Daphnien
Daphnien (Daphnia) sind eine Gattung von Krebstieren (Crustacea), die zu den Krallenschwänzen (Onychura) gestellt werden. Die nur zwischen 1 mm und 5 mm langen Tiere werden, neben anderen, häufig als „Wasserflöhe“ bezeichnet und sind leicht zu züchten[1].
Daphnien | ||||||||||||
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Vertreter der Gattung Daphnia, | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Daphnia | ||||||||||||
Müller, 1785 |
Morphologischer Aufbau
Der Körper der Daphnien ist in eine zweilappige Schale (Carapax) eingeschlossen, die nur den Kopf mit den starken Ruderantennen frei lässt. Die beiden Schalenhälften schließen sich am Rücken und bilden eine Art Kiel, der mit einem Stachel endet. Die Schale ist eine Duplikatur der Haut, welche facettiert ist.
Am Kopf auffallend ist das große Komplexauge. Es ist durch sechs Muskeln beweglich und entsteht während der Entwicklung aus zwei Teilen. Ein weiteres kleineres Auge, das sog. Naupliusauge (siehe auch: Naupliuslarve) ist viel kleiner und kein Komplexauge. Beide Augen sind über Sehnerven mit dem Cerebralganglion, dem „Gehirn“ von Daphnia verbunden.
Die zweiten Antennen sind zu großen und auffälligen Ruderorganen umgebildet. Sie bestehen aus einem Stammglied und zwei Ästen mit Borsten, die sich beim „Rudern“ auffächern. Die zweiästigen Antennen gehen auf das ursprüngliche Spaltbein der Krebstiere zurück. In die Stammglieder der beiden zweiten Antennen treten kräftige Muskeln ein, die eine Bewegung der Antennen ermöglichen. Sehr viel kleiner sind die beiden ersten Antennen. Sie sitzen oberhalb der Mundöffnung und tragen an ihrem Ende Sinneshaare (Ästhetasken). Diese dienen als Chemorezeptoren. Bei den Männchen sind diese Antennen größer und haben eine zusätzliche Borste, die wahrscheinlich mechanische Reize wahrnimmt. Daphnien gehören zur Gruppe der Mandibulata und haben somit zwei kräftige Mandibeln (eine Art Kiefer). Sie sind keilförmig und nach innen leicht gezahnt.
Fünf Paar „Beine“ liegen unterhalb der Schale. Auch sie haben Spaltfußcharakter, sind weichhäutig und erhalten ihre Festigkeit durch den Blutdruck des Tieres. Derart gestützte Extremitäten nennt man auch Turgorextremitäten. Sie sind am Rand mit Borsten besetzt und haben je einen kleinen sackförmigen Anhang, der als Kieme fungiert. Daphnien atmen aber auch durch die Oberfläche ihrer Turgorextremitäten und durch ihre gesamte Körperoberfläche. Die Beine sind nicht zur Fortbewegung gedacht, denn diese Aufgabe übernehmen bereits die zweiten Antennen. Die Beinpaare Nummer 3 und 4 dienen vielmehr der Nahrungsaufnahme. Durch einen schnellen und rhythmischen Schlag der Beine werden Wasser und darin enthaltene Nahrungspartikel in den Innenraum der Schalen „gestrudelt“. Die Borsten an den Beinen fungieren als Filter und fangen die Nahrung auf. Diese wird dann in einem Kanal zwischen den Beinen nach oben zum Schlund befördert und gelangt von dort in den Körper bzw. in den Darm.
Der hintere Teil des Tieres (Abdomen oder Pleon) ist leicht gekrümmt. Hier liegen After und ein Paar nach innen gebogene Krallen.
