Daniel Domscheit-Berg
Daniel Domscheit-Berg (* 1978 in Wiesbaden als Daniel Berg), auch bekannt unter seinem Pseudonym Daniel Schmitt, ist ein deutscher Informatiker, ein ehemaliger Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks und Autor.[1][2] Er ist zudem Gründer von OpenLeaks.
Leben und beruflicher Werdegang
Domscheit-Berg studierte ab 2002 Angewandte Informatik an der Berufsakademie Mannheim und schloss sein Studium 2005 ab. Danach arbeitete er bis Januar 2009 bei Electronic Data Systems in Rüsselsheim, wo er bereits den Praxisteil des dualen Studiums absolviert hatte, als Netzwerkingenieur. Sein beruflicher Schwerpunkt lag in der Informationssicherheit und WLAN-Technologie. Anfang 2009 verließ er jedoch seine damalige Arbeitsstelle für WikiLeaks und zog vom Rhein-Main-Gebiet nach Berlin. Schon während seiner Berufstätigkeit hatte er sich für Informationsfreiheit und Transparenz im Netz engagiert. Nach einem Treffen mit Julian Assange im Jahr 2007 begann er, WikiLeaks mit aufzubauen.[2][3] Im Mai 2012 trat er zusammen mit seiner Frau Anke Domscheit-Berg der Piratenpartei bei.[4][5] Domscheit-Berg war von August 2013 bis Juli 2014 Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Brandenburg[6] und trat 2014 aus der Partei aus.[7] Er gehört zu den Unterstützern der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde.
Domscheit-Berg ist seit 2010 mit Anke Domscheit-Berg verheiratet. Das Ehepaar unterstützt die isländische Initiative zu modernen Medien, die vor allem investigativen Online-Journalismus rechtlich schützen soll, wie ihn WikiLeaks betreibt.[8] Daniel Domscheit-Berg war an den Vorarbeiten für das neue isländische Gesetz beteiligt.[9] Er lebt in Fürstenberg/Havel[10] und ist Erster Vorsitzender des havel:lab e.V.[11], dem Trägerverein des Makerspace Verstehbahnhofs.[12]
Aktivismus
Mitarbeit bei WikiLeaks
Er war neben dem Hauptsprecher Julian Assange und Kristinn Hrafnsson eines der bis dahin bekannten Gesichter der Plattform und einer der wenigen Vollzeitmitarbeiter. Im September 2010 verließ er nach einem Streit mit Assange WikiLeaks. Dieser hatte ihn von seinen Aufgaben suspendiert.[13]
Domscheit-Berg kritisierte danach Assanges Arbeits- und Führungsstil als autoritär. WikiLeaks sei hierarchisch organisiert und intransparent, was für eine Gruppe falsch sei, die Transparenz und demokratische Werte befürworte. Aus Fehlern habe man nicht gelernt. Nach der Veröffentlichung spektakulärer Dokumente habe WikiLeaks stark unter Druck gestanden und die Arbeit an anderen Veröffentlichungen vernachlässigt.[14][1][15]
Domscheit-Berg veröffentlichte im Februar 2011 ein Buch über seine Zeit bei WikiLeaks.[16] Das Buch erschien unter dem Titel Inside WikiLeaks: Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt im Februar des Jahres beim Econ Verlag.[17] Ghostwriterin des Buches war die Zeit-Online-Redakteurin Tina Klopp.[18] Es wurde in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt, die Filmrechte wurden von Dreamworks gekauft.[19] Das Buch wurde von Bill Condon unter dem Titel Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt im Jahre 2013 verfilmt. Daniel Brühl spielte darin Domscheit-Berg. Kontroversen um Inhalt und Ausrichtung des Films hatte es bereits im Vorfeld gegeben. Streitpunkte waren vor allem die Darstellung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange sowie die Darstellung des Konflikts um die Veröffentlichung der US-Militärdokumente, der zum Zerwürfnis zwischen Domscheit-Berg und Assange geführt hatte.[20][21]
In Alex Gibneys Dokumentarfilm We Steal Secrets: Die WikiLeaks Geschichte berichtet Domscheit-Berg über seine Zusammenarbeit mit Assange und seine Zeit bei WikiLeaks.
Im August 2011 wurde bekannt, dass Domscheit-Berg im Streit mit Assange 3.500 unveröffentlichte Wikileaks-Dokumente endgültig zerstört hatte. Darunter soll brisantes Material über 20 rechte Organisationen gewesen sein. Domscheit-Berg begründete die Löschung mit dem Schutz der Quellen, da Wikileaks deren Sicherheit nicht gewährleisten könne[22].
Mitarbeit bei OpenLeaks
Im Dezember 2010 gab Daniel Domscheit-Berg bekannt, dass er plane, zusammen mit Herbert Snorrason und anderen ehemaligen Mitarbeitern von WikiLeaks unter dem Namen OpenLeaks eine eigene Whistleblower-Plattform anzubieten.[23] Die Website von OpenLeaks ging im Januar 2011 online, ist seit Oktober 2012 jedoch nicht mehr erreichbar.
Datenpanne bei WikiLeaks
Anfang September 2011 veröffentlichte WikiLeaks die Depeschen US-amerikanischer Botschaften komplett und unredigiert und zog damit die Konsequenz aus einer Panne, die es Außenstehenden ermöglicht hatte, den entschlüsselten und unredigierten Text bei Cryptome und auf anderen Websites online zu stellen.[24][25] Domscheit-Berg gehörte im Vorfeld zu den Beteiligten, deren Handeln zu dem Datenleck führte.[26][27]
Verbindung zum Chaos Computer Club
Im August 2011 entschied der Vorstand des Chaos Computer Clubs, Daniel Domscheit-Berg aus dem Verein auszuschließen. Vorangegangen war öffentliche Kritik des damaligen Vorstandsmitgliedes Andy Müller-Maguhn an Domscheit-Bergs Verhalten im Zusammenhang mit seiner Trennung von WikiLeaks und der Vorwurf, er habe den Ruf des Chaos Computer Clubs für sein eigenes Projekt OpenLeaks missbraucht.[28][29][30] Er blieb aber Mitglied des selbstständigen CCC Berlin. Der Ausschluss wurde auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des CCC am 5. Februar 2012 zurückgenommen, zeitgleich wurde Müller-Maguhn nicht mehr in den Vorstand des CCC gewählt.[31][32]
Werke
- Daniel Domscheit-Berg: Inside WikiLeaks: Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt. Econ Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-430-20121-6.
Literatur
- Marcel Rosenbach, Holger Stark: Staatsfeind WikiLeaks. Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011, ISBN 978-3-421-04518-8.
- Daniel Domscheit-Berg im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Weblinks
- Literatur von und über Daniel Domscheit-Berg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Daniel Domscheit-Berg bei IMDb
- Der gute Verrat, Artikel von Daniel Domscheit-Berg für „Der Freitag“ am 14. Oktober 2010
- Der Machtkampf bei "Wikileaks", NDR/Zapp vom 29. September 2010
- Interview mit Daniel Domscheit-Berg (21 Minuten)
- Podcast eines Interviews mit Domscheit-Berg auf Netzpolitik.org (September 2010)
Einzelnachweise
- Deutscher Wikileaks-Sprecher geht im Streit bei spiegel.de, abgerufen am 7. Oktober 2010.
- Ullstein Buchverlage:Autorenportrait. Abgerufen am 21. Dezember 2010.
- Scribe Publications: Autorenportrait. Archiviert vom am 19. Februar 2011; abgerufen am 22. Dezember 2010.
- Focus Online am 10. Mai 2012: Anke Domscheit-Berg wechselt zu den Piraten. Abgerufen am 10. Mai 2012.
- Spiegel Online am 11. Mai 2012: Ex-WikiLeaks-Sprecher ist Pirat. Abgerufen am 11. Mai 2012.
- wiki.piratenbrandenburg.de/Vorstand. Abgerufen am 18. Juli 2014.
- Tweet von Anke Domscheit-Berg. Abgerufen am 9. September 2016.
- Unterstützerliste für das Gesetzespaket. Archiviert vom am 18. Juli 2011; abgerufen am 21. Dezember 2010.
- Marcel Rosenbach, Holger Stark: Staatsfeind WikiLeaks. Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert. S. 114–116. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011, ISBN 978-3-421-04518-8.
- Der mühsame Kampf gegen die Internet-Überwachung, Der Tagesspiegel, 11. Juli 2013.
- havel lab e.V.: über. In: havel lab e.V. -- Verein zur Förderung von Neugier und Entdeckertum. Archiviert vom am 5. Dezember 2019; abgerufen am 28. Februar 2020.
- havel:lab e.V.: Über uns. In: Verstehbahnhof. Archiviert vom am 30. August 2018; abgerufen am 28. Februar 2020.
- Marcel Rosenbach, Holger Stark: (S+) »Mir bleibt nur der Rückzug«. In: Der Spiegel. 26. September 2010, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 13. April 2023]).
- Rosenbach, Marcel und Stark, Holger: Mir bleibt nur der Rückzug. In: Der Spiegel. Nr. 39, 2010, S. 190 f. (online).
- Mainzer Rhein-Zeitung online am 3. Dezember 2010: 13 Punkte: Wikileaks-Aussteiger erklärt die Plattform und wie es weitergeht. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 28. Juli 2011; abgerufen am 25. Dezember 2010.
- Interview bei Der Freitag vom 9. Dezember 2010. Abgerufen am 8. Februar 2011.
- Verlagsinformation. Abgerufen am 8. Februar 2011.
- WikiLeaks-Buch: Enttäuschte Liebe. Abgerufen am 13. Februar 2011.
- Tobias Kniebe: Jäger der verlorenen Akten. Abgerufen am 13. April 2023.
- Inside Wikileaks – die fünfte Gewalt, Detlef Borchers, heise.de, 23. Oktober 2013 0213
- Kinofilm „Inside Wikileaks“: „Es klebt Blut an den Händen von Assange!“, Detlef Borchers, faz.net, 23. Oktober 2013
- Daniel Domscheit-Berg: Wikileaks-Mitbegründer ist ein Pirat - Golem.de. Abgerufen am 28. Juli 2020 (deutsch).
- Zeit.de am 10. Dezember 2010: Wikileaks-Aussteiger gründen eigene Plattform. Abgerufen am 8. Februar 2011.
- Heise.de am 2. September 2011: Wikileaks: Alles muss raus (Update). Abgerufen am 5. September 2011.
- „Cryptome has decrypted the "z.gpg" file from the Wikileaks Archive using the passphrase obtained from several sources: ACollectionOfDiplomaticHistorySince_1966_ToThe_PresentDay# The decrypted "z.7z" file will be mailed on a DVD by request to cryptome[at]earthlink.net with the subject: z7z. For the DVD provide a postal address.“„The decrypted file is "z.7z," 368MB, which unzips to "cables.csv," about 1.7GB in size, dated 4/12/2010.“„http://cryptome.org/z/z.7z (368MB - CSV version)“ in: Cryptome. Abgerufen am 5. September 2011 (englisch).
- Spiegel Online am 1. September 2011: Datenleck bei WikiLeaks. Depeschen-Desaster in sechs Akten. Abgerufen am 11. September 2011.
- Frankfurter Rundschau am 31. August 2011: Wikileaks-Streit um Datenleck eskaliert. Abgerufen am 13. September 2011.
- Zeit online am 14. August 2011: CCC wirft Domscheit-Berg raus. Abgerufen am 14. August 2011.
- Netzpolitik.org am 14. August 2011: Kommentar: Vorstand schmeißt Daniel Domscheit-Berg aus dem CCC. Abgerufen am 14. August 2011.
- Interview mit Andy Müller-Maguhn. In: Der Spiegel. Nr. 33, 2011, S. 81 (spiegel.de).
- Golem.de: IT-News für Profis. Abgerufen am 13. April 2023.
- Ergebnis der außerordentlichen Mitgliederversammlung. Abgerufen am 5. Februar 2012.