Diptam-Dost

Der Diptam-Dost (Origanum dictamnus), auch Kretischer Diptam (früher lateinisch Dictamnus creticus), Dittam, Diktam oder Diktamnos genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Dost (Origanum) in der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Auf Griechisch wird er „Δίκταμο“ (Díktamo, Katharevousa: Díktamon), im kretischen Dialekt „Έρωντας“ (Érontas, „Liebe“) genannt. Der Diptam-Dost ist mit dem auch in Mitteleuropa verbreiteten Oregano oder Dost (Origanum vulgare) verwandt.

Diptam-Dost

Diptam-Dost (Origanum dictamnus)

Systematik
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie: Nepetoideae
Gattung: Dost (Origanum)
Art: Diptam-Dost
Wissenschaftlicher Name
Origanum dictamnus
L.
Blätter
Blütenstand

Beschreibung

Der aromatische Zwergstrauch kann bis 40 cm hoch werden und blüht von April bis Juni rosa bis violett-rot oder purpur. Die Äste sind oberseits dicht behaart. Die gegenständigen, fast sitzenden bis kurz gestielten Laubblätter sind ganz jung rötlich, später grün und von einem pelzigen, wolligen Flaum überzogen. Die rundlichen bis eiförmigen oder leicht herzförmigen und drüsigen Blätter sind bis 2,8 Zentimeter groß. Sie sind ganzrandig und stumpf bis abgerundet und die Blattränder sind leicht umgerollt.

Es werden kurze und traubige Blütenstände mit zweiblütigen Scheinquirlen und purpurnen, membranösen, dachigen Tragblättern gebildet. Die fast sitzernden, fünfzähligen Blüten sind zwittrig mit doppelter Blütenhülle. Der fast kahle, becherförmige Kelch ist schräg einlippig, mit verwachsener Lippe oder mit schwacher zweiter Lippe und die Krone mit schlanker Kronröhre ist zweilippig sowie am Schlund leicht bauchig. Die didynamischen Staubblätter und der Griffel mit zweilappiger Narbe sind vorstehend. Es ist ein Diskus vorhanden.

Es werden Klausenfrüchte gebildet.

Verbreitung und Standort

Der Diptam-Dost wächst endemisch auf der griechischen Mittelmeerinsel Kreta. Die Wuchsorte verteilen sich über die Kalkgebiete der ganzen Insel mit einer Häufung im Westteil.[1][2] Die Pflanze gedeiht an Kalkfelswänden, in Felsspalten, auf Schotter und am Grund der Schluchten von Meereshöhe bis 1900 m[3][2] und steht meist in Schattlagen.[2]

Gefährdung und Schutzmaßnahmen

Die IUCN listet diese Art als (Near Threatened) potenziell gefährdet ein. Die Gründe dafür sind übermäßige Sammlung der Wildbestände zur Verwendung als Arznei. Zum Schutz der Bestände wird diese Art in Kultur gezogen.[4]

Taxonomie und Etymologie

Der Diptam-Dost wurde 1753 von Carl von Linné in Species Plantarum erstveröffentlicht.[5]

Der Name der Pflanze leitet sich vermutlich aus den griechischen Wörtern „Dikti“ und „thamnos“ ab, also Strauch oder Busch, der im/am Diktigebirge wächst. Der latinisierte Name Dictamnus wurde von Linné auch für den Diptam aus der Familie der Rautengewächse verwendet.

Verwendung

Diktam gilt als ein Universal-Heilkraut. Aufgüsse von Diktam sollen die Wundheilung fördern, Tee von Diktam Verdauungsprobleme lindern. Die griechischen Ärzte der Antike glaubten, dass Diktam alle Krankheiten heilen könne. Das Kraut wurde auch als „Artemideion“ bezeichnet, was auf die Göttin der Geburt und des neuen Lebens Artemis zurückzuführen ist. Aufgüsse von Diktam in Wasser oder Wein sollten die Geburt erleichtern.

Geruch und Geschmack sind kräftig und dem Wilden Majoran ähnlich. Diktam und seine Mischungen mit anderen Kräutern wie dem Syrischen Gliedkraut und dem Griechischen Salbei sind heute überall auf der Insel Kreta erhältlich („Kretischer Bergtee“) und werden exportiert.

Abbildung zum Kapitel »Diptanum« im Pseudo-Apuleius (4. Jh.). Manuskript des 13. Jh. (Cod. Vindobonensis 93, Blatt 70r)

Da der natürliche Bestand trotz Naturschutzmaßnahmen sinkt (die Pflanze wird im hauptsächlichen Vorkommensgebiet im Verwaltungsbezirk Chania wegen seltener und schwieriger Kontrollen immer noch gesammelt) und die Nachfrage aus dem Rest Europas steigt, wird Diktam mittlerweile auch kultiviert. So gibt es in der Nähe von Ano Viannos Felder, auf denen das rosa bis kräftig violett blühende Kraut angebaut wird. Auch in einigen Klöstern der Insel Kreta und in manchen Gärten[2] wird die Pflanze als Heilkraut kultiviert. Gesammelt wird das Kraut kurz vor der Blüte im Mai bis Juni.

