Der Feuerwehrmann
Der Feuerwehrmann, alternativ Chaplin bei der Feuerwehr[1] oder Charlie als Feuerwehrmann,[2] ist ein Film von Charlie Chaplin aus dem Jahr 1916. Chaplin war auch verantwortlich für Drehbuch (mit Vincent Bryan und Maverick Terell) und Schnitt. Es war sein zweiter Film für die Mutual Co. Der Film kam am 12. Juni 1916 in die US-amerikanischen Kinos.
Handlung
Feuerwehrmann Charlie und sein Chef wetteifern beide um die Gunst desselben Mädchens. Dessen Vater hat sich mit dem Feuerwehrhauptmann heimlich darüber verständigt, sein Haus abbrennen zu lassen, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Dabei fängt auch das benachbarte Anwesen Feuer. Seinen Besitzer, der sie zur Brandstelle lotsen möchte, indem er zuerst den Feuermelder betätigt, dann die Feuerwache anruft und schließlich persönlich auf der Feuerwache erscheint, ignorieren die Feuerwehrleute einfach. Schließlich alarmiert Charlie den Feuerwehrhauptmann, und die Truppe rückt aus, um den Brand zu bekämpfen.
Da merkt der Versicherungsbetrüger, dass seine Tochter sich noch in dem brennenden Haus befindet. Feuerwehrmann Charlie erklimmt heldenhaft die Fassade des Gebäudes und bringt sie in Sicherheit.
Hintergrund
Der Wechsel von der Essanay zur Mutual Co. für eine bis dahin noch nie gezahlte Jahresgage von 670.000 US-Dollar machte Chaplin zum damals bestbezahlten Komiker Hollywoods. Dafür sollte er binnen eines Jahres ein Dutzend Two-Reeler abliefern.[3]
Bedeutsamer für seine Entwicklung war, dass ihm nun weiter gehende Freiheiten vertraglich eingeräumt wurden. Die wohl wichtigste davon war die Garantie uneingeschränkter künstlerischer Kontrolle. So blieb ihm mehr Zeit, seine Filme vorzubereiten und auf gute Einfälle zu warten. Ihm wurde das Lone Star Studio zur Verfügung gestellt, das ausschließlich zur Produktion seiner Komödien bestimmt war. Schließlich konnte Chaplin bei der Mutual mit Edna Purviance, Albert Austin, Eric Campbell, Henry Bergman und dem Kameramann ‚Rollie‘ Totheroh eine ausgewählte Schar verlässlicher Mitarbeiter um sich versammeln, deren harter Kern ihm bis zuletzt treu blieb.[4]
Die Dreharbeiten zum „Feuerwehrmann“ fanden in der näheren Umgebung von Los Angeles statt: die Außenaufnahmen am frühen Morgen auf der Straße, die Innenszenen im Lone Star Studio. Die Photographen waren William C. Foster und Roland Totheroh, mit dem Chaplin seit 1915 zusammenarbeitete.
Viele der Gags sind mit Sorgfalt ausgesucht. Bereits die Vorbereitungen der Feuerwehrleute auf ihren Dienst im Prolog des Films haben balletthafte Züge: wie die Pyramide eines Turnvereins posieren sie auf der Feuerspritze vor ihrem Hauptmann. Charlie, der den Einsatz verschläft, hat beim Bereiten von Speis’ und Trank für seine Kameraden auf der Feuerwache alle Hände voll zu tun; mit den geschickten Bewegungen eines Kartenspielers bringt er quasi aus dem Handgelenk die Teller in die richtige Position auf den Tisch. Der Kessel der Dampfspritze muss als Warmwasserquelle für den Morgenkaffee herhalten, seinen Hals schmiert Charlie mit der Ölkanne, als wäre er selber eine Maschine.[5] Und wie eine solche führt er, automatisiert, beim Klang der Alarmglocke auch alle Exerzierbewegungen aus, wo sie gar nicht gebraucht werden.[6] Einige komische Effekte[7] wurden mit rückwärts gekurbelter Kamera bewirkt.
1932 kaufte der Inhaber der Van Beuren Studios, Amedee van Beuren, für 10.000 US-Dollar Chaplins für Mutual gedrehte Komödien auf. Er unterlegte sie mit Musik von Gene Rodemich und Winston Sharples, fügte Geräuscheffekte hinzu und vertrieb sie als Tonfilme durch RKO Radio Pictures, ohne dass Chaplin rechtlich gegen ihn vorgehen konnte.[8]
Kritiken
„The Fireman: schieres Regievirtuosentum, das eine schlichte Geschichte um zwei Feuerwehrmänner, eine schöne Frau und deren betrügerischen Vater in ein wunderbar veristisch grundiertes Spektakel aus Scherzen und Sensationen verwandelt.“
„Unter den Filmen bei der Mutual-Gesellschaft befanden sich mehrere Meisterwerke. Ein Uhr nachts, Der Vagabund, Das Pfandhaus, Hinter der Leinwand u. a. Während Der Ladenaufseher und Der Feuerwehrmann weniger gelungen waren, fanden sich bei seinen Filmen Easy Street und Der Einwanderer wieder die besten charakteristischen Merkmale der Chaplinaden. Der Ursprung dieser beiden Filme ist in Chaplins Leben zu finden, und es ist eine alte Weisheit, daß der Clown immer dann am besten ist, wenn er sein eigenes Leben mimt.“
Wiederveröffentlichungen
Der Kulturkanal Arte zeigte Der Feuerwehrmann am 25. Dezember 2013 im deutschen Fernsehen.[11] Die Musik steuerte Robert Israel bei.
Mehrere Verlage haben inzwischen Der Feuerwehrmann auf DVD in den Handel gebracht.[12]
Literatur
- Alan Bilton: Silent Film Comedy and American Culture. Verlag Palgrave Macmillan, 2013, ISBN 978-1-137-02025-3.
- Heinrich Fraenkel: Unsterblicher Film. Die grosse Chronik. Von der Laterna Magica bis zum Tonfilm. Bildteil von Wilhelm Winckel. Kindler, München 1956, S. 176–178, 393.
- Daniel Ira Goldmark, Charles Keil (Hrsg.): Funny Pictures: Animation and Comedy in Studio-Era Hollywood. (= UPCC book collections on Project MUSE). Verlag University of California Press, 2011, ISBN 978-0-520-95012-2, S. 55.
- Lawrence Howe, James E. Caron, Benjamin Click: Refocusing Chaplin. A Screen Icon through Critical Lenses. Verlag Scarecrow Press, 2013, ISBN 978-0-8108-9226-2.
- Susan McCabe: Cinematic Modernism: Modernist Poetry and Film. Verlag Cambridge University Press, 2005, ISBN 0-521-84621-8.
- Robert Payne: The Great Charlie. A Biography of the Tramp. Andre Deutsch, London 1952.
- Guido Marc Pruys: Die Rhetorik der Filmsynchronisation: wie ausländische Spielfilme in Deutschland zensiert, verändert und gesehen werden. (= Medienbibliothek: Studien. Band 14). Gunter Narr Verlag, Tübingen 1997, ISBN 3-8233-4283-5.
- Mark Shiel: Hollywood Cinema and the Real Los Angeles. Reaktion Books, 2013, ISBN 978-1-86189-940-8.
- Johannes Schmitt: Charlie Chaplin. Eine dramaturgische Studie. Lit-Verlag, Münster 2006, ISBN 3-8258-9317-0.
- Karl Schnog: Charlie Chaplin – Filmgenie und Menschenfreund. Henschel, Berlin (Ost) 1960.
- Friedrich von Zglinicki: Der Weg des Films. Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer. Rembrandt Verlag, Berlin 1956.
Weblinks
- Der Feuerwehrmann bei IMDb
- Der Feuerwehrmann. Der Film ist abrufbar im Internet Archive
Artikel:
- Robert Byrne: It’s Mutual – Charlie Chaplin Shorts, 1916–1917. Essay bei silentfilm.org. (englisch)
- Travalanche: Charlie Chaplin in “The Fireman”. (englisch)
- Linda Wada: The Fireman, Charlie Chaplin’s Mutual Film 1916 – A closer look. Juli 2012 bei ednapurviance.org. (englisch)
Abbildungen:
- Zeitungsannonce im Bellingham Herald, Washington, 17. August 1916
- Kinoplakat der Clark-Cornelius Co. von 1916
- Kinoplakat der Van Beuren Studios zum Tonfilm von 1932
- Werbeanzeige Charlie Chaplin's footprints on the Great White Way, über Chaplin-Aufführungen am Broadway
- Modernes serbokroatisches Filmplakat
Einzelnachweise
- Zglinicki, S. 519.
- vgl. Stummfilm.at stummfilm.at
- vgl. Robert Byrne, Essay
- Robert Byrne, Essay: “While at Mutual, Chaplin assembled a dedicated company, the core of which stuck with him their entire careers. Edna Purviance appeared as his leading lady in all 34 films that he made between 1915 and 1923. Screen newcomers Albert Austin and Eric Campbell, whom Chaplin knew from his vaudeville days, also never worked for any other moviemaker. Henry Bergman, the only one of Chaplin’s players who joined Mutual with extensive film experience, appeared in every Chaplin film for the next 20 years. Cameraman Rollie Totheroh photographed Chaplin’s films through 1947’s »Monsieur Verdoux«.”
- Bilton S. 98.
- McCabe S. 91.
- z. B. das „Einparken“ des Gespanns vor der Feuerspritze, oder Charlies Emporschießen am Pfosten in der Wache, an dem er gerade heruntergeglitten war
- vgl. WaverBoy, entry #285, 29 May 2007 silentcomedians.com (Memento vom 13. Januar 2014 im Webarchiv archive.today)
- vgl. Artikel bei filmmuseum.at
- zit. bei Zglinicki, S. 517.
- vgl. arte.tv arte.tv (Memento vom 27. Februar 2014 im Internet Archive)
- gl. Achim Lewandowski: DVD-Empfehlung Nr 7 – Filme mit Charlie Chaplin alewand.de