The Seven Vagabonds

The Seven Vagabonds, deutsch Die sieben Vagabunden, ist eine 1832 erschienene Erzählung des amerikanischen Schriftstellers Nathaniel Hawthorne.

Ihr Ich-Erzähler, ein junger Wanderer, wird von einem Sommerregen überrascht und sucht im Wohnwagen eines Puppenspielers Zuflucht. Nach und nach gesellen sich noch ein Kartenleger, ein Zigeunermädchen, und anderes fahrendes Volk zu ihnen. Der Erzähler ist von dieser Gesellschaft sehr angetan und will sich ihr als wandernder Geschichtenerzähler anschließen, doch nach nur kurzer Zeit gehen alle sieben „Vagabunden“ wieder ihrer Wege. The Seven Vagabonds war vermutlich ursprünglich nicht als eigenständiges Werk konzipiert, sondern Teil der Rahmengeschichte eines geplanten Erzählzyklus, den Hawthorne aber schließlich nicht fortführte. Im Kanon der Erzählungen Hawthornes nimmt The Seven Vagbonds eine Randstellung ein und ist bisher nur von wenigen Literaturwissenschaftlern mit einer eingehenden Analyse bedacht worden. Michael J. Colacurcio meldete 1984 ein Forschungsdesiderat an, die Geschichte sei bislang „unterinterpretiert,“[1] Helmut Schwarztrauber bezeichnete sie 2000 als „im Allgemeinen und mit Hinblick auf die poetologische Substanz unterschätzt“.[2] Allen vorliegenden Arbeiten ist gemein, dass sie sich auf poetologische Aspekte konzentrieren, insbesondere auf die Konstruktion der Erzählerfigur und ihre Aussagen zum Wesen des Geschichtenerzählens. Oft wird sie zugleich als autobiographisches Dokument des von Selbstzweifeln geplagten angehenden Schriftstellers Nathaniel Hawthorne gelesen.[3]

Inhalt

Ich-Erzähler der Geschichte ist ein achtzehnjähriger Wanderer ohne bestimmtes Ziel. An einem Sommernachmittag (aber „im Frühling meines Lebens“[4]) gelangt er an eine Wegkreuzung. Geradeaus liegt Boston, linkerhand führt eine Straße zum Meer, rechterhand eine nach Stamford[5] und weiter nach Kanada. Er ist unentschlossen, welchen Weg er einschlagen soll, und als dunkle Wolken heraufziehen, sucht er erst einmal Zuflucht in einem seltsamen Gefährt am Wegesrand, der Schaubude eines fahrenden Puppenspielers. Für eine „kleine Silbermünze“ wird er eingelassen und mit einer kurzen, aber eindrucksvollen Vorstellung des Puppentheaters geehrt. Eine dritte Gestalt macht sich im Wagen bemerkbar, ein fliegender Buchhändler und zugleich Dichter, der eine Ecke des Wagens angemietet hat und dem jungen Wanderer sogleich einen Band seiner eigenen Werke andreht. Nach und nach füllt sich der Wagen mit immer mehr „Fahrenden,“ die ein trockenes Plätzchen suchen: ein Zigeuner mit einer Geige und einem Guckkasten, sein tanzendes Mädchen[6], ein Kartenleger sowie ein Indianer mit Pfeil und Bogen, der sich auf Jahrmärkten mit dem Zielschießen auf Münzen sein Brot verdient.

Jeder der „Vagabunden“ zeigt eine Kostprobe seines Könnens, und es stellt sich heraus, dass sie alle auf dem Weg zu einem camp meeting in Stamford sind (also zu einer der unter freiem Himmel veranstalteten Großveranstaltungen einer der verschiedenen Erweckungsbewegungen, die im frühen 19. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten oft tausende Gläubige anzogen); dort wollen sie am Rande des Geschehens für bezahlte Unterhaltung sorgen. Der Erzähler ist verzückt von seinen Weggefährten und will sich ihnen anschließen, diese fragen ihn jedoch, mit welcher Kunst er sein Auskommen zu verdienen gedenke. Er verkündet darauf, dass er sich als Geschichtenerzähler durchschlagen wolle, und beginnt auch gleich, in Gedanken eine Geschichte zu erfinden, schon weil er glaubt, seine Fähigkeit wohl schon bald unter Beweis stellen zu müssen.

Als der Regen aufhört, machen sich die sieben gemeinsam auf den Weg nach Stamford. Nach kurzer Wanderschaft kommt ihnen ein Methodistenprediger entgegen, der ihnen berichtet, dass das camp meeting abgebrochen worden sei. Die Gruppe hat somit ihr gemeinsames Ziel verloren und löst sich sogleich auf. Der Erzähler schließt sich dem Indianer an und macht sich mit ihm auf den Weg zur Küste.

Werkzusammenhang

The Seven Vagabonds erschien erstmals gegen Ende 1832 im literarischen Almanach The Token für das Jahr 1833; das Titelblatt des Bandes zeigt zwar das Jahr 1833 an, doch es ist sicher, dass er schon vor Weihnachten 1832 im Buchhandel erhältlich war. Wie alle seine Werke bis zum Erscheinen des ersten Bandes der Twice-Told Tales 1837 veröffentlichte Hawthorne auch diese Erzählung zunächst anonym; sie ist aber mit dem Hinweis versehen, dass sie vom selben Autor sei wie die im Jahrgang zuvor im Token erschienene Erzählung The Gentle Boy. 1842 nahm Hawthorne sie schließlich in den zweiten Band der Twice-Told Tales auf. Für diese Fassung letzter Hand strich er eine kurze Passage, in der das Zigeunermädchen eine Leiter hochsteigt und dabei mehr als bloß die Knöchel dem Blick preisgibt, was den Erzähler sichtlich in Verlegenheit bringt. Diese Streichung mag Hawthornes Verlobung mit Sophia Peabody 1839 geschuldet sein.[7]

Die thematische und narrative Anlage der Geschichte sowie Parallelen zu anderen Werken Hawthornes aus dieser Zeit lassen vermuten, dass sie ursprünglich nicht als eigenständiges Werk konzipiert war, sondern ein Teil, womöglich der Beginn, eines größeren geplanten Werkes war, das Hawthorne letztlich jedoch aufgab. Wahrscheinlich ist, dass sie Teil der Rahmenerzählung eines Erzählzyklus war, in die in sich abgeschlossene kurze Binnenerzählungen eingebettet waren. Eine solche Binnenerzählung mag sich unmittelbar an The Seven Vagabonds angeschlossen haben, denn der Ich-Erzähler bekundet gegen Ende der Erzählung, dass er eine Geschichte aushecke, die er aber schließlich doch nicht erzählt.[8]

Hawthorne hatte zuvor zum Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn bereits zwei Erzählzyklen verfasst, Seven Tales of My Native Land (um 1826–27) sowie Provincial Tales (um 1828–1830), jedoch für keinen der beiden einen Verleger gefunden. Er vernichtete schließlich die Manuskripte bis auf einige Einzelerzählungen, die er später, herausgelöst aus ihrem Werkzusammenhang, in verschiedenen Publikationen wie dem Token doch noch veröffentlichte. Ebenso erging es seiner nächsten Sammlung, deren Titel bekannt ist, wenn sie auch ebenso wenig veröffentlicht wurde wie die beiden zuvor und heute ebenfalls verloren ist, nämlich The Story Teller (fertiggestellt 1834). Es ist denkbar, aber schon wegen des Publikationsdatums unwahrscheinlich, dass The Seven Vagabonds Teil der endgültigen Fassung des Story Teller vorgesehen war. Alfred Weber zufolge könnte es sich zwar auch um eine bloße Vorstudie handeln, die nicht zwingend auf eine geplante Vollendung hinausweist, wahrscheinlicher ist aber, dass sie einen letztlich verworfenen „ersten Versuch“ des Story Teller darstellt.[9] Nelson F. Adkins vermutet, dass Hawthorne The Seven Vagabonds für die Einzelpublikation im Token nochmals redigierte und der Erzählung einen neuen Schluss gab.[10]

Jedenfalls weist sie auffällige thematische Überschneidungen zu einer Reihe von separat publizierten Texten Hawthornes aus dieser Zeit auf, namentlich zu der Erzählung The Canterbury Pilgrims (1832) und dem Beginn der Rahmenerzählung des Story Teller, die Hawthorne im November 1834 (ebenfalls anonym) als Passages from a Relinquished Work („Passagen aus einem aufgegebenen Werk“) veröffentlichte. In letzteren berichtet der Ich-Erzähler (genannt „Oberon,“ nach der Figur in Shakespeares Sommernachtstraum), dass ihm die Idee als Geschichtenerzähler sein Brot zu verdienen, gekommen sei, als er ein oder zwei Jahre zuvor vor einem Regenschauer in einer Schaubude Zuflucht gesucht habe, wo sich mehrere lustige „Vagabunden“ tummelten.[11] Auch der Erzähler des Story Teller fühlt sich also zum Geschichtenerzähler berufen, auch er findet auf seiner Reise bald Begleitung, wie der Erzähler von The Seven Vagabonds bezeichnet er seine Wanderung als „Pilgerfahrt“ (pilgrimage), und beide schicken sich an, die „Wunder der Welt“ (wonders of the world) zu entdecken.[12] Die letztlich ebenfalls im 1833er-Band des Token erschienene Erzählung The Canterbury Pilgrims hat gleichfalls einen jungen Ich-Erzähler, der zu sechs als „Pilger“ bezeichneten, zufälligen Weggefährten stößt. Das Wiederkehren der „magischen“ Zahl Sieben in beiden Geschichten deutet darauf hin, dass sie im ersten Entwurf des Story Teller eine ebenso große Bedeutung hatte wie wohl schon in den verlorenen Seven Tales of My Native Land.[13]

Deutungen

Literatur als Berufung und Beruf

Weber sieht in der Erzählerfigur den Prototyp des romantischen Träumers. Den Traum vom „freien Leben“ jenseits gesellschaftlicher Zwänge, wie ihn die Vagabunden und schließlich der Erzähler selbst verkörpern, findet in der deutschen Literatur eine zeitgenössische Entsprechung etwa in Eichendorffs Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts (1826).[14] Bei Hawthorne lassen sich aber auch einige spezifisch amerikanische Elemente ausmachen, insbesondere die Figur des Indianers, der als Sinnbild eines ursprünglichen, naturnahen Lebens abseits der Zivilisation geradezu ein Leitmotiv der amerikanischen Nationalromantik geworden ist, etwa in James Fenimore Coopers Lederstrumpf-Romanen (1827–1841).[15] Edwin S. Fusell etwa sieht in den bewundernden Beschreibung des Indianers in The Seven Vagabonds den freien Pioniergeist, mithin einen repräsentativen amerikanischen Heros dargestellt. Hawthornes Vorliebe für abgelegene Winkel Neuenglands wie die White Mountains oder eben die abgelegene Wegkreuzung in The Seven Vagabonds deutet er als Hawthornes Entsprechung oder Ersatz für den amerikanischen Mythos vom Westen, wenn nicht vom „Wilden Westen“.[16] Außerdem spielt Hawthorne auf die Segnungen der amerikanischen Demokratie an;[17] die Vagabunden bezeichnet er an einer Stelle als ein „Parlament“ der „freien Geister.“ Er selbst wird nach einer Art parlamentarischer Debatte vor allem auf Fürsprache der jungen Zigeunerin in diese Gesellschaft aufgenommen.

Der Entschluss des Erzählers, Geschichtenerzähler zu werden, ist zum einen der Konzeption der Geschichte als Rahmenhandlung eines Erzählzyklus geschuldet; diese Konstruktion hat eine weit über die Romantik zurückreichende Tradition – so nimmt sich der Erzähler, wie Luther S. Luedtke betont, die Geschichtenerzähler des Orients (Oriental travellers) zum Vorbild, was etwa an die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht denken lässt;[18] das Pilgermotiv und der Titel der verwandten Geschichte The Canterbury Pilgrims verweisen auf die Beschäftigung Hawthornes mit Chaucers Canterbury Tales (um 1390).[19] Zum anderen formuliert der Erzähler in seinem Beschluss eine Begründung des Erzählens an sich, eine romantische Poetologie. Als Qualifikation für das Erzählen als Beruf führt er Menschenkenntnis und Empathie an („Wenn es eine Fähigkeit gibt, die ich in vollendeterem Maße besitze als die meisten Menschen, dann ist es die, dass ich mich im Geiste in Lagen versetzen kann, die meiner eigenen fremd sind, und mit einem heiteren Auge deren Annehmlichkeiten erkenne“). Hinzu kommt die romantische Wanderlust und die Sehnsucht nach einem von den Zwängen des Alltags und der Gesellschaft unbeschwerten Lebens, und es geht dem Erzähler auf, dass dies wider Erwarten auch in seiner Heimat Neuengland möglich sein mag. Dieser Gedanke wird in einer visionsartigen Passage ausgesprochen, die Weber als „gedanklichen Schlüssel“ der Erzählung bezeichnet:[20]

I saw mankind, in this weary old age of the world, either enduring a sluggish existence amid the smoke and dust of cities, or, if they breathed a purer air, still lying down at night with no hope but to wear out to-morrow, and all the to-morrows which make up life, among the same dull scenes and in the same wretched toil, that had darkened the sunshine of to-day. But there were some, full of the primeval instinct, who preserved the freshness of youth to their latest years by the continual excitement of new objects, new pursuits, and new associates; and cared little, though their birth place might have been here in New England, if the grave should close over them in Central Asia.

„Ich sah die Menschheit in diesem mühseligen Greisenalter der Welt, wie sie sich entweder im Staub und Rauch der Städte dahinschleppte oder – selbst wenn sie eine reinere Luft atmete – sich immer noch abends mit keiner besseren Hoffnung niederlegte, als den Morgen zu überstehen, alle Morgen, die zusammen das Leben ausmachen, in der gleichen stumpfen Umgebung, der gleichen verzweifelten Plackerei, die schon das Sonnenlicht des heutigen Tages verfinsterte. Doch einige gab es, die aus der Fülle eines ursprünglichen Instinkts, sich die Frische der Jugend bis in die letzten Jahre bewahrten, durch die ständige Anregung neuer Gegenstände, neuer Ziele, neuer Gefährten, die sich, obwohl in Neu-England geboren, wenig darum kümmerten, wenn sich das Grab in Zentralasien über ihnen schließen sollte.“

Helmut Schwarztrauber lenkt das Augenmerk aber darauf, dass die Geschichte eine rückblickende Reflexion des Erzählers über sein jüngeres Ich ist, in der „das persönliche Problem der Lebensentscheidung als längst bewältigt erscheint.“[21] Der Erzähler gelangt letztlich gerade nicht nach Stamford, das Ziel, das für seinen utopischen Traum vom freien Vagabundenleben steht, sondern nach Boston, in die „ferne Stadt“. Das Ende kennzeichne mithin das „Erwachen aus einer schönen Illusion,“ die der bitteren Erkenntnis weicht, dass das freie Leben doch nur ein Traum ist und auch das Schriftstellerdasein einen Kompromiss mit der schnöden Realität erfordert.[22]

Wenn eine Gleichsetzung des Erzählers mit dem Autor gerade in der Hawthorne-Exegese höchst problematisch ist (hier hat sich für diese Problematik eigens der Terminus The Hawthorne Question etabliert), so nehmen doch zumindest im Falle von The Seven Vagabonds alle Kommentatoren auch autobiographische Bezüge an. Austin Warren etwa hält die Erzählung konkret für ein im Grunde realistisches „Memento“ einer Reise, die Hawthorne im Sommer 1830 unternahm, und stellt sie in eine Reihe nicht etwa mit anderen Erzählungen Hawthornes, sondern mit Passagen aus Hawthornes privaten Tage- und Notizbüchern.[23] Nina Baym sieht sie Ausdruck der Entfremdung von der Gesellschaft, die Hawthorne als angehender Schriftsteller empfunden haben mag.[24]

Literatur als Teufelswerk

Neuengland schien nicht nur Hawthorne aus mentalitäts- und geistesgeschichtlichen Gründen ein denkbar ungünstiger Ort, um eine literarische Karriere, zumal eine so romantische, zu beginnen. Die Puritaner, die das Land im 17. und 18. Jahrhundert besiedelten, standen der Kunst, besonders aber der Literatur skeptisch bis feindlich gegenüber, Ausnahmen wurden nur für religiöse Erbauungsliteratur (wie etwa Michael Wigglesworths The Day of Doom) gemacht. Die puritanische Fiktionsfeindlichkeit hatte komplexe theologische Gründe, sie galt nicht nur als nutzlos, sondern als im Grunde sündhaft, als Ablenkung von der Wahrheit der Heiligen Schrift, mithin als Götzendienst, wenn nicht sogar als Werk des Teufels, des „Vaters der Lüge“ (Joh 8,44 ). So lockt der Teufel im mit millionenfach nachgedruckten New England Primer (um 1690) einen Jüngling vielsagend mit dem Versprechen, ihn zu einem „Künstler“ teuflischer Tücken zu machen, wenn er ihm seine Seele verschreibe (If thou wilt but be ruled by me / An artist thou shalt quickly be) – diese Fibel hat nicht zufällig auch Hawthornes fliegender Buchhändler im Sortiment.[25] Der Entschluss des Erzählers, sich als wandernder Geschichtenerzähler durchzuschlagen, erscheint mithin als nichts geringeres denn als ein Pakt mit dem Teufel.[26] Der Kartenleger selbst behauptet von sich, mit dem Teufel vertraut zu sein, und hat, so bildet sich der Erzähler ein, dass er deswegen Gaben besitze, die durchaus auch einem Literaten nutzen mögen:

…so I fancied that he was fitted to pursue and take delight in his way of life, by possessing some of the mental and moral characteristics, the lighter and more comic ones, of the Devil in popular stories. Among them might be reckoned a love of deception for its own sake, a shrewd eye and keen relish for human weakness and ridiculous infirmity, and the talent of petty fraud […] And then what an inexhaustible field of enjoyment, both as enabling him to discern so much folly and achieve such quantities of minor mischief, was opened to his sneering spirit by his pretensions to prophetic knowledge. All this was a sort of happiness which I could conceive of, though I had little sympathy with it. Perhaps had I been then inclined to admit it, I might have found that the roving life was more proper to him than to either of his companions; for Satan, to whom I had compared the poor man, has delighted, ever since the time of Job, in "wandering up and down upon the earth"; …

„… so bildete ich mir ein, er würde bei seiner Lebensweise besonderen Gefallen daran finden, einige der geistigen und moralischen Charakteristika des Teufels in volkstümlichen Geschichten zu besitzen, und zwar eher die leichteren und komischen Züge. Hierzu möchte man die Vorliebe für Täuschung um ihrer selbst willen zählen, einen scharfen Blick und ein tiefgehendes Vergnügen an menschlichen Schwächen und lächerlichen Gebrechen […] Das alles war eine Art von Glück, die ich mir vorstellen konnte, auch wenn ich wenig Sympathie dafür hatte. Wenn ich damals geneigt gewesen wäre, das zuzugeben, so hätte ich vielleicht gefunden, dass das Wanderleben besser zu ihm passte als zu einem seiner Gefährten; denn Satan, mit dem ich den armen Mann verglichen habe, hat seit Hiobs Zeiten stets seine Lust daran gehabt, ‚auf und nieder zu wandeln auf Erden‘;“

Hier und schon im Titel der Erzählung klingt auch das alttestamentliche Kainsmotiv an, mit dem das Wort vagabond (Vagabund) im Englischen seit der King-James-Bibel verknüpft ist, in der Gott Kain mit diesen Worten zu ewiger Wanderschaft verdammt: a fugitive and a vagabond shalt thou be in the earth (Gen 4,12 ; : „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden“).[27]

Die Vorstellung vom Teufel als eigentlicher Muse der Literatur findet sich noch in vielen anderen Erzählungen Hawthornes, etwa in An Old Woman’s Tale (1830), am deutlichsten in The Devil in Manuscript (1835). Hier ist zum einen eine ironische Absicht deutlich, eine Parodie des neuenglischen Teufelsglaubens, die in einer ironischen Umkehrung gegen die puritanische Fiktionsfeindlichkeit gewendet wird. Colacurcio etwa argumentiert, dass ein Text wie The Seven Vagabonds, der ausdrücklich auf die satirische Tradition von Cervantes, Swift und anderen verweist, kaum anders zu verstehen sei,[28] andererseits führt er aber doch aus, dass Hawthorne hier gewisse „theologische Skrupel“ bezüglich der Literatur im Allgemeinen und seiner eigenen literarischen Berufung im Besonderen formuliert.[29] Auch Helmut Schwarztauber zufolge zeigt die Erzählung aber nicht nur das Diabolische im literarischen Schöpfungsakt an sich auf, es wohnt auch der romantischen Daseinsutopie des Literaten inne, die zwar die Hoffnung auf Selbsterfüllung birgt, zugleich aber auch die Gefahr des Scheiterns und der Selbstzerstörung.[30]

Im Handlungsverlauf der Erzählung selbst erweist sich angesichts der Anspielungen auf den Teufel als bezeichnende Ironie, dass die Vagabunden sich auf den Weg zu einer methodistischen Zeltmission machen, oder, wie der Erzähler sich ausdrückt: „wir müssen unsere Pflicht an diesen armen Seelen in Stamford erfüllen“ (we must be doing our duty by these poor souls at Stamford). An einer Stelle ist ihm ganz so, „als seien alle Vagabunden in ganz Neuengland in Stamford unterwegs“ (I began to think that all the vagrants in New England were converging to the camp meeting,) – zwar meint er damit zunächst einmal seine sechs Weggefährten, doch weist Colacurcio darauf hin, dass der Satz zugleich andeute, dass auch die Frommen in Stamford und anderen camp meetings nun ebenso eine vagabundische Lebensweise angenommen hätten; die Mobilität ist mithin grundlegend für die moderne Gesellschaft, stellt alte Gewissheiten in Frage, und lässt auch ein Literatenleben nicht mehr so unerhört erscheinen wie zuvor.[31] Schließlich ist sogar der berittene Methodistenprediger, der gegen Ende der Geschichte auftaucht, ein Wanderprediger, Colacurcio sinniert daher, dass er und nicht der Erzähler eigentlich der siebente Vagabund ist.[32]

Literatur

Ausgaben

Die Erstausgabe findet sich in:

In der maßgeblichen Werkausgabe, der Centenary Edition of the Works of Nathaniel Hawthorne (Ohio State University Press, Columbus OH 1962ff.), findet sich The Seven Vagabonds im von Fredson Bowers und J. Donald Crowley herausgegebenen Band IX (Twice-Told Tales, 1974), S. 350–369. Einige der zahlreichen Sammelbände mit Kurzgeschichten Hawthornes enthalten die Erzählung; eine verbreitete, auf der Centenary Edition aufbauende Leseausgabe ist:

Es liegen drei Übersetzungen ins Deutsche vor:

  • Die sieben Vagabunden. Deutsch von Friedrich Minckwitz. In: Nathaniel Hawthorne: Der graue Beschützer und andere Erzählungen. Gustav Kiepenheuer Verlag, Weimar 1970.
  • Die sieben Vagabunden. Deutsch von Hannelore Neves. In: Nathaniel Hawthorne: Die himmlische Eisenbahn. Erzählungen, Skizzen, Vorworte, Rezensionen. Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Hans-Joachim Lang. Winkler, München 1977. ISBN 3-53806068-1
  • Die sieben Vagabunden. Deutsch von Lore Krüger. in: Nathaniel Hawthorne: Mr. Higginbothams Verhängnis. Ausgewählte Erzählungen. Hrsg. von Heinz Förster. Insel-Verlag, Leipzig 1979.

Sekundärliteratur

  • Michael J. Colacurcio: The Province of Piety: Moral History in Hawthorne’s Early Tales. Harvard University Press, Cambridge MA 1984. Reprint: Duke University Press, Durham NC 1996. ISBN 0822315726
  • James Duban: The Triumph of Infidelity in Hawthorne's ‘The Story Teller’. In: Studies in American Fiction 7:1, 1979. S. 49–60.
  • James Janssen: Hawthorne's Seventh Vagabond: The Outselling Bard. In: Emerson Society Quarterly 62, 1971. S. 22–28.
  • Lea Bertani Vozar Newman: A Reader's Guide to the Short Stories of Nathaniel Hawthorne. G. K. Hall, Boston 1979.
  • Helmut Schwarztrauber: Fiktion der Fiktion. Begründung und Bewahrung des Erzählens durch theoretische Selbstreflexion im Werk Nathaniel Hawthornes und Edgar Allen Poes. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 2000. (=Anglistische Forschungen 281; Zugleich Habil.-Schrift, Pädagogische Hochschule Erfurt, 1996/97) ISBN 3-8253-1042-6
  • Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes. „The Story Teller“ und andere frühe Werke. Erich Schmidt Verlag, Berlin 1973. ISBN 3-5030-0714-8

Einzelnachweise

  1. Michael J. Colacurcio: The Province of Piety, S. 499.
  2. Helmut Schwarztrauber: Fiktion der Fiktion, S. 635, Anmerkung 7.
  3. Michael J. Colacurcio: The Province of Piety, S. 496–497.
  4. Alle Zitate im Folgenden nach der Übersetzung von Hannelore Neves, aber angepasst an die neue deutsche Rechtschreibung.
  5. Welcher der verschiedenen Orte dieses Namens gemeint ist, ist unklar, s. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 132, Anmerkung 9.
  6. Das Wort Zigeuner (englisch gypsy) fällt zwar nicht, es ist aber an der Beschreibung der beiden abzulesen, dass die beiden zur damals so bezeichneten Volksgruppe zählen, s. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 132.
  7. Lea Bertani Vozar Newman: A Reader's Guide to the Short Stories of Nathaniel Hawthorne, S. 282. Die gestrichene Passage lautet: I hardly know how to hint, that, as the brevity of her gown displayed rather more than her ankles, I could not help wishing that I had stood at a little distance without, when she stepped up the ladder into the wagon. (Zitiert nach der Centenary Edition of the Works of Nathaniel Hawthorne, Bd. IX, S. 630.)
  8. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 134–135.
  9. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 135.
  10. Nelson F. Adkins: The Early Projected Works of Nathaniel Hawthorne. In: Papers of the Bibliographical Society of America 39, 1945. S. 134.
  11. The idea of becoming a wandering story-teller had been suggested, a year or two before, by an encounter with several merry vagabonds in a showman's wagon, where they and I had sheltered ourselves during a summer shower. Zitiert in: Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 132.
  12. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 135.
  13. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 138–141.
  14. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 133.
  15. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 133.
  16. Edwin S. Fussell: Frontier: American Literature and the American West. Princeton University Press, Princeton NJ 1965. S. 70–78.
  17. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 134.
  18. Luther S. Luedtke: Nathaniel Hawthorne and the Romance of the Orient. Indiana University Press, Bloomington und Indianapolis 1989. ISBN 0253336139, S. 107–109.
  19. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 140.
  20. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 133.
  21. Helmut Schwarztrauber: Fiktion der Fiktion, S. 130–131.
  22. Helmut Schwarztrauber: Fiktion der Fiktion, S. 137–138.
  23. Anmerkungen zu The Seven Vagabonds in: Nathaniel Hawthorne: Representative Selections. Hrsg. von Austin Warren. American Book Co., New York und Cincinnati 1934. S. 358–359.
  24. Nina Baym: The Shape of Hawthorne's Career. Cornell University Press, Ithaca NY 1976. S. 50.
  25. James Duban: The Triumph of Infidelity in Hawthorne's ‘The Story Teller’, S. 53.
  26. Michael J. Colacurcio: The Province of Piety, S. 498.
  27. James Duban: The Triumph of Infidelity in Hawthorne's ‘The Story Teller’, S. 58.
  28. Michael J. Colacurcio: The Province of Piety, S. 501.
  29. Michael J. Colacurcio: The Province of Piety, S. 498.
  30. Helmut Schwarztrauber: Fiktion der Fiktion, S. 139.
  31. Michael J. Colacurcio: The Province of Piety, S. 500.
  32. Michael J. Colacurcio: The Province of Piety, S. 499.
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