Danwei

Das Prinzip der Danwei (chinesisch 單位 / 单位, Pinyin dānwèi, wörtlich übersetzt „Arbeitseinheit“) wurde mit der Gründung der Volksrepublik China eingeführt. Sie ist dort nach der Familie die kleinste soziale Einheit. Neben der zentral organisierten staatlichen Bürokratie auf der obersten Staatsebene bildet sie auf der untersten Stufe der Exekutive die zentrale Funktionseinheit zur Ausübung staatlicher Macht. Diese Organisation garantiert den staatlichen Durchgriff in alle Lebensbereiche.

Die Danwei wird als diejenige Arbeitseinheit beschrieben, „in der man mit seiner Arbeit und Leistung den Lebensunterhalt verdient, zum großen Teil sein Leben verbringt, seinen sozialen Status und seine soziale Identität erhält sowie fast alle Bedürfnisse befriedigt. Die Danwei kann sich z. B. verkörpern in Form von Fabriken, Forschungsinstituten, Universitäten, Wohnvierteln, Krankenhäusern in der Stadt und als Dorfgemeinde (eine umgewandelte Form von Volkskommune) auf dem Lande. Sie gilt nicht nur als Produktionseinheit, sondern auch als soziale Gemeinde, politisches Gefüge und Lebensgemeinschaft. Außerdem fungiert sie als unterste Stufe der Exekutive, indem über sie die politische und sachbezogene Willensdurchsetzung ermöglicht wird. Da fast alle sozialen Funktionen in der Danwei integriert sind, ist die Danwei in der Lage, in autarker Weise zu existieren und zu überleben. Dies befähigt sie, ihre Mitglieder von ihr in Abhängigkeit zu halten und umfassende soziale Kontrolle auszuüben. Die Willensdurchsetzung der staatlichen Herrschaft ist nur durch die Danwei möglich und effektiv. Deshalb konzentriert sich die staatliche Herrschaftsausübung lediglich darauf, die Danwei durch Ideologie sowie durch physische, materielle und symbolische Macht zu konformem Verhalten zu veranlassen. Will man China verstehen, dann ist es unabdingbar, die Danwei als grundlegende Sozialstruktur der chinesischen Gesellschaft zu betrachten und das 'Danwei-Phänomen' entsprechend zu analysieren“.[1]

Die Einheit von Wohnen und Arbeiten, oftmals dadurch hergestellt, dass Mitarbeiter in Werkssiedlungen ihrer Arbeitgeber wohnen, stellt ein häufiges Merkmal der Danwei dar. Charakteristisch ist die Aufhebung der Anonymität. Die Danwei soll Identität stiften: Am Telefon meldet man sich immer zunächst mit dem Namen der Danwei, dann erst mit dem eigenen Namen. Die Danwei übernimmt eine Reihe von Wohlfahrtsfunktionen, wie zum Beispiel Altersversorgung, medizinische Versorgung, politische und auch soziale Kontrolle (bis hin zur Partnerwahl), Errichtung von Kindergärten und in größeren Danweis auch Schulen. Die wichtigste Wohlfahrtsfunktion der Danwei soll eine lebenslange Arbeitsgarantie sein.

Im Zuge der Wirtschaftsreformen, die sich immer stärker an kapitalistischen Strukturen orientieren, verändert sich der Charakter und der Status der Danweis jedoch dramatisch.[2]

Literatur

  • Michele Bonino, Filippo De Pieri (eds.): Beijing Danwei: industrial heritage in the contemporary city. Berlin 2015.
  • Jutta Hebel: Chinesische Staatsbetriebe zwischen Plan und Markt: von der „Danwei“ zum Wirtschaftsunternehmen. Hamburg 1997.
  • Hanlin Li: Die Grundstruktur der chinesischen Gesellschaft: vom traditionellen Klansystem zur modernen Danwei-Organisation. Opladen 1991.
  • Hanlin Li, Wang Qi: Research on the Chinese work unit society. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien, 1996.
  • Duanfang Lu: Everyday Modernity in China: From Danwei to the “World Factory”. In: Fudan Journal of the humanities & social sciences. 30. Juli 2018, doi:10.1007/s40647-018-0237-8, S. 1–13.
  • Beibei Tang, Luigi Tomba, Werner Breitung: The work-unit is dead. Long live the work-unit! Spatial segregation and privilege in a work-unit housing compound in Guangzhou. In: Geographische Zeitschrift. Band 99, März 2011, Heft 1, doi:10.25162/gz-2011-0004, S. 36–49.
  • Mengli Xiao, Haozhou Lin: Carrots and Sticks: A Case Study of Government-Caused Danwei Tradition in Chinese NGOs. In: Voluntas. Band 27, 17. Juni 2015, Nr. 5 doi:10.1007/s11266-015-9608-9.
  • Ke Yu: Sozialisation im späteren Erwachsenenalter: ein Kulturvergleich zwischen Deutschland und China. Berlin, 2005
  • Mengke Zhang, Teng Zhang, Zuopeng Xiao, Yanwei Chai: Property rights redistribution and the spatial evolution of the Chinese danwei compound: a case study in Beijing. In: Journal of housing and the built environment. 15. Januar 2021, doi:10.1007/s10901-020-09810-z, S. 1–18.

Einzelnachweise

  1. Hanlin Li: Soziale Kontrolle und die chinesische Danwei-Organisation. In: H. Reimann; H.-P. Müller (Hrsg.): Probleme moderner Gesellschaften: Peter Atteslander zum 65. Geburtstag. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, S. 196–223 ff. Zitat S. 196 f.
  2. Mengke Zhang, Teng Zhang, Zuopeng Xiao, Yanwei Chai: Property rights redistribution and the spatial evolution of the Chinese danwei compound: a case study in Beijing. In: Journal of Housing and the Built Environment. 36, Nr. 4, 2021, doi:10.1007/s10901-020-09810-z, S. 1–18
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