J. Arthur: Life change and illness studies: past history and future directions. In: Journal of Human Stress. Vol. 4, Nr. 1, 1978, S. 3–15, doi:10.1080/0097840X.1978.9934972, PMID 346993 (englisch).
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