Dismembration

Dismembration ist der Zerfall oder die Zerteilung eines Staates (in toto) in zwei oder mehrere neue Staaten. Dabei bleibt der alte Staat im Gegensatz zur Sezession als Völkerrechtssubjekt nicht bestehen, sondern geht unter, während die entstehenden Staaten neue Völkerrechtssubjekte sind, die mit dem alten Staat nicht identisch sind.

Dismembration im Gegensatz zur Sezession

Ursprüngliche Bedeutung des Begriffs

Über Jahrhunderte hinweg bezeichnete man mit „Dismembration“ die Aufteilung eines Grundstücks oder auch eines Gutes bzw. die Abtrennung von einzelnen Hufen von diesen Besitztümern.[1] Zu Dismembrationen kam es zumeist infolge von Erbangelegenheiten, der Neuverteilung verödeter Vorwerke an Bauern/Bürger oder von Verschuldung/Hypotheken.[2]

Beispiele

Ein Beispiel hierfür ist die Auflösung der Tschechoslowakei, als die Tschechoslowakische Föderative Republik zum 31. Dezember 1992 zu existieren aufhörte und sich die Tschechische und die Slowakische Republik als Nachfolgestaaten für eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen bewarben. Ein anderes Beispiel aus der früheren Geschichte ist der Zerfall Österreich-Ungarns.

Der Zerfall Jugoslawiens war zunächst strittig, da der Staat, der auf den Gebieten der heutigen Staaten Serbien und Montenegro bestand, sich selbst als Bundesrepublik Jugoslawien (BRJ) bezeichnete und als identisch mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) ansah, den Vorgang folglich als Abspaltung der übrigen Teilrepubliken betrachtete. Die Frage wurde im Völkerrecht diskutiert.[3] Die Argumentation Jugoslawiens wurde jedoch von der Schiedskommission der Friedenskonferenz für Jugoslawien, der sogenannten Badinter-Kommission, nicht akzeptiert: Sie vertrat in ihrer Spruchpraxis die Auffassung, dass die SFRJ sich vollständig aufgelöst habe, folglich die Bundesrepublik Jugoslawien völkerrechtlich nicht identisch mit ihr gewesen ist. Während die BRJ sich als staatlicher und völkerrechtlicher Rechtsnachfolger der SFRJ betrachtete, ging die Badinter-Kommission vom Untergang des Altstaates SFRJ aus, was zur Folge habe, dass die Lösung aller Fragen der Rechtsnachfolge nur in Abstimmung mit allen entstandenen Neustaaten zulässig sei. Davon sind auch Drittstaaten ganz überwiegend ausgegangen.[4] Der serbisch-montenegrinische Staat (Rest-Jugoslawien) wurde aufgefordert, als neues Mitglied der UNO beizutreten – und tat dies dann auch im Jahr 2000 –,[5] anstatt die Mitgliedschaft des alten Jugoslawiens fortsetzen zu können.[6]

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Allein im Landesarchiv Sachsen-Anhalt finden sich mehrere Tausend Urkunden und Akten aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit dem Begriff „Dismembration“, sowie vereinzelte Exemplare aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Zum Beispiel: Kopie eines magdeburgischen Lehnbriefs über Remkersleben, sowie Rezesse und Dismembrationen (H 158, Nr. 2180; Dokumente aus den Jahren von 1609 bis 1688), Vom Ackermann Heinrich Ludolph Fluchs beim Generaldirektorium nachgesuchte und approbierte Dismembration von zwei Hufen seines in Altenweddingen gelegenen Gutes (A 3e, Nr. 217) aus dem Jahr 1787 oder Bestimmungen über das Verfahren bei Regulierung der grundherrlichen Abgaben bei Dismembrationen von Dienstgütern (Z 108, Nr. 275) aus den Jahren 1851 und 1852.
  2. In der Zusammenstellung Die Landes-Kultur-Gesetzgebung des Preussischen Staates. Eine systematisch geordnete Sammlung aller auf dieselbe Bezug habenden gesetzlichen Bestimmung, insbesondere der in der Gesetzsammlung für die Preussischen Staaten (Band 1, hrsg. v. Adolf Lette u. Ludwig von Rönne, Berlin 1854) finden sich zahlreiche Bemerkungen zur Geschichte der Dismembrationen in einzelnen Gebieten sowie auf deren zeitweilige Unterbindung, da man verhindern wollte, dass adlige Güter in die Hände von Bauern oder Bürgern fielen. Vgl. etwa die Einleitung, S. XLVIII, LXXI, LXXVII, CXII. – Daneben wurden wiederholt Abhandlungen zum Thema veröffentlicht, die insbesondere die Zweckmäßigkeit analysierten, etwa P. Patrunky, Mein Gutachten über die Dismembrationen der Landgüter (Breslau 1804) und Das Verfahren in Dismembrations- und Ansiedelungssachen in Preußen (Breslau 1866).
  3. Siehe z. B. Blum, American Journal of International Law, Vol. 86(4) (1992), S. 830–833.
  4. Vgl. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation (= Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht; Bd. 141), Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 104 ff., passim m.w.N.
  5. Nachdem die BRJ den Identitätsanspruch aufgab und am 27. Oktober 2000 einen Antrag auf Aufnahme in die Vereinten Nationen stellte, wurde sie am 1. November 2000 als Neustaat aufgenommen. Vgl. hierzu S/RES/1326 vom 31. Oktober 2000; A/55/L.23 vom 1. November 2000.
  6. Member States of the United Nations; dazu Andreas von Arnauld, Völkerrecht, 2. Aufl. 2014, Rn. 101.
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