Der weiße Strich
Der weiße Strich (teilweise auch Aktion weißer Strich) war der Name einer Kunstaktion, mit der am 3. und 4. November 1986 fünf aus der DDR stammende Künstler, die nach West-Berlin ausgereist waren, auf die Mauer aufmerksam machen wollten. Sie wollten die gesamte Mauer mit einem gut sichtbaren weißen Strich versehen, um ihr den Staffeleicharakter zu nehmen, denn ihrer Ansicht nach verharmlosten die Mauermalereien die eigentliche Funktion des Bauwerks. Die Aktion sollte zugleich die Begrenzung verdeutlichen, die die Mauer für das Leben der Westberliner Bevölkerung bedeutete. Die fünf Mauermaler waren Frank Willmann, Wolfram Hasch, Frank Schuster und Thomas und Jürgen Onißeit. Sie stammten aus Weimar, wo sie sich in der Subkultur von Hippies und Punks kennengelernt hatten.
Die Mauermaler trugen bei der Aktion Masken, um sich unkenntlich zu machen. Am zweiten Tag versteckten sich drei DDR-Grenzsoldaten, die durch eine verdeckte Tür in der Mauer gekommen waren, im Unterholz des Tiergartens. Wolfram Hasch erreichte als erster die Höhe des Verstecks, das noch auf Ost-Berliner Territorium lag, und wurde festgenommen. Die Aktion wurde daraufhin abgebrochen. Hasch wurde zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt, die er im Gefängnis Bautzen absitzen sollte. Nach sieben Monaten, im Juni 1987, wurde er von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Es war seine zweite Haftzeit aus politischen Gründen in einem DDR-Gefängnis; bereits 1984 hatte der damals 20-Jährige wegen der Vorbereitung eines Flugblattes in Weimar eine zweieinhalbjährige Gefängnisstrafe ausgesprochen bekommen.[1]
Bei Aktenrecherchen zur Rekonstruktion des Geschehens stellte sich heraus, dass einer der fünf Teilnehmer als Informant des Ministeriums für Staatssicherheit bis 1984 Teile der Weimarer Subkultur ausspioniert hatte. 2011 wurde in der Gedenkstätte Bautzen erstmals eine Wanderausstellung über diese Aktion gezeigt.
2014 veröffentlicht Gerd Kroske den Dokumentarfilm Striche ziehen auf der DOC Leipzig.[2][3][4] Von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) erhielt er das Prädikat Besonders wertvoll.[5][6]
Literatur
- Anne Hahn, Frank Willmann (Hrsg.): Der weiße Strich – Vorgeschichte und Folgen einer Kunstaktion an der Berliner Mauer. Chr. Links-Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-86153-651-2.
Weblinks
- Seite über die Aktion bei der Gedenkstätte Bautzen
- Weißer Strich auf Berliner Mauer verärgerte DDR-Regime. (Memento vom 11. September 2011 im Internet Archive) In: Freie Presse Chemnitz vom 11. August 2011
- Als ein weißer Strich die Mauer zum Politikum machte. In: Welt-online vom 1. August 2011, Artikel über die Aktion mit diversen Bildern
- Website zum Film
- Berliner-Mauer-Strich.de Kontroverse Darstellung eines Teilnehmers, um 2016
- Ein Verrat und ein langer Strich auf der Berliner Mauer, Podcast „Geschichten aus der Geschichte“, Folge 53 vom 28. September 2016 über die Kunstaktion
Einzelnachweise
- Axel Stefek: 1984. Aufruf zum Wahlboykott. In: Ders.: Weimar unangepasst. Widerständiges Verhalten 1950–1989 (= Weimarer Schriften, Bd. 68). Weimar: Stadtmuseum, 2014, ISBN 978-3-910053-56-4, S. 97–106.
- Tania Carlin: Striche ziehen Film-Interview, achtung berlin 2015. Festival TV, abgerufen am 11. Juni 2015.
- Christiane Peitz: Der Bruder, die Stasi und die Tür in der Mauer. In: Der Tagesspiegel. 19. April 2015, abgerufen am 11. Juni 2015.
- Striche ziehen. Eine Mauerkunstaktion 1986 in West-Berlin mit Folgen. Mitteldeutscher Rundfunk, 21. April 2015, archiviert vom am 15. April 2015; abgerufen am 25. Mai 2016.
- Striche ziehen. FBW-Pressetext. FBW, abgerufen am 11. Juni 2015.
- Vom Widerstand. In: Der Freitag. 22. April 2015, abgerufen am 11. Juni 2015.