Darwin Award
Der Darwin Award, deutsch Darwinpreis, ist ein sarkastischer Negativpreis, der von Biologiestudenten der Stanford University initiiert wurde. Er wird seit 1994 dazu verwendet, um über Menschen zu berichten, die sich selbstverschuldet töten, tödlich verunfallen oder selbst unfruchtbar machen und dabei ein besonderes Maß an Dummheit zeigen. Eine gewisse Schadenfreude bei der Darstellung ist Teil des Konzepts, sowohl beim Original als auch bei der deutschen Seite, die unter dem Namen „Darwinpreis, Verlierer im Roulette des Lebens“ online ist und sich auf das amerikanische Vorbild beruft.[1]
Der Name bezieht sich auf Charles Darwin, den Entdecker der natürlichen Auslese. Dahinter steht der Gedanke, dass ein durch eigene Dummheit vermehrungsunfähiges Individuum seiner Art einen Gefallen tut, wenn es die weitere Verbreitung des eigenen Erbguts verhindert. Die Einzelfälle werden auf einer Website vorgestellt, wo online über den oder die jeweiligen Gewinner des Jahres abgestimmt wird.[2] Alle Fälle werden auf Richtigkeit oder Plausibilität geprüft. Nur in der ersten Buchausgabe der Darwin Awards waren Geschichten aus dem Bereich moderne Sagen enthalten.
Hauptverantwortliche ist mittlerweile die Mitinitiatorin und Autorin Wendy Northcutt, die den Darwin Award als einen Preis für alle, die dazu beitragen, dass sich unser Genpool verbessert, indem sie sich daraus entfernen, bezeichnet.[3] Northcutt studierte an der University of California, Berkeley Molekularbiologie, bevor sie an der Stanford University ein Studium der Neurowissenschaften absolvierte. Mittlerweile war sie an der Verleihung des Darwin Awards an über 1.000 Personen beteiligt.[4]
Kriterien
Der Kandidat bzw. Preisträger muss die folgenden Kriterien erfüllen:
- Fortpflanzungsunfähigkeit: Der Kandidat muss aus dem Genpool ausscheiden, also sterben oder zumindest unfruchtbar werden.
- Originalität: Es muss eine außergewöhnlich dumme Fehleinschätzung stattfinden, mehr als die „übliche Blödheit“.
- Eigenes Verschulden: Der Kandidat muss sein Ausscheiden aus dem Genpool selbst herbeigeführt haben. Zudem führt der Tod eines Unbeteiligten zur Ablehnung der Geschichte.
- Reife: Der Kandidat muss ein urteilsfähiger Mensch sein. Kinder, deren Urteilsvermögen noch nicht voll ausgebildet ist, oder Menschen mit geistigen Störungen sind ausgeschlossen.
- Richtigkeit: Das Ereignis muss bestätigt oder zumindest plausibel sein.
Umstritten ist, ob der Darwinpreis auch an Menschen verliehen werden sollte, die bereits lebende Kinder haben – ihre „Idiotie-Gene“ wären in diesem Fall ja bereits erfolgreich vererbt worden. In der deutschen Buchausgabe von 2003 bezog Wendy Northcutt hierzu Stellung: „Falls bereits Nachkommen des Kandidaten existieren, stellt dies zwar eine potenzielle Gefahr für den Genpool dar, doch der Kandidat wird dadurch nicht disqualifiziert.“[5]
Deutlich höherer Männeranteil
Die Auswertung der Geschlechterverteilung der Preisträger (bis 2014) ergibt, dass deutlich mehr Männer als Frauen mit dem Darwin-Preis ausgezeichnet wurden. Die Wissenschaftler analysierten hierfür sämtliche Daten von 1995 bis 2014 mit dem Ergebnis, dass Männer sich größeren Risiken aussetzten, die mit einer höheren Verletzungsgefahr einhergingen. Bei Männern ist auch die Affinität höher, sich Situationen mit Gefährdungspotential auszusetzen, als bei Frauen. In dem untersuchten Zeitraum von 20 Jahren wurden 413 Personen für den Darwin Award nominiert, von denen 332 vom Preiskomitee akzeptiert wurden. Die 14 Fälle, in denen Pärchen gemeinsam den Preis erhielten, wurden vorab abgezogen (siehe auch: Beispiele, 2014). Von den 318 Fällen, die statistisch ausgewertet wurden, waren 282 der Preisträger männlich, während nur 36 Frauen den Darwin Award erhielten. Das entspricht einem Männeranteil von knapp 89 Prozent.[6]
Geschichte
Der Darwinpreis ist eine Idee von Biologiestudenten der Stanford University in Kalifornien. Sie sammelten skurrile Fälle und Anekdoten und präsentierten sie auf einer Website der Universität. Nachdem die Seite sehr populär geworden war, wurde sie ausgelagert. Heute werden täglich neue Fälle eingestellt und von einer weltweiten Fan-Gemeinde diskutiert und beurteilt. Auch einen Newsletter gibt es.