Ökologie
Zu bestimmten Jahreszeiten kann es zu einem Massenauftreten kommen. Daphnien vermehren sich zumeist eingeschlechtlich (parthenogenetisch). Deshalb sind die meisten Daphnien Weibchen. Wenn sich die Umweltbedingungen in ihrem Lebensraum negativ verändern (Trockenheit, Kälte, kürzere Tage, Nahrungsmangel, aber auch Giftstoffe), werden jedoch auch Männchen geboren, die die sexuellen Eier der Weibchen befruchten[2]. Unter diesen Bedingungen findet man bis zu 30 % Männchen. Sexuelle Eier, umgeben mit einer gegen Hitze, Kälte und Trockenheit widerstandsfähigen Hülle (Ephippium), auch „Wintereier“ oder Latenzeier (Dauereier) genannt, können bis zu zwei Jahre Trockenheit überstehen und bei guten Umweltbedingungen wieder ausschlüpfen. Im feuchten Sediment ist die Haltbarkeit der Eier noch höher: In Seensedimenten des nordamerikanischen Oneida Lake konnten Dauereier in Sedimenten von mehr als 100 Jahren Alter noch aus der Dormanz geweckt werden.[3] Diese Fähigkeit gibt den Daphnien die Möglichkeit, austrocknende oder „umgekippte“ Gewässer schnell wieder zu besiedeln. Die Dauereier dienen auch als Ausbreitungsstadien.[2]
Ökotoxikologie
Daphnien leben in Seen und Teichen. Sie reagieren empfindlich auf Schadstoffe im Wasser und lassen über die Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit eine Aussage über Giftstoffe im Wasser zu. Der hierfür genormte Test wird Daphnientest genannt.
Arten (Auswahl)
- Daphnia cristata Sars, 1861 (Spitzkopf-Wasserfloh)
- Daphnia cucullata Sars, 1862 (Helm-Wasserfloh – lateinisch cucullus ‚Kapuze‘, cucullata ‚mit Kapuze‘)
- Daphnia galeata Sars, 1863 (Haubenwasserfloh[4] – lateinisch galea ‚Helm, Lederhelm‘, galeata ‚behelmt‘; gelegentlich auch als Langdorn-Wasserfloh bezeichnet,[5] siehe aber D. longispina)
- Daphnia hyalina Leydig, 1860 (Glas-Wasserfloh)
- Daphnia longispina O.F. Müller, 1776 (Langdorn-Wasserfloh[6] – lateinisch longus ‚lang‘, lat. spina ‚Dorn‘)
- Daphnia magna Straus, 1820 (Großer Wasserfloh)
- Daphnia pulex Leydig, 1860 (Gemeiner Wasserfloh)
Daphnien als Modellorganismus in der Forschung
Einige Arten der Gattung Daphnia werden als Modellorganismus in der biologischen Forschung eingesetzt. Im Zuge dieser Verwendung wird das Genom einiger Arten (D. pulex, D. magna) sequenziert. Es umfasst 31.000 Gene.[7]
Verwendung in der Aquaristik
Daphnien werden häufig als Zierfischfutter für Aquarienfische verwendet. Als Lebendfutter werden sie regelmäßig im Zoofachhandel angeboten. Daneben gibt es sie in tiefgefrorenem oder gefriergetrocknetem Angebot. Sie enthalten wertvolle Ballaststoffe und lösen bei einem Futterwechsel häufig auch die Laichbereitschaft aus. Eine Vermehrung von Wasserflöhen ist auch in einem leeren Aquarium möglich. Am besten eignet sich als Futter dazu Spirulinapulver.[8]
Parasiten
Bakterien der Spezies Pasteuria ramosa sind obligate Parasiten der Daphnien. Nachweislich wurden diese Bakterien in D. magna (Großer Wasserfloh) gefunden, aber auch in D. pulex (Gemeiner Wasserfloh) und D. longispina (Langdorn-Wasserfloh[6]). Die Wirte infizieren sich durch die bakteriellen Sporen im Sediment oder in der Suspension. Der Parasit entwickelt sich hauptsächlich in der Körperhöhle und im Muskelgewebe der Daphnien, nimmt an Konzentration zu, und breitet sich schließlich im gesamten Körper des Wirts aus. Typische Auswirkungen auf den Wirt sind Unfruchtbarkeit und Riesenwuchs. Die Sporen werden hauptsächlich freigesetzt, wenn der Wirt stirbt und auf das Substrat sinkt.[9][10][11]
Der Virusstamm Daphnina iridescent virus 1 (DIV1 oder DIV-1) (Spezies Daphniairidovirus tvaerminne in der Gattung Daphniairidovirus) ist Erreger der Daphnien-Krankheit White fat cell disease (WFCD, deutsch etwa „Weiße Fettzellenkrankheit“). Nach etwa 60 Jahren Suche wurde 2018 der Erreger dieser mysteriösen Krankheit gefunden:[12][13][14] Hatte man zunächst auch Bakterien im Verdacht,[15] stellte sich nun heraus, dass diese Riesenviren aus der Familie der Iridoviridae die Krankheit verursachen.[13]
Weitere Parasiten sind Pilze (Mikropilze), Nematoden, Amöben und Bandwürmer.[15]
Weblinks
- Daphnia Genomics Consortium (Wayback Machine, Archivversion vom 10. März 2010)
- Wir überlisten den Tod: Klaus Schwenk über das ewige Leben der Daphnien. Spiegel online, abgerufen am 13. Oktober 2016.