Mythos

Im 1. Jahrhundert berichteten Dioskurides und Plinius, dass wilde Ziegen und Hirsche auf Kreta,[6] die von dem Pfeil eines Jägers getroffen wurden, sofort zu einer Stelle liefen, an der dieses Kraut wuchs, um davon zu fressen. Sogleich falle der Pfeil aus dem verletzten Tier heraus und die Wunde schließe sich.[7][8] Dasselbe schrieb auch Claudius Aelianus.[9] Diese Angabe wurde im 4. Jh. vom Autor des Pseudo-Apuleius übernommen.[10][11]

In Vergils Aeneis heilt Venus den trojanischen Helden Aeneas mit Diktam.[12]

Literatur

  • Friedrich Gottlob Hayne (Hrsg.): Getreue Darstellung und Beschreibung der in der Arzneykunde gebräuchlichen Gewächse. Achter Band, 1822, Nr. 6.
  • The European Garden Flora. Volume VI, Part IV, Cambridge Univ. Press, 2000, ISBN 0-521-42097-0, S. 217.
  • Robert P. Adams: Identification of essential oil components by Gas Chromatography/ Quadrupole Mass Spectroscopy. 3. Auflage. Allured Publishing Corporation, Carol Springs, Illinois 2001, ISBN 0-931710-85-5.
  • Hellmut Baumann: Die griechische Pflanzenwelt in Mythos, Kunst und Literatur. Hirmer, München 1982, ISBN 3-7774-3370-5.
  • A. M. Bosabalidis: Morphometric evaluation of inclusion body-containing leucoplasts in leaf epidermal cells of Origanum dictamnus L. In: Botanica Helvetica. Band 97, Nr. 2, 1987, S. 315–322, doi:10.5169/seals-67875.
  • Maria Couladis, Olga Tzakou, Evmorfia Verykokidou, Catherine Harvala: Screening of some Greek aromatic plants for antioxidant activity. In: Phytotherapy Research. Band 17, Nr. 2, 2003, S. 194–195, doi: 10.1002/ptr.1261.
  • Costas Economakis, Costas Demetzos, Thalia Anastassaki, Veronika Papazoglou, Maria Gazouli, Angyris Loukis, Costas A. Thanos, Caterina Harvala: Volatile constituents of bracts and leaves of wild and cultivated Origanum dictamnus. In: Planta Medica. Band 65, Nr. 2, 1999, S. 189–191, doi: 10.1055/s-2006-960466.
  • Jan Hendrik Ietswaart: A Taxonomic Revision of the Genus Origanum (Labiatae) (= Leiden Botanical Series. Band 4). Ph.D. Thesis, Leiden University, The Hague 1980, ISBN 90-6021-464-1.
  • S. Katsiotis, G. N. Oikonomou: Vergleichende Untersuchung verschiedener wildwachsender und in Kreta angebauter Muster von Origanum dictamnus L. In: Scientia Pharmaceutica. Band 54, 1986, S. 49–52 (PDF-Datei).
  • Pizurki H. Mangay-Maglacas: The Traditional Birth Attendant in Seven Countries (=Public health papers. Band 75), World Health Organization, Genf 1981, ISBN 92-4-130075-2.
  • Gerhard Schaden, Carmen Hesse: Über das ätherische Öl des Kretischen Dictams. In: Monatshefte für Chemie. Band 107, Nr. 4, 1976, S. 929–931, doi: 10.1007/BF00904479.[4]

Einzelnachweise

  1. Oliver Rackham, Jennifer Moody: The making of the Cretan landscape. Manchester University Press, Manchester, New York 1996, ISBN 0-7190-3647-X, S. 56 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Nicholas J. Turland, Lance Chilton, J. Robert Press: Flora of the Cretan Area. Annotated Checklist and Atlas. The Natural History Museum and HMSO, London 1993, ISBN 0-11-310043-4, S. 97, 287 (englisch).
  3. Ralf Jahn, Peter Schönfelder: Exkursionsflora für Kreta. Mit Beiträgen von Alfred Mayer und Martin Scheuerer. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1995, ISBN 3-8001-3478-0, S. 266.
  4. Origanum dictamnus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2013.2. Eingestellt von: Penilopi Delipetrou & Iannis Bazos, 2011. Abgerufen am 15. Mai 2014.
  5. Carl von Linné: Species Plantarum. Band 2, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 589 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A669%26volume%3D2%26issue%3D%26spage%3D589%26date%3D1753~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  6. Vgl. Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 141 und 152 (Pulegium cervinum bzw. Dictamnus creticus = Diptam-Dosten).
  7. Dioskurides, 1. Jh., De materia medica, Buch III, Kapitel 34 (Berendes 1902, S. 284) Ub Uni Düsseldorf
  8. Plinius, 1. Jh., Naturalis historia, Buch XXV, § 92-94 (Kapitel LII-LIII). Latein Online-Ausgabe Chicago
  9. Claudius Aelianus: Vermischte Nachrichten. Band 1, 1839, S. 19.
  10. Pseudo-Apuleius, 4. Jh. (Erstdruck Rom 1481, Kapitel 64) BZB München
  11. Kai Brodersen. Apuleius, Heilkräuterbuch / Herbarius, lateinisch und deutsch. Marix, Wiesbaden 2015, S. 211: Konkordanz zu Plinius Naturalis Historia: 62.3~8.97; 62.3~25.92
  12. Vergil, Aeneis Buch XII, 411-419.

Weiterführende Literatur

Commons: Diptam-Dost (Origanum dictamnus) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  • Thomas Meyer, Michael Hassler: Mittelmeer- und Alpenflora.
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