Die Molekularbiologin Wendy Northcutt, die auch die Autorin der Darwin-Awards-Bücher ist, rief die Website darwinawards.com ins Leben. Der erste von ihr dokumentierte Fall ereignete sich bereits 1985, als ein Mann einen Verkaufsautomaten so lange schüttelte, bis dieser umkippte und ihn dabei erschlug. Northcutt gab ihren regulären Beruf schließlich auf und widmet sich bis heute den Darwin Awards, die mittlerweile einen festen Platz in der Popkultur Nordamerikas einnehmen.[4]
In Deutschland erlangte der Darwinpreis eine größere Bekanntheit, als ihm das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am 5. Januar 1998 einen Artikel widmete.[7] Zuvor wurde über den Preis in der Zeitschrift Spiegel Special 9/1997 berichtet.[8]
Einige Beispiele
Ein Teil der hier versammelten Beispiele wurde Preisträger des jeweiligen Jahres. Einige Geschichten hat Initiatorin Wendy Northcutt in ihren Büchern aufgezeichnet.[9]
Jahr | Ort | Vorfall | Quelle |
---|---|---|---|
1990 | Washington, USA | Bei einem bewaffneten Raubüberfall auf einen Waffenladen sollte man bedenken, auf wen man dort trifft. Wer dann auch noch wild um sich schießt, läuft Gefahr, gleich von mehreren Seiten beschossen zu werden, zumal auch noch ein uniformierter Polizist an der Theke einen Kaffee trank. Der verstorbene Räuber wurde drei Jahre nach dem Zwischenfall, bei dem sonst niemand verletzt wurde, als erste Person mit dem Darwin Award ausgezeichnet. | [10] |
1993 | Toronto, Kanada | Ein Rechtsanwalt warf sich gegen ein Fenster im 24. Stock eines Hochhauses, um die Stabilität der Fensterscheiben zu demonstrieren. Der Fensterrahmen gab jedoch nach, der Anwalt stürzte aus dem Gebäude und war beim Aufschlag sofort tot. | [11][12] |
1997 | Sorocaba, Brasilien | Ein 25-jähriger Fahrradfahrer überquerte das Rollfeld eines brasilianischen Flughafens, ohne das landende Flugzeug zu bemerken, weil er Musik auf seinem Walkman hörte. Als das Flugzeug ihn erfasste, befand er sich noch immer mitten auf dem Rollfeld. Am Flugzeug entstanden Luftschrauben- und Tragflächenschäden. | [13] |
2000 | Houston, USA | Egal, wie gut man sich mit Waffen auskennt, beim Russischen Roulette mit einem klassischen Revolver hat man eine Überlebenschance von 5 zu 6. Verwendet man allerdings wie der 19-Jährige eine halbautomatische Schusswaffe, bei der jede Betätigung des Abzuges einen Schuss zur Folge hat, ist die Überlebenschance gleich Null. | [14][15] |
2004 | Chiayi, Taiwan | Zwei Studenten aus Taiwan wollten ihre Rangordnung ermitteln und um die Gunst ihrer Herzensdame kämpfen. Um festzustellen, wer mutiger sei, fuhren sie mit ihren Motorrollern aufeinander zu, wobei derjenige, der zuerst ausweichen würde, verlieren sollte. Da keiner nachgeben wollte, starben beide an den Folgen des frontalen Zusammenpralls. Nach ihrem Favoriten befragt, gab die junge Frau an, sie sei an keinem der beiden interessiert gewesen. | [16][17] |
2008 | Sauze d’Oulx, Italien | Drei Freunde hielten es für eine gute Idee, auf einer Sicherheitsabsperrung, die sie zuvor vom unteren Pistenrand abmontiert hatten, die Skipiste herunterzurodeln. Alkohol war im Spiel, als sie auf der jetzt nicht mehr gepolsterten Sicherheitsabsperrung auftrafen. Für den 46-jährigen David war dies der letzte Ausflug. | [18][19] |
