Die verhängnisvollen Eier

Die verhängnisvollen Eier, auch Die verfluchten Eier, Das Verhängnis (russisch Роковые яйца, Rokowyje jaiza), ist eine phantastische Groteske[1] des sowjetischen Schriftstellers Michail Bulgakow, die – in Moskau geschrieben[2] – 1925 im Heft 6 der Nedra erschien. Die Moskauer Verlagsgenossenschaft desselben Namens[3] brachte den Text ebenfalls 1925 in Buchform innerhalb der Sammlung Teufeliaden[4] heraus.

Inhalt

Aus der Sicht des Publikationsjahres 1925 spielt die utopische bzw. dystopische Handlung in der Zukunft; genauer vom 16. April 1928 bis zum Frühjahr 1929 in der Sowjetunion zwischen Moskau und Smolensk. Die Satire zeichnet ein Bild der kommunistischen Verwaltung, die nach den Wirren der Revolution das ganze Leben der Menschen beherrscht und Unheil anrichtet, ohne doch deren tiefsitzende Ängste bändigen zu können.

Der 58-jährige Zoologe Professor Wladimir Ipatjewitsch Persikow von der IV. Universität wird in Moskau von seiner Wirtschafterin Marja bemuttert. 1919 wurden ihnen drei von fünf Zimmern weggenommen. In jenem schlimmen Jahr muss Marja im Winter mit vergoldeten Stühlen heizen. 1923 hält Persikow erneut Vorlesungen. 1925 lässt er bereits wieder dutzende Studenten durch die Prüfung rasseln. Anfang Juni desselben Jahres findet der Professor den roten Strahl des Lebens und verstärkt ihn dank einer Sendung deutscher Präzisionslinsen, bestellt vom Volkskommissariat für Volksbildung: Bestrahlung von Froscheiern wirkt Wunder, es entstehen rasend schnell riesengroße Frösche, die sich gegenseitig auffressen. Die Iswestija stellt neugierige Fragen nach den unglaublich großen Tieren. Welche Möglichkeit zur Tierzucht! Die Presse jubelt, der Professor wiegelt ab. Die GPU spricht bei ihm vor.

Eine grausige Hühnerkrankheit sucht Russland heim und rafft binnen weniger Tage alle Hühner dahin. Professor Persikow – er ist kein Ornithologe – wird gegen seinen Willen Mitglied der Außerordentlichen Kommission zum Kampf gegen die Hühnerpest. Als diese in Außerordentliche Kommission zur Wiederbelebung und Anhebung der Hühnerzucht in der Republik umbenannt wird, erscheint im August 1928 Alexander Semjonowitsch Schreck (im russischen Original Rokk), neuer Leiter des Mustersowchos Roter Strahl, und lässt die drei großen Gehäuse zur Erzeugung des roten Strahls in seinen Sowchos nach Konzowka in die Smolensker Gegend abtransportieren. Dort bestrahlt er in den Gehäusen eine Sendung Eier aus Deutschland, um die Hühnerzucht wieder in Gang zu bringen. Als Schreck mit seiner Frau Manja baden gehen will, wird letztere von einer plötzlich hervorbrechenden zehn Meter langen Schlange, dick wie ein Mensch, verschlungen. Schreck flieht durch die Nacht und sucht Hilfe. Zwei GPU-Agenten, ausgeschickt zur Bekämpfung des Ungeheuers, werden in Konzowka von dort nie gesehenen Riesenschlangen und Krokodilen attackiert und umgebracht. In der Smolensker Gegend taucht ein Strauß auf.

Professor Persikow ist über eine Sendung Hühnereier aus Deutschland verärgert. Als sein Assistent, Privatdozent Iwanow, das Extrablatt mit den Fotos aus Konzowka vorweist, erkennt der Professor eine Wasserboa. Mit der Zeit dämmert es ihnen: Die Eiersendungen aus Deutschland wurden vertauscht; Schreck hat aus den für Persikow bestimmten Eiern mit dem roten Strahl riesige aggressive Schlangen, Krokodile und Strauße gezüchtet, die sich unglaublich schnell vermehren. Die Reptilien dringen aus Richtung Smolensk gegen Moskau vor; Militär wird gegen sie eingesetzt, Waldbrände können sie nicht stoppen. Persikow wird in seinem Institut vom wütenden Mob erschlagen. In der Nacht zum 20. August 1928 lässt dann eine zweitägige Kälte von minus 18° die Reptilien und deren Eier erfrieren.

Im Frühjahr 1929 sind in Moskau die Ereignisse vom letzten Sommer vergessen. Persikows Nachfolger Iwanow will den roten Strahl wieder erzeugen. Es gelingt ihm nicht, weil er eben kein Persikow ist; dessen Name gerät in Vergessenheit.

