Diplodocoidea

Die Diplodocoidea sind eine Gruppe von sauropoden Dinosauriern, welche die Familien Diplodocidae, Dicraeosauridae und Rebbachisauridae umfasst. Sie traten erstmals im Oberjura auf, wo sie die größte Artenvielfalt erreichten. Während die Diplodocidae an der Jura-Kreide-Grenze ausstarb, überlebte die Dicraeosauridae bis in die Unterkreide[2]. Die Rebbachisauridae, die letzte Familie der Diplodocoidea, taucht dagegen erstmals in der Unterkreide auf und war bis in die frühe Oberkreide (Coniacium) vertreten[3].

Diplodocoidea

Skelettrekonstruktion von Apatosaurus im Carnegie Museum in Pittsburgh.

Zeitliches Auftreten
Oberjura bis Oberkreide (Kimmeridgium bis Coniacium)[1]
157,3 bis 86,3 Mio. Jahre
Fundorte

Nordamerika, Südamerika, Europa, Afrika

Systematik
Dinosaurier (Dinosauria)
Echsenbeckensaurier (Saurischia)
Sauropodomorpha
Sauropoden (Sauropoda)
Diplodocoidea
Wissenschaftlicher Name
Diplodocoidea
Marsh, 1884

Jüngere Zahnfunde aus dem Campanium und Maastrichtium der Bauru-Gruppe in Brasilien weisen jedoch darauf hin, dass Vertreter der Diplodocoidea bis in die späte Oberkreide überlebt haben könnten[4]. Die Diplodocoidea sind aus Nordamerika, Südamerika, Europa und Afrika nachgewiesen.[5]

Merkmale

Die Diplodocoidea unterschieden sich von anderen Sauropoden insbesondere im Bau des Schädels und der Wirbelsäule. Die Kiefer formten von oben betrachtet ein annähernd rechteckiges Gebiss. Die Zähne waren dabei auf den vordersten Bereich der Kiefer beschränkt. Am stärksten waren diese Merkmale bei den Rebbachisauriden ausgeprägt, bei denen sämtliche Zähne in einer frontalen, geraden Zahnreihe angeordnet waren, die senkrecht zur Längsachse des Kiefers orientiert war. Dieses Merkmal der Rebbachisauriden ist unter allen Dinosauriern einzigartig. Für die Diplodocoidea bezeichnend waren außerdem die schmalen Zahnkronen: So zeigten ursprünglichere Sauropoden breite, sich überlappende Zahnkronen.[5]

Die Diplodocidae und die Dicraeosauridae zeichnen sich durch gegabelte Dornfortsätze der Hals- und Rückenwirbel aus. Diese gegabelten Dornfortsätze werden bei den Dicraeosauriden Amargasaurus und Dicraeosaurus über vier Mal so hoch wie die entsprechenden Wirbelkörper. Dieses Merkmal könnte die Ausbildung elastischer Ligamente erlaubt haben, die innerhalb der Gabelungen entlang der Wirbelsäule verliefen. Die Diplodocidae zeichnete sich zudem durch einen stark verlängerten Schwanz aus, der aus über 80 Wirbeln zusammengesetzt war – fast doppelt so viele wie bei einigen ursprünglicheren Sauropoden. Die hinteren ca. 30 Schwanzwirbel waren zudem zweiseitig konvex und verlängert. Dieser spezialisierte Schwanz („Peitschenschwanz“) könnte eine direkte Verteidigungsfunktion gehabt, aber auch der Lärmerzeugung gedient haben. Funde von verlängerten, zweiseitig konvexen Schwanzwirbeln bei Dicraeosauriden und Rebbachisauriden könnten zeigen, dass auch diese Gruppen einen Peitschenschwanz besessen haben. Diese Hypothese kann jedoch nur durch weitere Fossilfunde bestätigt oder widerlegt werden.[5]

Systematik und Definition

Systematik

Kladogramm der Diplodocoidea (nach Sereno, Wilson, Witmer, Whitlock, Maga et al. (2007))

Die Diplodocoidea bilden zusammen mit den Macronaria die Gruppe Neosauropoda. Die Macronaria enthalten die Brachiosauridae, Camarasaurus sowie die Titanosauria. Die Neosauropoda schließen sämtliche abgeleitete (fortgeschrittene) Sauropoden mit ein.