2008 | Florida, USA | Ein Autofahrer, der sich während eines Staus erleichtern wollte, sprang über eine Leitplanke. Er übersah, dass sich direkt dahinter eine Schlucht befand. | [20] |
2009 | North Carolina, USA | Eine 50-jährige Frau fuhr bei starkem Regenfall in eine aus diesem Grund polizeilich gesperrte Straße und stürzte mit ihrem Mofa in einen kleinen Fluss. Kurz nachdem sie von einem Polizisten gerettet worden war, sprang sie erneut in den Fluss und ertrank. Ihre Mutter vermutet, dass sie lediglich ihr Mofa retten wollte. | [21] |
2009 | Dinant, Belgien | Zwei Einbrecher wollten einen Geldautomaten aufsprengen und benutzten dazu so viel Sprengstoff, dass das gesamte Gebäude über ihnen einstürzte. Da sich außer ihnen niemand im Gebäude befand, gab es keine weiteren Todesopfer. | [22] |
2010 | Daejeon, Südkorea | Ein 40-jähriger Rollstuhlfahrer war sauer, dass die Aufzugtüren sich direkt vor ihm geschlossen hatten. Mit seinem Elektrorollstuhl fuhr er wütend mehrfach gegen die Aufzugtür. Die Tür gab nach, und der Koreaner stürzte mit dem Rollstuhl vornüber in den Schacht. Erster Platz von der Community des Darwin Awards mit fast 25.000 Stimmen. | [3][23] |
2012 | Edremit, Balıkesir, Türkei | Um ihr Feriendomizil vor Einbrechern zu sichern, hatten die deutsche Rentnerin Emmy und ihr türkischer Mann Musa, ein Maschinenbauingenieur in Rente, sich eine eigene Selbstschussanlage gebaut. Bei Betreten löste die Fußmatte vor der Haustür einen elektrischen Impuls aus und ein oberhalb der Tür installiertes Gewehr schoss direkt auf die Haustür. Der Gärtner entdeckte die Leichen des Paares: Der Hausherr war von fünf Kugeln getroffen worden, seine Frau von drei Geschossen. Offenbar hatten sie vergessen, die Anlage vor dem Betreten des Hauses abzuschalten. Erster Platz auf der deutschen Seite Darwinpreis, 2012. | [24][25] |
2014 | London, England | An einem lauen Sommerabend wurde ein junges Pärchen dabei beobachtet, wie es heißen Sex auf einem Balkon hatte, während in der dazugehörigen Wohnung eine Party gefeiert wurde. Die beiden Austauschschüler waren gerade volljährig und hatten sich gerade erst kennengelernt. Dennoch: Er hätte sie nicht auf das Geländer setzen sollen, dann wären sie auch nicht gemeinsam aus dem 6. Stock in die Tiefe gestürzt und dabei gestorben. | [26][27] |
2018 | Andamanen, Indien | John Allen Chau ließ sich illegal von Fischern auf die North Sentinel Island bringen. Er wollte die dort lebenden Sentinelesen trotz Kontaktverbot der indischen Regierung christlich missionieren. Chau versuchte mehrfach, entgegen den geltenden Verboten die Insel zu betreten, und wurde, nachdem er Warnschüsse der Einheimischen ignoriert hatte, bei seinem dritten Versuch von diesen mit Pfeilen erschossen. | [28][29] |
2019 | Fuji, Japan | Der 47-jährige Tetsu Shiohara wurde als erster Japaner mit dem Darwin Award ausgezeichnet. Er bestieg den höchsten Berg Japans außerhalb der offiziellen Wander-Saison, unpassend ausgerüstet und bekleidet, während er in einem Livestream seinen Aufstieg im Schnee übertrug. Bevor er den Halt verlor und in den Tod stürzte, erklärte er seinen Zuschauern noch, wie gefährlich die Gegend doch sei. | [30][31][32] |
Hörbuch
Im Jahr 2002 erschien ein Hörbuch, in dem Hella von Sinnen und Dirk Bach sich die skurrilsten Todesfälle auf heitere Weise vorlesen.[33]
Die Komödie The Darwin Awards beruht teilweise auf den realen preisgekrönten Vorfällen.
Literatur
- Wendy Northcutt: Die Darwin Awards die skurrilsten Arten, zu Tode zu kommen (= Goldmann, 45375). Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-45375-5.
- Wendy Northcutt: Neue Darwin Awards die skurrilsten Arten, zu Tode zu kommen (= Goldmann, 45376). Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-45376-3.
- Wendy Northcutt: Neueste Darwin Awards die skurrilsten Arten, zu Tode zu kommen (= Goldmann, 45881). Goldmann, München 2005, ISBN 3-442-45881-1.
- Wendy Northcutt: Die Darwin-Awards: die skurrilsten Arten, zu Tode zu kommen (= Goldmann, 47517). Übersetzt von Almuth Dittmar-Kolb. Neuveröffentlichung, 1. Auflage, Goldmann, München 2011, ISBN 978-3-442-47517-9.
Siehe auch
Einzelnachweise
- DarwinPreis.de Verlierer im Roulette des Lebens Darwinpreis, abgerufen am 12. November 2021
- Darwin Awards. Auf: darwinawards.com; zuletzt abgerufen am 21. September 2020.
- Darwin Award für tödliche Dummheit von Frank Preuß Der Westen, abgerufen am 4. November 2021
- What a Way to Go: Woman Who Created the Darwin Awards Wants to be a Winner Someday (engl.) Berkley University, abgerufen am 4. November 2021
- Wendy Northcutt: Neueste Darwin Awards. ... München 2005, S. 21.
- Lendrem, B.; Lendrem, D.; Gray, A.; Isaacs, J. (2014): The Darwin Awards: sex differences in idiotic behaviour (engl.) BMJ 2014;349:g7094 doi:10.1136/bmj.g7094
- Preise: Nackt im Löwengehege in Der Spiegel 2/1998 vom 5. Januar 1998.
- Tod, wo ist dein Stachel? Die unglaublichsten Unfälle der Welt in Spiegel Special 9/1997 vom 1. September 1997
- The Darwin Awards: What are they? by Wendy Northcutt (engl.) (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2023. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Penguin Books, abgerufen am 4. November 2021
- Wrong Time, Wrong Place. 1990 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Der Tod hat seinen Preis (Memento vom 8. März 2010 im Internet Archive) (auf: web.de, abgerufen am 18. Dezember 2009)
- Lawyer Aloft. 1993 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Darwin Award 1997: No Bike Lane at the Airport (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Darwin Award-dumme Todesfälle Computerbase, abgerufen am 4. November 2021
- Gun Safety Training. 2000 Darwin Award Runner-Up (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Die Top Ten der Darwin-Award-Gewinner, Big.fmabgerufen am 4. November 2021
- Rutting Contest. 2004 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Wenn Dummheit tödliche Folgen hat, Rheinische Post, abgerufen am 4. November 2021
- On the Piste. 2008 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Dying To Go. 2009 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Double Dip. 2009 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Crushing Debt. 2009 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Angry Wheelchair Man. 2010 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Liebling, hast Du die Selbstschussanlage ausgestellt?, Darwinpreis, abgerufen am 12. November 2021
- Ferienhaus Eigene Selbstschussanlage tötet deutsch-türkisches Rentnerpaar, Spiegel, abgerufen am 12. November 2021
- Beim Feiern in LondonTeenager stürzen beim Sex vom Balkon – und sterben, Focus, abgerufen am 4. November 2021
- La Petite Mort. 2014 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Le Monde, AFP: Américain tué par la tribu des Sentinelles: l’Inde appelée à laisser le corps sur l’île. In: LeMonde.fr. 28. November 2018, abgerufen am 5. Februar 2019 (französisch).
- The Missionary Position. 2018 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Japanese hiker SLIPPED from top of Mt. Fuji on LIVE STREAM, YouTube, abgerufen am 4. November 2021
- Pinnacle Of Stupidity. 2020 Darwin Award Winner (engl.), abgerufen am 4. November 2021
- Auf Fuji verstorbener YouTuber gewinnt Darwin Award (engl.) Sumikai. Aktuelle Nachrichten aus Japan, abgerufen am 4. November 2021
- Wendy Northcutt: Die Darwin Awards. 2 CDs: Für die skurrilsten Arten, zu Tode zu kommen. Hoffmann und Campe, 2002, ISBN 978-3455302677.