Die Pietisterey im Fischbein-Rocke

Die Pietisterey im Fischbein-Rocke von Luise Adelgunde Victorie Gottsched, 1736 zunächst anonym veröffentlicht, ist eine Komödie der frühen Aufklärungszeit. In dem Drama wird die protestantische Bewegung des Pietismus satirisch kritisiert.

Inhalt

Handlungsort ist das Haus der Familie Glaubeleicht im preußischen Königsberg. Während sich der Mann des Hauses zwei Jahre geschäftlich in England aufhält, gelingt es den Pietisten, Einfluss auf die Familie zu nehmen. Wie ihr Name schon sagt, glaubt Frau Glaubeleicht(in) den Pietisten blind. Der Magister Scheinfromm vermag die Gelegenheit zu nutzen, indem er die geplante Heirat zwischen der jüngsten Tochter und Herrn Liebmann zu verhindern versucht. Er möchte an Stelle des eigentlich vorgesehenen Bräutigams seinen Verwandten Herrn Muckersdorff setzen. Dabei soll ein Ehevertrag geschlossen werden, der das gesamte Vermögen der Familie Glaubeleicht auf Muckersdorff überträgt. Im letzten Moment können die hinterlistigen Machenschaften des Magisters durch den Schwager Wackermann aufgedeckt und verworfen werden. Der Frau Glaubeleichtin werden die Augen geöffnet und einer glücklichen Liebesheirat steht nun nichts mehr im Wege.

Hintergrund: Die satirische Typenkomödie

Allgemeines

Ziel aller Vorschriften und Regeln Johann Christoph Gottscheds war es, die deutsche Komödie auf europäisches Niveau zu heben; seine Frau verfolgte mit ihrem Werk grundsätzlich denselben Anspruch. So wurde die sächsische Typenkomödie die deutsche Spielart einer europäischen, satirischen Komödienform; anfänglich wurden ausländische Texte übersetzt. So ist die „Pietisterey“ die Bearbeitung des Lustspiels La Femme docteur ou la théologie janséniste tombée en quenouille des französischen Dichters Guillaume-Hyacinthe Bougeant, aber auch alle anderen Komödiendichter (darunter Johann Elias Schlegel und Gottsched selbst) waren zugleich Komödienübersetzer. Es ging den Übersetzern allerdings nicht um eine wortgetreue Wiedergabe der Originaltexte; vielmehr wurden Eindeutschungen hergestellt, d. h. Namen, Motive und Handlungsstränge an deutsche Verhältnisse angepasst.

Struktur

Legt man die (umstrittene) Terminologie von Horst Steinmetz zu Grunde,[1] handelt es sich um eine „binomische Komödie“: Diese geht von einem gestörten Verhältnis zwischen lasterhaftem Typ und vernünftiger Umwelt aus. Grund dafür ist einerseits ein individueller Fehler des Helden (im Falle der „Pietisterey“ der Heldin, nämlich der Frau Glaubeleichtin), andererseits aber auch ein allgemeinerer gesellschaftlich-moralischer Missstand. Dieser wiederum wird durch eine bestimmte Person (hier: durch den Magister Scheinfromm) bzw. von einer Personengruppe (den Pietisten) repräsentiert. Der Held ist aufgrund der Machenschaften dieser Personen, die oftmals Verbrecher sind, deren Opfer, zugleich aber auch Opfer des allgemeinen Missstandes. Somit ergänzen sich in der satirischen Typenkomödie persönliches und allgemeines Versagen.

Forschungsliteratur

Quellen

  • Luise Adelgunde Victorie Gottsched (1736): Die Pietisterey im Fischbein-Rocke, hrsg. von Wolfgang Martens. Reclam, Stuttgart 2010 (mit ausführlichem Nachwort, aus dem ein Großteil der obigen Informationen entnommen ist).

Einzelnachweise

  1. Horst Steinmetz: Die Komödie der Aufklärung. 3. Auflage. Metzler, Stuttgart 1978
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