Die Systematik innerhalb der Diplodocoidea ist gut bekannt und relativ unumstritten – problematisch ist lediglich die systematische Position von Haplocanthosaurus.[5] Innerhalb der Diplodocoidea werden drei Familien unterschieden: die ursprünglicheren Rebbachisauridae sowie die Dicraeosauridae und die Diplodocidae. Die Diplodocidae und die Dicraeosauridae werden häufig als Flagellicaudata zusammengefasst. Verschiedene ursprüngliche Gattungen wie Amphicoelias[6] und Suuwassea[7] werden zwar innerhalb der Diplodocoidea klassifiziert, jedoch außerhalb der drei Familien gestellt.

Es folgt ein aktuelles Kladogramm-Beispiel (vereinfacht nach Harris und Dodson, 2004[7]):

 Diplodocoidea  
  Fragellicaudata  

 Suuwassea


  Dicraeosauridae  

 Dicraeosaurus


   

 Amargasaurus



  Diplodocidae  

 Apatosaurus


  Diplodocinae  

 Barosaurus


   

 Diplodocus




Vorlage:Klade/Wartung/3

  Rebbachisauridae  

 Rebbachisaurus


   

 Nigersaurus


   

 Rayososaurus


Vorlage:Klade/Wartung/3


Forschungsgeschichte und Definition

1884 benannte Othniel Charles Marsh die Familie Diplodocidae mit der einzigen Gattung Diplodocus. Der Name Diplodocoidea erstmals von Paul Upchurch (1995) verwendet. Trotzdem wird Marsh die Prägung des Namens Diplodocoidea zuerkannt, da laut den Internationalen Regeln für die Zoologische Nomenklatur (ICZN) die Prägung einer Familie (Endung -idae) automatisch mögliche Unterfamilien (-inae) und Überfamilien (-oidea) mit einschließt.[8]

Upchurch (1995) ordnete der Diplodocoidea anfangs drei Familien zu: Die Diplodocidae, die Dicraeosauridae sowie die Nemegtosauridae[9]. Die Nemegtosauridae, bestehend aus den Gattungen Nemegtosaurus und Quaesitosaurus, war lediglich durch Schädelfunde bekannt, die deutliche Ähnlichkeiten mit der typischen Schädelform der Diplodocoidea aufweisen. Heute gelten diese Gattungen jedoch als Vertreter der Titanosauria; die Gemeinsamkeiten in der Schädelform werden auf konvergente Evolution zurückgeführt.[10] Heute werden die Diplodocoidea als stammlinienbasiertes Taxon (stem-based definition) definiert, das alle Taxa umfasst, die näher mit Diplodocus als mit Saltasaurus verwandt waren.[11]

Gattungsliste

Commons: Diplodocoidea – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Pablo A. Gallina, Sebastián Apesteguia: Cathartesaura anaerobica gen. et sp. nov., a new rebbachisaurid (Dinosauria, Sauropoda) from the Huincul Formation (Upper Cretaceous), Río Negro, Argentina. In: Revista del Museo Argentino de Ciencias Naturales. Bd. 7, Nr. 2, 2005, ISSN 1514-5158, S. 153–166, Digitalisat (PDF; 1,03 MB) (Memento vom 6. Juli 2011 im Internet Archive).
  2. Paul Sereno: Dicraeosauridae. In: Taxon Search. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. August 2014; abgerufen am 13. August 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.taxonsearch.org
  3. Paul Sereno: Rebbachisauridae. In: Taxon Search. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. August 2014; abgerufen am 13. August 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.taxonsearch.org
  4. Paul Sereno: Diplodocoidea. In: Taxon Search. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. August 2014; abgerufen am 13. August 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.taxonsearch.org
  5. Jeffrey A. Wilson: Overview of Sauropod Phylogeny and Evolution. In: Kristina Curry Rogers, Jeffrey A. Wilson (Hrsg.): The Sauropods: Evolution and Paleobiology. University of California Press, Berkeley CA u. a. 2005, ISBN 0-520-24623-3, S. 23–26.
  6. Jeffrey A. Wilson, M. B. Smith: New remains of Amphicoelias Cope (Dinosauria: Sauropoda) from the Upper Jurassic of Montana and diplodocoid phylogeny. In: Journal of Vertebrate Paleontology. Bd. 16, Supplement to Nr. 3 = Abstracts of Papers. Fifty-Sixth Annual Meeting, Society of Vertebrate. Paleontology American Museum of Natural History, New York, New York, October 16–19, 1996, 1996, ISSN 0272-4634, S. 73A.
  7. Jerald D. Harris, Peter Dodson: A new diplodocoid sauropod dinosaur from the Upper Jurassic Morrison Formation of Montana, USA. In: Acta Palaeontologica Polonica. Bd. 49, Nr. 2, ISSN 0567-7920, S. 197–210, online.
  8. Michael P. Taylor, Darren Naish: The phylogenetic taxonomy of Diplodocoidea (Dinosauria: Sauropoda). In: PaleoBios. Bd. 25, Nr. 2, 2005, ISSN 0031-0298, S. 1–7.
  9. Paul Upchurch, Paul M. Barrett, Peter Dodson: Sauropoda. In: David B. Weishampel, Peter Dodson, Halszka Osmólska (Hrsg.): The Dinosauria. 2nd edition. University of California Press, Berkeley CA u. a. 2004, ISBN 0-520-24209-2, S. 259–324.
  10. Jeffrey A. Wilson: Redescription of the Mongolian Sauropod Nemegtosaurus mongoliensis Nowinski (Dinosauria: Saurischia) and comments on Upper Cretaceous Sauropod diversity. In: Journal of Systematic Palaeontology. Bd. 3, Nr. 3, 2005, ISSN 1477-2019, S. 283–318, doi:10.1017/S1477201905001628.
  11. Jeffrey A. Wilson, Paul C. Sereno: Early Evolution and Higher-level Phylogeny of Sauropod Dinosaurs (= Journal of Vertebrate Paleontology. Bd. 18, Supplement to Nr. 2 = Society of Vertebrate Paleontology. Memoir. Bd. 5, ISSN 1062-161X). Society of Vertebrate Paleontology, Chicago IL 1998.
  12. Ismar de Souza Carvalho, Leonardo dos Santos Avilla, Leonardo Salgado: Amazonsaurus maranhensis gen. et sp. nov. (Sauropoda, Diplodocoidea) from the Lower Cretaceous (Aptian–Albian) of Brazil. In: Cretaceous Research. Bd. 24, Nr. 6, 2003, ISSN 0195-6671, S. 697–713, doi:10.1016/j.cretres.2003.07.005.
  13. Oliver W. M. Rauhut, Kristian Remes, Regina Fechner, Gerardo Cladera, Pablo Puerta: Discovery of a short-necked sauropod dinosaur from the Late Jurassic period of Patagonia. In: Nature. Bd. 435, Nr. 7042, 2005, S. 670–672, doi:10.1038/nature03623.
  14. Emanuel Tschopp, Octávio Mateus: The skull and neck of a new flagellicaudatan sauropod from the Morrison Formation and its implication for the evolution and ontogeny of diplodocid dinosaurs. In: Journal of Systematic Palaeontology. Bd. 11, Nr. 7, 2013, doi:10.1080/14772019.2012.746589.
  15. Leonardo Salgado, Alberto Garrido, Sergio E. Cocca, Juan R. Cocca: Lower Cretaceous rebbachisaurid sauropods from Cerro Aguada del León (Lohan Cura Formation), Neuquén Province, northwestern Patagonia, Argentina. In: Journal of Vertebrate Paleontology. Bd. 24, Nr. 4, 2004, S. 903–912, doi:10.1671/0272-4634(2004)024[0903:LCRSFC]2.0.CO;2.
  16. Leonardo Salgado, Ismar de Souza Carvalho, Alberto C. Garrido: Zapalasaurus bonapartei, un nuevo saurópodo de La Formación La Amarga (Cretacico Inferior), noroeste de Patagonia, Provincia de Neuquén, Argentina. In: Géobios. Bd. 39, Nr. 5, 2006, ISSN 0016-6995, S. 695–707, doi:10.1016/j.geobios.2005.06.001.
  17. José Ignacio Canudo, José L. Barco, Diego Castanera, Fidel Torcida Fernández-Baldor: New record of a sauropod in the Jurassic–Cretaceous transition of the Iberian Peninsular (Spain): palaeobiogeographical implications. In: Paläontologische Zeitschrift. Bd. 84, Nr. 3, 2010, ISSN 0031-0220, S. 427–435, doi:10.1007/s12542-010-0057-x.
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