Dachbinder (Holzbau)
Ein Dachbinder ist ein vertikales großflächiges tragendes und aussteifendes Bauteil einer Dachkonstruktion aus mehreren verbundenen Einzelteilen. Dachbinder mit parallelen oder annähernd parallelen Ober- und Untergurten werden oft auch als Träger bzw. Fachwerkträger bezeichnet.
Aus statischer Sicht setzt sich der Binder – ebenso wie ein Fachwerkträger – aus mehreren Stabdreiecken zusammen.
Bei Stahlkonstruktionen ist auch die Ausbildung von biegesteifen Ecken (Knoten) wie bei einem Rahmen denkbar.
Dachbinder in klassischen Holzdachstühlen, Satteldach
Dachbinder für kleinere Dächer können in der Abbundhalle oder auf dem Zimmerplatz vormontiert und komplett zur Baustelle transportiert werden.
Sparrendach mit und ohne Kehlbalken
Bei einem Sparrendach sind jeweils zwei Sparren mit dem Dachbalken (dem obersten Deckenbalken, Bundbalken, Binderbalken) über Versatz und Verbolzung oder Sparrenhalter zum Dachgebinde verbunden. Da jedes dieser Stabdreiecke einen Binder bildet, bestehen Sparren- und Kehlbalkendächer im Gegensatz zu Pfettendächern ausschließlich aus Bindern.
Sparrenbinder oder Sparrendreieck
Der Sparrenbinder bzw. das Sparrendreieck ist der einfachste Dachbinder, der beim Sparrendach Verwendung findet. Er besteht aus zwei Sparren und einem Dachbalken (Bundbalken, der auch gleichzeitig der Deckenbalken des darunter liegenden Geschosses sein kann) und ist auch als Satteldachbinder bekannt.
Kehlbalkenbinder
Überschreiten die Sparren des Binders eine gewisse Länge, ist es wirtschaftlich, in den Binder zusätzliche, meist horizontal angeordnete Hölzer (Kehlbalken) einzufügen, um eine übermäßige Durchbiegung der Sparren zu verhindern. Diese Hölzer bilden bei ausgebauten Dachräumen dann häufig die Dachgeschoss-Decke, auch als Kehlbalkendecke bezeichnet.
Pfettendach
Beim Pfettendach liegen die Sparren auf sogenannten Pfetten auf. Diese großen Balken verlaufen am First, an der Traufe oder in der Mitte der Dachfläche und liegen jeweils an den Enden auf den Giebelwänden auf. Ein kleines Pfettendach benötigt neben den Sparren und Pfetten keine zusätzliche Tragkonstruktion oder aussteifende Elemente wie etwa Bund- oder Kehlbalken. Bei größeren Pfettendächern müssen die Pfetten unterstützt werden. Eine Möglichkeit ist es, die Pfetten jedes dritte, vierte oder fünfte Sparrenfeld mit einem Dachbinder zu unterstützen und damit den Dachstuhl insgesamt auch gleichzeitig auszusteifen. Beim liegenden Stuhl tragen die Binder zugleich die Firstpfette und die gegebenenfalls vorhandene Mittelpfette. Beim stehenden Stuhl sollten die Binder bei symmetrischer Dachlast keine Belastung erfahren und erst dann zur Versteifung herangezogen werden, wenn durch einseitige Schneelast oder Winddruck horizontale Kräfte auf die Dachkonstruktion einwirken.
- Zeichnung eines historischen Dachbinders bei einem Pfettendach. Der Binder ist das Dreieck, was auf den Mauerlatten (geschnitten) aufliegt und die Pfetten (geschnitten) trägt.
- Bezeichnungen am Dachbinder eines Pfettendaches
- Detail eines traditionellen Dachbinders bei einem „Pfettendach mit einfachem Sprengwerk“ und Unterstützung der Firstpfette.
