Dietrich Hahn

Johannes Dietrich Hahn (* 14. April 1946 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Publizist.

Biographie

Er ist der einzige Sohn des Kunsthistorikers und Architekturforschers Hanno Hahn und dessen Frau Ilse Hahn, geb. Pletz, und einziger Enkel des Kernchemikers und Nobelpreisträgers Otto Hahn. Seine Kindheit und Jugend verlebte er in Frankfurt-Berkersheim und – bis 1960 – in Rom (Italien), wo er die Deutsche Schule besuchte. Nach dem frühen Unfalltod seiner Eltern – er war damals 14 – besuchte er mehrere Landschulheime, zuletzt das Internat Schule Schloss Stein an der Traun nahe Seebruck am Chiemsee. Ab 1968 studierte er Darstellende Kunst an der Staatlichen Hochschule für Musik (Abt. IX, Max-Reinhardt-Schule für Schauspiel) (heute Universität der Künste) und bei Professor Marlise Ludwig in Berlin. 1972 begann seine Theaterarbeit an deutschen Bühnen, die, unter anderem, durch seine Mitwirkung an mehreren Erst- und Uraufführungen geprägt war (u. a. Trianà, Eisendle, Taylor, Ibsen, Gorki). Bereits damals erwuchs sein Interesse an Wissenschaftsgeschichte, insbesondere des 20. Jahrhunderts, und er beschäftigte sich als Autodidakt vor allem intensiv mit Leben und Werk seines Großvaters Otto Hahn und dessen Kollegin Lise Meitner, die seine Patentante war. Er sieht diese Arbeit als ein Vermächtnis und empfindet eine besondere Verantwortung, die historischen wissenschaftlichen Leistungen von Otto Hahn und Lise Meitner so authentisch wie möglich zu dokumentieren und für zukünftige Generationen zu bewahren.

Bei seinem letzten Besuch in Cambridge im Juli 1965 sagte Lise Meitner zu ihm: „Über deinen lieben Grossvater kann man gar nicht genug schwärmen, alle lieben ihn, alle verehren ihn, und ich ganz besonders. Bist du dir im Klaren, was es heißt, sein Enkel zu sein? Es ist ein Geschenk Gottes. Hast du das überhaupt verdient, Burscherl?“[1]

Seit 1975 publizierte er zahlreiche Bücher und Beiträge, vornehmlich über Otto Hahn, Lise Meitner und Walther Gerlach für Presse, Hörfunk und Fernsehen. 1975 gab er im Econ Verlag den historischen Briefwechsel zwischen Otto Hahn und Lise Meitner (November 1938 bis März 1939) heraus, zu dem Karl-Erik Zimen, der Gründungsdirektor des Hahn-Meitner-Instituts in Berlin, das Vorwort schrieb. 1979 erschien im List Verlag München Dietrich Hahns bisheriges Hauptwerk, eine großformatige 'Biographie in Bildern und Dokumenten' anlässlich des 100. Geburtstages von Otto Hahn, mit über 700 kommentierten Reproduktionen und Faksimiles historischer Originaldokumente. „Einzigartig in unserer Literatur“, wie sie seinerzeit Professor Walther Gerlach bewertete, während Friedrich Herneck, Wissenschaftshistoriker der Humboldt-Universität der Meinung war: „Nach meiner Kenntnis gibt es eine vergleichbar ausführliche Darstellung für keinen anderen Naturforscher, auch nicht für Einstein.“[2] Und Hermann Rudolph rezensierte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:[3]

„Der Gehalt einer Epoche, ihre lauten und stillen Revolutionen: worin sind sie wirklich erkennbar? In einem Leben, das sich in den Brennpunkten der Zeit, auf der Höhenlinie ihrer spektakulären Ereignisse bewegt hat? Oder in einem Leben wie dem Otto Hahns, des Entdeckers der Kernspaltung? Der von seinem Enkel Dietrich Hahn zusammengetragene und herausgegebene Bild- und Dokumentarband hat sein Verdienst darin, dass er der privaten Spur dieses Lebens genauso aufmerksam und unermüdlich folgt wie der Bahn, die es erst in der wissenschaftlichen und dann in der politischen Öffentlichkeit gezogen hat. Denn dieses Leben war seinem ganzen Zuschnitt nach ruhig, normal, bürgerlich, insofern ganz undramatisch mit seinen Erfolgsstationen. […] Und doch ist es dieses Leben, das den Punkt aufgespürt hat, von dem aus die gesamte moderne Zivilisation unter neue, umstürzende Bedingungen geraten ist. Indem das Buch beides vergegenwärtigt, die bürgerlich unauffällige und die spektakuläre Seite dieses Lebens, legt es einen ebenso instruktiven wie originellen wie – auch dies – bewegenden Schnitt in die Geschichts- und Ereignislandschaft unseres Jahrhunderts.“

1987 in München, nach Anregung von Hermann Josef Abs in einer Filiale der Deutschen Bank, und 1998 im Stettiner Schloss in Szczecin (Polen) gestaltete Hahn umfangreiche Ausstellungen ausgewählter Aquarelle, Gemälde und Zeichnungen seiner Großmutter, der Malerin Edith Junghans (1887–1968), und 1990 in der Bibliotheca Hertziana in Rom eine Gedenkausstellung anlässlich des 30. Todestages seiner Eltern und der erstmaligen Verleihung des Hanno-und-Ilse-Hahn-Preises.

Seit 1976 ist Hahn persönlich förderndes Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und des Deutschen Museums in München, ferner aktives Mitglied in verschiedenen Natur- und Tierschutz-Organisationen, wo er sich insbesondere für PETA und SHAC engagiert; 2014 wurde er zudem Mitglied der britischen RSPCA. Von 1982 bis 2012 gehörte er dem Bayerischen Journalisten Verband (BJV) in München an, seitdem ist er Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes (DFJV) in Berlin und der British Science Association in London.

1981 war er der einzige deutsche Teilnehmer der zweimonatigen Antarktis-Expedition der National Science Foundation und des Smithsonian Institute in Washington, D.C. (Umrundung der Antarktis und Besuch zahlreicher Forschungsstationen, u. a. Palmer, Esperanza, Arctowski, Halley, McMurdo, Scott Base, Dumont d’Urville, Macquarie und der historischen Hütten von Shackleton und Scott am Cape Royds, Hut Point und Cape Evans).

1983 erhielt er von der neuseeländischen Regierung in Wellington die offizielle Bestätigung als permanent resident of New Zealand, was ihm seine Mitarbeit an einem Verlag in Picton (Queen Charlotte Sound) wesentlich erleichterte. 1987 war er an Bord der Viermastbark S.Y. Sea Cloud auf ihrer Jungfernreise im Süd-Pazifik auf der Route von William Bligh 1788 in west-östlicher Richtung über Fidschi (Viti Levu), Tongatapu, Samoa, Niue, Aitutaki, Mitiaro, Maupihaa, Maupiti, Bora Bora, Raiatea, Moorea nach Tahiti. Seine Eindrücke und Erlebnisse auf dieser Reise hatte er in einer Art Tagebuch von etwa 80 losen Blättern zusammengefasst, die, zusammen mit einer Sammlung von ca. 1.200 Kleinbild-Diapositiven, bei seinem letzten Umzug von Deutschland nach Thailand verloren gingen.

1995 wandte er sich in einer weithin beachteten Protestaktion gegen die von Präsident Jacques Chirac angekündigten französischen Atombombentests im Mururoa-Atoll (Polynesien), indem er das 1959 Otto Hahn von Präsident Charles de Gaulle verliehene Ordenskreuz der Ehrenlegion samt Urkunde zusammen mit einer vierseitigen Protestnote an Chirac zurückgab. 1998 wurde er Mitglied des Kuratoriums Otto-Hahn-Friedensmedaille des LV Berlin-Brandenburg der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), und – seit Anfang 2013 – auswärtiges Mitglied der New York Academy of Sciences.

Von 2004 bis 2010 war er Teilnehmer aller maiden voyages der RMS Queen Mary 2 über den Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozean und wurde Mitglied des Cunard World Clubs in Southampton. Eine Einladung zu einer mehrwöchigen Exkursion auf dem Atomschiff NS Otto Hahn Ende der 1970er Jahre nach Brasilien und Südafrika hatte er dagegen absagen müssen, da er durch seine damalige Theaterarbeit zeitlich verhindert war.

Vor einigen Jahren begann er, verstärkt die Öffentlichkeit über Hintergründe und Sachverhalte des Wirkens von Otto Hahn und Lise Meitner aufzuklären, Lesungen zu veranstalten (z. B. des historischen Hahn-Meitner-Briefwechsels 1938/39), u. a. zusammen mit Marlen Diekhoff, Carola Regnier, Christa Berndl, und Vorträge zu halten (Themenschwerpunkt: Otto Hahn: ein Leben für Wissenschaft, Menschlichkeit und Frieden), u. a. in Albstadt (Maschenmuseum), Bad Camberg (Festival der leisen Töne), Berlin (Akademie der Wissenschaften), Hamburg (Aby-Warburg-Bibliothek), Saarbrücken (Union Stiftung), ferner in zahlreichen Gymnasien, Schulen und Berufsbildungszentren.

Im Oktober 2013 besuchte er auf Einladung von Tadatoshi Akiba erstmals die Stadt Hiroshima und den Itsukushima-Schrein auf Miyajima und hielt an der Universität Hiroshima zwei vielbeachtete Vorträge über Otto Hahns Leben und Wirken, insbesondere über dessen friedenspolitische Aktivitäten seit den Abwürfen der US-amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945. Ferner besuchte er die Atombombenkuppel und das Friedensmuseum Hiroshima und legte, auch stellvertretend für seinen Großvater, am Kenotaph im Friedenspark einen Kranz nieder und gedachte der Opfer und der Hibakusha. Bei einem Treffen mit Hiroshimas Bürgermeister Kazumi Matsui bezeichnete dieser Otto Hahn als champion of peace und würdigte dessen pazifistisches Engagement als „lehrreich, zukunftsweisend und vorbildhaft für nachfolgende Generationen“.

Anlässlich des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg 1914–1918 hielt Dietrich Hahn im September 2015 einen Vortrag im Käthe-Kollwitz-Museum in Berlin, der die Wandlung Otto Hahns vom kaiserlich-wilhelminischen Kriegsteilnehmer zum entschlossenen Humanisten und Kämpfer für globale atomare Abrüstung, Frieden und internationale Entspannungspolitik hervorhob. Titel: Otto Hahn – Vom Gasoffizier 1915 zum aktiven Pazifisten nach Hiroshima 1945.

Im Dezember 2015 wurde er von der katholischen Saint Louis University in Baguio (Philippinen) eingeladen einen zweiteiligen Festvortrag über seinen Großvater zu halten (Titel: Otto Hahn – A Life for Science, Humanity and Peace) und der erneuten Einweihung des Otto Hahn Buildings (eröffnet 1970, als Fakultät für Architektur und Ingenieurwissenschaften) auf dem Universitätscampus beizuwohnen. Außerdem nahm er an der Enthüllung einer Erinnerungstafel teil, die ihm zu Ehren unter einem Porträt Otto Hahns angebracht wurde.

Dietrich Hahn ist zweimal geschieden und seit 1986 aus ethischen Gründen Vegetarier. Am 18. Oktober 2012 heiratete er im Ritus des Theravada-Buddhismus in Samut Sakhon die 34-jährige Siamesin Khun Vipaphon Chaisutthi Suphatipp Patcharapan. Er lebt mit seiner Frau nahe Bangkok in Thailand.

Veröffentlichungen (Auswahl)

Monografie

  • (mit Walther Gerlach) Otto Hahn – Ein Forscherleben unserer Zeit. (Große Naturforscher, Band 45). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1984, ISBN 3-8047-0757-2.

Beiträge

  • Otto Hahn und Fritz Straßmann. In: Physikalische Blätter, 37 (1981), S. 44–46.
  • Geleitwort zur Festschrift 30 Jahre Lise-Meitner-Schule OSZ Berlin. Weka Info-Verlag, Mering 2009.
  • Vorwort zu Volker Lässing: Den Teufel holt keiner! Otto Hahn und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Tailfingen. CM-Verlag, Albstadt 2010, ISBN 978-3-939219-00-2.
  • Geleitwort zur Festschrift Otto Hahn Schule Jenfeld. Hamburg 2012.

Als Herausgeber

  • Otto Hahn. Erlebnisse und Erkenntnisse. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Karl-Erik Zimen. Econ Verlag, Düsseldorf/Wien 1975, ISBN 3-430-13732-2.
  • Otto Hahn. Begründer des Atomzeitalters. Eine Biographie in Bildern und Dokumenten. Mit einem Geleitwort von Reimar Lüst, einem Vorwort von Paul Matussek und einer Einführung von Walther Gerlach. List Verlag, München 1979, ISBN 3-471-77841-1.
  • Otto Hahn in der Kritik. Moos Verlag, München 1981, ISBN 3-7879-0198-1
  • Otto Hahn: Mein Leben. Die Erinnerungen des großen Atomforschers und Humanisten. Erweiterte Neuausgabe. Piper Verlag, München/Zürich 1986, ISBN 3-492-00838-0.
  • Otto Hahn. Leben und Werk in Texten und Bildern. Mit einem Vorwort von Carl Friedrich von Weizsäcker. Insel-Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32789-4.
  • Otto Hahn: Vom Radiothor zur Uranspaltung. Erweiterte Neuausgabe. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Kurt Starke, Marburg. Vieweg Verlag, Braunschweig/Wiesbaden 1989, ISBN 3-528-08413-8.
  • Lise Meitner: Erinnerungen an Otto Hahn. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7776-1380-0.

Ehrungen

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Lise Meitner: Erinnerungen an Otto Hahn. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7776-1380-0, S. X.
  2. Friedrich Herneck, 19. Juni 1979. In: Otto Hahn in der Kritik. Moos Verlag, München 1981. S. 100. ISBN 3-7879-0198-1.
  3. Hermann Rudolph: Rezension von Dietrich Hahn (Hrsg.): Otto Hahn – Begründer des Atomzeitalters. Eine Biographie in Bildern und Dokumenten. List, München 1979. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Oktober 1979.
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