Adaptionen

Theater

Verfilmungen

  • Italien
  • Russland
    • TV-Film von Pawel Romanowitsch Resnikow[8][9]
    • 1992 Verfilmung 1992 bei YouTube (90 min, russisch)
    • 1995 Verfilmung 1995 bei YouTube (117 min, russisch)
    • 2003 Choroscho sabytoje staroje[10]

Selbstzeugnis

  • Tagebuch vom 18. Oktober 1924: „Das Ende taugt nicht viel, ich habe es in aller Eile geschrieben.“[11]

Rezeption

  • Gorki schreibt am 31. März 1925 an Michail Slonimski, der Text habe ihn sehr gefallen, doch der Schluss sei schlecht gemacht. Jenen General Winter, der Napoleon 1812 stoppte, empfindet Gorki 1925 als Mittel gegen die Schlangenplage unangebracht.[12] Die Schlangeninvasion lege eine Parallele zur Höllenfahrt Fausts nahe.[13]
  • Die Groteske sei eine Parodie auf Ilja Ehrenburgs 1923 erschienenen Roman Trust D. E. Die Geschichte der Zerstörung Europas.[14]
  • Ralf Schröder schreibt im März 1994[15], der Zoologieprofessor Persikow sei ein Genie – mit Gorki gesprochen – ein Kind der Sonne. Der Professor habe so seine Bedenken. Er will den Roten Strahl noch nicht zur Nutzung freigeben. Aber der Eintagsrevolutionär Schreck, im Sowchos „Roter Strahl“ auf dem falschen Posten, reiße ihm die Entdeckung aus der Hand und die Katastrophe kann kaum aufgehalten werden. Persikow müsse sich allerdings dem Politbüro fügen. Der russische Faust[16] Prof. Persikow fände einen Roten Strahl höllischen Ursprungs, denn bei Tageslicht ist die Erscheinung unsichtbar. Dementsprechend sei Persikows Assistent Iwanow für Bulgakow der Mephisto. Ralf Schröder will in Persikow Lenin und in Iwanow Trotzki erkennen. Iwanow-Trotzki bemühe sich nach Lenin-Persikows Tode vergeblich um die Erneuerung der Sowjetunion. Der Text sei als Warnutopie gemeint. Darin gehe es um die Frage: Welche ausländische Intervention könnte die Sowjetunion in die nächste Höllenfahrt nach 1917 schicken?
  • Der Gedanke, Lenin könnte bei Bulgakow Vorbild für die Gestalt Prof. Persikows gewesen sein, tritt auch in Boris Sokolows Buch Michail Bulgakow – Geheimnisse der Kreativität[17] auf. Allerdings nimmt Sokolow zum Vorbild Lenin noch das Vorbild Alexander Gurwitsch hinzu.[18]

Deutschsprachige Ausgaben

  • Meistererzählungen. Aus dem Russischen übertragen von Aggy Jais (Das Verhängnis. Haus Nr. 13. Teufelsspuk. Tschitschikows Abenteuer). Goldmann, München 1979, ISBN 3-442-07030-9
  • Die verfluchten Eier. Roman. Aus dem Russischen übertragen, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Alexander Nitzberg. Verlag Galiani, Berlin 2014, ISBN 978-3-86971-092-1

Verwendete Ausgabe:

  • Die verhängnisvollen Eier. Aus dem Russischen von Thomas Reschke. S. 95–184 in Ralf Schröder (Hrsg.): Bulgakow: Teufeliaden. Erzählungen. Volk & Welt, Berlin 1994, ISBN 3-353-00945-0 (= Bd. 6: Gesammelte Werke (13 Bde.))

Belege

  1. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 335, 15. Z.v.o.
  2. 6. März 2006, Antonia Häfner im Seminar von Gertrud Maria Rösch, Uni Heidelberg: Hundeherz, S. 10
  3. russ. Недра - Der Schoß
  4. russ. ДьяволиадаDjawolijada
  5. russ. Сфера
  6. russ. Московский драматический театр имени М. Н. Ермоловой
  7. ital. Uova fatali
  8. russ. Павел Романович Резников
  9. russ. TV-Film (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tvmuseum.ru 4. Absatz
  10. russ. Хорошо забытое старое
  11. Bulgakow, zitiert bei Ralf Schröder in der Literaturgeschichtlichen Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 338, 1. Z.v.o.
  12. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 337 unten
  13. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 352 unten
  14. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 340 Mitte
  15. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 313–352
  16. Faust sagt: „Es zucken rote Strahlen“
  17. russ. Соколов Б. В. Михаил Булгаков: загадки творчества. М.: Вагриус, 2008. ISBN 978-5-9697-0626-2
  18. russ. Роковые яйца
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