Dach mit Sparrenpfetten
Dächer mit Sparrenpfetten benötigen Dachbinder zur Unterstützung der Sparrenpfetten.
Weitere Dachbinder, nach (Dach-)Form
Unterschiedliche Dachformen bedingen unterschiedliche Dachbinderformen:
- Pultdachbinder
- Trapezbinder
- Doppeltrapezbinder
- Mansardbinder
- Bogenbinder
- Walmdachbinder (sind eine Gruppe aus mehreren Binderformen)
- Schifterbinder (Spezieller Pultdachbinder bei einem Walmdach)
- Parallelbinder
Alle lassen sich als Fachwerkbinder herstellen, einige auch als Leimbinder.
Weitere Dachbinder, nach Verbindungstechnik
Im modernen Dachbau werden Holzverbindungen zur Verbindung von Hölzern immer seltener benutzt. Stattdessen werden Stahlwinkel, Nagelplatten oder Lochbleche verwendet. Trotzdem ist die Schiftung weiterhin noch nötig, diese Arbeit kann aber meist mit den Abbundprogrammen, Abbundmaschinen oder Abbundstraßen ausgeführt werden, ein Aufschnüren auf dem Reißboden ist nicht mehr nötig.
Bohlenbinder
Um 1800 wurden erstmals größere Dachkonstruktionen mit Trägern aus nebeneinandergelegten und miteinander vernagelten Bohlen oder Brettern hergestellt, die Bohlenbinder genannt wurden. Gegenüber den bis dahin üblichen Fachwerkkonstruktionen konnten damit auch Binder mit gerundetem Obergurt für Kuppelkonstruktionen gefertigt werden.
Nagelbinder
Hierbei handelt es sich um Fachwerkbinder die auch als Brettbinder bezeichnet werden. Das Tragwerk besteht aus Druck- und Zugstäben, die an den Knotenpunkten mittels hölzernen Laschen und Nägeln nach einem genauen Nagelbild kraftschlüssig verbunden werden. In der Regel sind Nagelbinder aus mehreren Lagen Brettern hergestellt. Insofern ähneln sie Bohlenbindern, die jedoch meist nicht von vorneherein als Fachwerkbinder ausgebildet, sondern eher nach der Montage durch eine zusätzliche Fachwerkkonstruktion ausgesteift werden.
Nagelplattenbinder
Nagelbinder wurden seit den 1970er Jahren zunehmend als „Nagelplattenbinder“ (NPB) gefertigt, bei denen die Knotenpunkte durch standardisierte „Nagelplatten“ verbunden werden. Das sind Stahlblechplatten, aus denen in regelmäßigen Abständen schmale Blechstücke herausgestanzt und abgewinkelt wurden, die dann wie Nägel einseitig herausstehen. Die in Deutschland verwendeten Nagelplatten bedürfen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt). Nagelplatten werden über den Holzstößen mit Spezialwerkzeugen hydraulisch liegend beidseitig in das Holz eingepresst. Holzquerschnitte und Nagelplatten werden, wie bei herkömmlichen Konstruktionen, statisch bemessen. Auf Grundlage der Bemessungsnormen DIN 1052 und DIN EN 1995 (EC5) sind Nagelplattenbinder im Bereich der Nutzungsklassen 1 und 2 anwendbar.
Für Bauwerke sind diese Tragwerke mit Nagelplattenverbindungen als Bauprodukt nach DIN 1052 geregelt und in der Bauregelliste A Teil 1, Ausgabe 2012/2 Nr. 3.3.1.2.2 gelistet. In der Bauregelliste ist als Anforderung an die Herstellbetriebe eine Überwachung und Zertifizierung nach den Landesbauordnungen vorgeschrieben. Alle Nagelplattenbinder müssen ein Ü-Zeichen tragen. Im Ü-Zeichen müssen neben Hersteller und Herstellwerk als technische Regel die DIN 1052 sowie die Kurzbezeichnung der Zertifizierungsstelle angegeben sein.