Einzelnachweise
- N.N.Smirnov: The physiology of the Cladocera. Academic Press, Amsterdam 2014.
- Dieter Ebert: Ecology, Epidemiology, and Evolution of Parasitism in Daphnia. National Center for Biotechnology Information, Bethesda, MD 2005, ISBN 978-1-932811-06-3, Introduction to Daphnia biology (nih.gov).
- Carla E. Cáceres (1998): Interspecific variation in the abundance, production, and emergence of Daphnia diapausing eggs. Ecology 79 (5): 1699–1710. doi:10.1890/0012-9658(1998)079[1699:IVITAP]2.0.CO;2
- Maike Wilstermann-Hildebrand, Cord Friedrich Hildebrand: heimbiotop-newsletter Nr. 16, auf: heimbiotop.de vom November/Dezember 2008
- Albert Keim: Probleme bei der Skalierung des Fraßdruckes vom Fischbestand auf das Zooplankton, in: Fischereiwirtschaft und Fischereibiologie, Österr. Fischereiverband u. Bundesamt f. Wasserwirtschaft auf zoodat.at
- Daphnia longispina, auf: Pling: Teichlebewesen, 16. Juli 2004
- Der Wasserfloh und seine rekordverdächtigen inneren Werte. Auf: wissenschaft.de vom 4. Februar 2011.
- Archivierte Kopie (Memento des vom 15. April 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Dieter Ebert, Paul Rainey, T. Martin Embley, Dimitri Scholz: Development, life cycle, ultrastructure and phylogenetic position of Pasteuria ramosa Metchnikoff 1888: rediscovery of an obligate endoparasite of Daphnia magna Straus. In: Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences, 29. Dezember 1996, doi:10.1098/rstb.1996.0151.
Anm.: Der Artname D. longispina ist offensichtlich verschrieben als D. longispa. - Dieter Ebert, David Duneau, Matthew D. Hall, Pepijn Luijckx, Jason P. Andras, Louis Du Pasquier, Frida Ben-Ami: A Population Biology Perspective on Stepwise Infection Process of Bacterial Pathogen Pasteuria ramosa in Daphnia, in: Advances in Parasitology. Band 91, 2016, S. 265–310, Epub 26. November 2015, doi:10.1016/bs.apar.2015.10.001, PMID 27015951
- Dieter Ebert: Host-parasite coevolution: Insights from the Daphnia-parasite model system, in: Curr Opin Microbiol. Band 11, Nr. 3, Juni 2008, S. 290–301, doi:10.1016/j.mib.2008.05.012, PMID 18556238
- Marisa Wexler: Unmasking an elusive Daphnia disease, auf: Genes to Genomes, Genetics Society of America (GSA), vom 12. April 2018
- V. G. Chinchar, T. Waltzek, K. Subramaniam, V. G. Faria, D. Ebert, J. Jancovich, P. Hick, Q.-Y. Zhang, R. Marschang, R. Whittington, T. Williams, I. A. Ince, H. Jie: 2020.018D.R.Betairidovirinae_1ngen_1nsp.zip (docx, xlsx), ICTV Proposal 2020.018D.R.Betairidovirinae_1ngen_1nsp (accepted)
Anm.: Der Artname Daphnia ist hier teilweise als Daphnina (mit einem ‚n‘ zuviel) verschrieben. - ICTV: ICTV Taxonomy history: Daphniairidovirus tvaerminne
- EOL: Large Water Flea, §Associations, auf: eol.org (Encyclopedia of Life), Quelle: Animal Diversity Web. Abgerufen am 25. Juli 2021