David Miranda (Politiker)
David Miranda (* 10. Mai 1985 in Rio de Janeiro; † 9. Mai 2023 ebenda) war ein brasilianischer Politiker des Partido Socialismo e Liberdade (PSOL) und ab 2022 der Partido Democrático Trabalhista (PDT). 2016 bis 2019 war er das erste offen homosexuelle Mitglied des Stadtrates von Rio de Janeiro. 2019 zog er als Nachrücker ins Bundesparlament ein.[1] Die New York Times beschrieb ihn als eine führende Stimme für die Rechte Homosexueller in Brasilien.[2] Das Time Magazine zählte ihn 2019 zu den „Next Generation Leaders“.[3]
Leben
Miranda wuchs in sozial schwierigen Verhältnissen in den Armenvierteln im Norden von Rio de Janeiro auf. Seine Mutter starb, als er fünf Jahre alt war, seinen Vater lernte er nie kennen. Fortan lebte er zunächst im Haushalt seiner Tante Eliane, Schwester seiner Mutter, nebst deren vier Kindern in der Favela Jacarezinho. Ab dem Alter von neun Jahren arbeitete er in Gelegenheitsjobs und als 13-Jähriger zog er mit zwei Cousins in eine Favela in Inhaúma.[4]
2005 lernte er an dem unter Homosexuellen einschlägig bekannten Strand von Ipanema den Amerikaner Glenn Greenwald kennen.[5] Beide heirateten kurz darauf und lebten fortan in Rio de Janeiro.[6] Greenwald ermöglichte Miranda eine Ausbildung an der Escola Superior de Propaganda e Marketing, einer in Brasilien führenden Fachschule für Werbung und Marketing. Dort machte er 2014 einen Abschluss.[7][8] Im Jahr 2017 adoptierten Miranda und Greenwald zwei junge verwaiste Brüder aus dem Norden Brasiliens.
David Miranda geriet erstmals in die Schlagzeilen, als er 2013 während einer Zwischenlandung in London vom britischen Geheimdienst auf Basis eines Antiterrorismusgesetzes in Zusammenhang mit dem Whistleblower Edward Snowden, der Greenwald gestohlene Geheimdokumente zugespielt hatte, neun Stunden lang festgehalten wurde.[9]
Ende 2016 wurde er als erster offen Homosexueller in den Stadtrat von Rio de Janeiro gewählt, wo er vom 1. Januar 2017 bis 31. Januar 2019 die Partido Socialismo e Liberdade (PSOL) vertrat. Es setzte sich hier unter anderem erfolgreich dafür ein, dass Transsexuelle und Nichtbinäre ihre üblichen Namen auch offiziell verwenden können und dass Löhne und Gehälter bei der Stadtverwaltung Priorität vor anderen Ausgaben erhalten.[4]
Bei den Wahlen 2018 verpasste er zunächst den Einzug in die brasilianische Abgeordnetenkammer, nahm am 1. Februar 2019 aber den Platz seines ebenso homosexuellen Parteikollegen Jean Wyllys ein, der wegen Morddrohungen nach Barcelona umzog. Im Bundesparlament engagierte er sich vor allem um den Schutz von LGBTQ+-Personen vor Gewalt und für Maßnahmen zur Verbesserung des psychosozialen Umfelds von Angestellten der öffentlichen Sicherheit, wie beispielsweise Polizisten.[4]
Im Januar 2022 wechselte Miranda von der PSOL, die Lula da Silva im Präsidentschaftswahlkampf unterstützte, zur PDT, um deren Kandidaten Ciro Gomes zu unterstützen.[10] Ciro sollte am Ende drei Prozent der Wählerstimmen bekommen; fünf Jahre zuvor waren es noch 12 Prozent. Für seine Unterstützung des als prinzipienschwach geltenden und durch mehrfache Parteiwechsel auffälligen Gomes – dieser war bei der ARENA-Partei der Militärdiktatur und vor seinem Übertritt in die PDT Mitglied der neoliberalen PROS – wurde Miranda von der politischen Linken kritisiert.[11]
David Miranda wurde am 6. August 2022 zur Behandlung einer Magen-Darm-Infektion in ein Krankenhaus eingeliefert. Auf Grund weiterer Infektionen und einer daraus resultierenden Sepsis lag er neun Monate auf der Intensivstation der Clínica São Vicente in Gávea. Er starb am 9. Mai 2023, einen Tag vor seinem 38. Geburtstag.[12]
Weblinks
- Offizielle Website von Miranda (portugiesisch)
- Ruth Eisenreich: Aus der Favela ins Parlament: Das andere, das linke Brasilien. In: taz.de. 6. Januar 2020 .
- Ernesto Londoño: ‘The Antithesis of Bolsonaro’: A Gay Couple Roils Brazil’s Far Right. In: nytimes.com. 20. Juli 2019, archiviert vom am 20. Juli 2019 (englisch).
- Glenn Greenwald: Detaining my partner was a failed attempt at intimidation. In: The Guardian. 19. August 2013 (englisch).
- Fred A. Bernstein: The Unflinching Courage of Rio’s Gay Crusader. In: Out.com. 11. Mai 2018 (englisch).
- David Miranda bei IMDb
Einzelnachweise
- Tâmara Freire: Ex-deputado federal David Miranda morre um dia antes de fazer 38 anos, AgênciaBrasil, 9. Mai 2023
- Flávia Milhorance: David Miranda, Gay Rights Activist and Snowden Ally in Brazil, Dies at 37. In: The New York Times. 10. Mai 2023, abgerufen am 12. Mai 2023 (englisch).
- How This Black Gay Politician Is Standing Up to the Far-Right Government in Brazil. In: Time, 16. Mai 2019, abgerufen am 13. Mai 2023 (englisch).
- Cria do Jacarezinho, David Miranda virou deputado federal como suplente de Jean Wyllys e foi defensor da causa LGBTQIA+, Globo-g1 Rio, 9. Mai 2023
- Farme Gay Beach, travelgay
- Raphaela Birrer: Das Sprachrohr Snowdens, Tagesanzeiger, Zürich, 2013-07-10
- Gustaf Kilander: David Miranda, Brazilian congressman and husband of Glenn Greenwald, dies at 37 after 9-month ICU battle, The Independent, 9. Mai 2023
- Ernesto Londoño: ‘The Antithesis of Bolsonaro’: A Gay Couple Roils Brazil’s Far Right. In: nytimes.com. 20. Juli 2019, archiviert vom am 20. Juli 2019; abgerufen am 9. Mai 2023 (englisch).
- Charlie Savage, Michael Schwirtz: Britain Detains the Partner of a Reporter Tied to Leaks. In: nytimes.com. 18. August 2013, archiviert vom am 20. August 2013; abgerufen am 9. Mai 2023 (englisch).
- David Miranda anuncia saída do PSOL em oposição à aliança com PT , Estado de SP, 22.1.22
- Movimento Esquerda Socialista critica ida de David Miranda para o PDT e apoio do deputado a Ciro Gomes, Brasil 247, 24. Januar 2023
- David Miranda, ex-deputado federal, morre no Rio aos 37 anos. In: globo.com. 9. Mai 2023, abgerufen am 9. Mai 2023 (portugiesisch).