Nagelplattenbinder werden häufig bei Hallen und anderen eingeschossigen Gebäuden verwendet, die größere Flächen stützenfrei überspannen sollen, wie es etwa bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben wie Supermärkten der Fall ist. Nagelplattenbinder sind Tragwerke des Ingenieurholzbaus.
Neben weitgespannten Dachkonstruktionen werden Nagelplattenbinder gelegentlich auch bei Dachkonstruktionen für Wohnhäuser verwendet, insbesondere bei flach geneigten Sattel- oder Walmdächern. Sogenannte Studiobinder ermöglichen flexibel zur Wohnnutzung ausbaubare Dachgeschosse und große, stützenfreie Innenräume im Dachraum.
Hersteller von Nagelplatten und verarbeitende Holzbauunternehmen sind im Interessenverband Nagelplatten e.V. (GIN) zusammengeschlossen.
Eine Dachkonstruktion mit Nagelplattenbindern kann im Brandfall ein erhöhtes Risiko darstellen. Dem Institut der Feuerwehr NRW zufolge ist "beim Versagen eines Nagelplattenbinders keine Lastumlagerung möglich, d. h. es folgt fast immer der Totaleinsturz".[1]
Leimbinder
In der Fachsprache Brettschichtholzbinder oder kurz BSH-Binder genannt. Aus ca. 40 mm starken Holzlamellen wird durch Verleimung ein beliebig großer Holzquerschnitt erzeugt. Es werden Bretter schichtweise miteinander verleimt, daher der Name. Brettschichtholzbinder dürfen nur in dafür zugelassenen Betrieben mit strengen Fertigungsrichtlinien hergestellt werden.
Zur Geschichte
Einer der bedeutendsten deutschen Pioniere auf diesem Gebiet war der in Weimar ansässige Großherzogliche Hofzimmermeister und Unternehmer Karl Friedrich Otto Hetzer (1846–1911). In einem Werbeprospekt um 1910 mit dem Titel Otto Hetzer Weimar – Neue Holzbauweisen verwies das Unternehmen auf 20 deutsche und ausländische Patente, die Dachkonstruktionen und Tragwerke betreffen. Damit gilt Otto Hetzer heute noch als maßgebender Begründer des Holzleimbaus.
Ein Hetzer-Binder ist ein Dachbinder mit I-förmigem Querschnitt. Er besteht aus verschiedenen miteinander verleimten Hölzern (Buche für Druckzone, Fichte für Zugzone) und kann je nach Spannweite mit hölzernen oder eisernen Zugbändern versehen sein. Ein damit errichtetes Dach- oder Hallentragwerk eignet sich für die stützenfreie Überwölbung weiter Räume. Die Hallen werden dank ihrer relativ flachen und stützenfreien Dachkonstruktion zum Beispiel als Montage- oder Lagerhallen gebaut.
Spezielle Techniken für Parallelbinder
Eine Technik speziell für Parallelbinder sind Wellstegträger. Eine andere nutzt OSB-Platten als Steg.
- Parallelbinder mit einer OSB-Platte
- Gekreuzte Parallelbinder
Weitere Binder
Neben Dachbindern gibt es noch weitere Binder:
- Trockenbodenbinder oder auch Lagerbodenbinder
- Schalungsbinder (als Lehrgerüst für Betonbauteile beliebiger Form meist im Betonbrückenbau)
- Studiobinder oder auch Wohnraumbinder
Weblinks
- Nagelplattenbinder nach DIN 1052:2008-12 (PDF; 5,6 MB)
- Nagelplattenbinder, DIN EN 14250, Feuerwiderstand, Brandverhalten, Festigkeit usw. Bei Bauprofessor.de
- Holzbauweisen in Luegers Lexikon der gesamten Technik
Einzelnachweise
- Schwachpunkt Nagelplatten-Dachkonstruktionen, Jan Helm, Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen