Diribitorium
Das Diribitorium war ein großer Saal im antiken Rom. Er diente zum Sondern und Auszählen der Stimmtäfelchen bei Wahlen und Volksabstimmungen der Römischen Republik.
Geschichte
Im ersten Jahrhundert v. Chr. ging die Römische Republik durch verschiedene Gesetze (leges tabellariae) zu schriftlichen Abstimmungen über. Zuvor nahmen vom jeweiligen Magistrat ernannte rogatores die Stimmen entgegen und vermerkten sie auf Tafeln. Mit der schriftlichen Abstimmung wurden nun die von den Dienern des Magistrats verteilten Täfelchen nach Erfüllung des Votums in Stimmkisten (cistae) gelagert, die von custodes beaufsichtigt wurden, die man gewohnheitsmäßig weiter rogatores nannte, nach ihrer Beschäftigung aber eigentlich diribitores waren.[1]
Ein Saal für diese Tätigkeit wurde auf dem Marsfeld erbaut von Agrippa und im Jahr 8 v. Chr. von Augustus eingeweiht.[2] Claudius soll vom Dach des diribitorium den Brand der Aemiliana beobachtet haben.[3] Nach einem Brand unter Titus im Jahr 80 n. Chr.[4] konnte das Dach des Gebäudes nicht wieder aufgebaut werden. Cassius Dio erwähnt es noch zu seiner Zeit (frühes 3. Jahrhundert) als unüberdacht (ἀχανής).[5]
Bauwerk
Das Gebäude kann heute nicht mehr exakt lokalisiert werden. Christian Hülsen kam zu der Ansicht, das Diribitorium – wahrscheinlich eine große Halle – könnte das Obergeschoss der Saepten gebildet haben, in deren Nähe es ohnehin vermutet wird.[6] Laut dem severischen Stadtplan Roms, der Forma Urbis Romae,[7] bildete die Westwand des Diribitorium die Verlängerung der Westwand der Saepta, erstreckte sich von dort also weiter nach Osten, während seine Nordwand mittels eines Korridors mit den Saepta verbunden war.[8] Entsprechend lokalisiert es Filippo Coarelli an der Südseite der Saepta in Nachbarschaft zu den Portiken des Pompeius und der Villa publica.[9]
Das Diribitorium verfügte über ein aufwendiges Dach, das bis ins Jahr 230 n. Chr. das am weitesten gespannte Dach darstellte.[10] Verwendung fanden hierzu Stämme der Lärche, die 100 römische Fuß lang und eineinhalb Fuß breit waren (etwa 29,6 × 0,45 m) – vermutlich deshalb konnte dieses nach dem Brand 80 n. Chr. nicht wieder hergestellt werden. Ein nicht verbauter Stamm wurde als Kuriosum in den Saepta ausgestellt.[11]
Literatur
- Christian Hülsen: Diribitorium. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band V,1, Stuttgart 1903, Sp. 1168.
- Samuel Ball Platner, Thomas Ashby: A Topographical Dictionary of Ancient Rome. Oxford University Press, London 1929, S. 151 s. v. Diribitorium (online bei LacusCurtius)
- Emilio Rodríguez Almeida: Forma Urbis Marmorea. Aggiornamento Generale 1980. Rom 1981, Taf. 26 Fragmente 35 l, p, q, r, gg, hh.
- Edoardo Tortorici: L’attività edilizia di Agrippa a Roma. In: Aldo Ceresa-Gastaldo, Michael Grant (Hrsg.): Il bimillenario di Agrippa. XVII Giornate filologiche genovesi, Genova 20-21 febbraio 1989. Dipartimento di archeologia, filologia classica e loro tradizioni, Genua 1990, S. 19–55, hier: S. 26–28.
- Lawrence Richardson Jr.: A New Topographical Dictionary of Ancient Rome. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1992, S. 109–110 s. v. Diribitorium.
- Mario Torelli: Diribitorium. In: Eva Margareta Steinby (Hrsg.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Band 2. Quasar, Rom 1995, S. 17–18.
Weblinks
- Diribitorium im Stanford Digital Forma Urbis Romae Project
Einzelnachweise
- Wilhelm Liebenam: Diribitores. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band V,1, Stuttgart 1903, Sp. 1167 f. mit weiteren Quellen, u. a. Cicero: pro Cn. Plancio 49; Varro: De re rustica 3,2.
- Cassius Dio 55,8
- Sueton: Claudius 18.
- Cassius Dio 66,24
- Cassius Dio 55,8.
- Christian Hülsen: I Saepta ed il Diribitorium. In: Bullettino della Commissione Archeologica Comunale di Roma 21, 1893, S. 136–142 (online).
- Emilio Rodríguez Almeida: Forma Urbis Marmorea. Aggiornamento Generale 1980. Rom 1981, Taf. 26 Fragmente 35 l, p, q, r, gg, hh.
- Mario Torelli: Diribitorium. In: Eva Margareta Steinby (Hrsg.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Band 2. Quasar, Rom 1995, S. 17–18.
- Filippo Coarelli: Rom. Ein archäologischer Führer. Verlag von Zabern, Mainz 2000, ISBN 3-8053-2685-8, S. 284.
- Cassius Dio 55,8; Samuel Ball Platner, Thomas Ashby: A Topographical Dictionary of Ancient Rome. Oxford University Press, London 1929, S. 151 s. v. Diribitorium.
- Plinius: Naturalis historia 16,200 und 36,102.