DR-Baureihe V 100

Als Baureihe V 100 (ab 1970: 110) bezeichnete die Deutsche Reichsbahn vierachsige Streckendiesellokomotiven für den mittleren Dienst.

DR-Baureihe V 100
DR-Baureihe 108/110/111/112/114/199.8
DB-Baureihe 201/202/203/204/298
112 302
112 302
112 302
Hersteller: LKM Babelsberg, LEW Hennigsdorf
Baujahr(e): 1966–1985
Ausmusterung: ab 1992
Achsformel: B’B’
Spurweite: 1435 mm
Länge über Puffer: 13 940 mm / 14 240 mm (mit Einheitszugkasten)
Höhe: 4255 mm
Breite: 3100 mm
Drehzapfenabstand: 7000 mm
Drehgestellachsstand: 2300 mm
Gesamtradstand: 9300 mm
Kleinster bef. Halbmesser: 80 m
Dienstmasse: 64,0 t
Reibungsmasse: 64,0 t
Radsatzfahrmasse: 16,0 t
Höchstgeschwindigkeit: (65 km/h) 100 km/h oder 80 km/h
Installierte Leistung: 110: 736 kW (1000 PS)
108: 750 kW (1020 PS)
112: 883 kW (1200 PS)
114: 1100 kW (1500 PS)
Anfahrzugkraft: 227 kN (Langsamgang) / 155 kN (Schnellgang)
Treibraddurchmesser: 1000 mm
Motorentyp: 110: MWJ 12 KVD 18-21 A-2 und A-3
112: MWJ 12 KVD 18-21 AL4
114: MWJ 12 KVD 18-21 AL5
108: MWJ 12 KVD 18-21 A5
Motorbauart: Zwölfzylinder-Viertaktdieselmotor in V-Anordnung mit Abgasturbolader
(teilweise Ladeluftkühlung)
(64 126 cm³)
Nenndrehzahl: 1500 min−1 / 1100 min−1
Leistungsübertragung: hydrodynamisch
Tankinhalt: 2500 l[1]
Bremse: einlösige Knorr-Druckluftbremse
Lokbremse: Druckluftbremse
Zugbremse: Druckluftbremse
Zugheizung: Dampfheizung (Dampfkessel Bauart Köthen)
Kupplungstyp: Schraubenkupplung
Lokomotiven mit Einheitszugkasten auf Einbau von Mittelpufferkupplungen vorbereitet
* 201.2–8, 204, 293

Geschichte

Fabrikschild einer V 100

Das Mitte der 1950er Jahre von der Deutschen Reichsbahn (DR) aufgestellte Diesellokprogramm zur Ablösung der Dampflokomotiven enthielt die Baureihen V 15, V 60, V 180 und V 240. Es fehlte jedoch eine Lokomotivbauart mit etwa 1.000 PS (ca. 700 kW) Leistung für den leichten bis mittleren Personen- und Güterzugdienst sowie den schweren Rangierdienst, die die Dampflokomotiven der Baureihen 38, 55, 57, 78 und 93 hätte ersetzen können. Diese Lücke sollte zunächst durch Import von auf der sowjetischen TGM3 basierenden Maschinen gefüllt werden. Als klar wurde, dass die Sowjetunion nicht im Stande sein würde, die Lokomotiven zu liefern, wurde 1963 mit der Entwicklung einer eigenen 1000-PS-Diesellokomotive begonnen, wobei möglichst viele Teile der V 180 Verwendung finden sollten.

Als Ergebnis entstand beim Lokomotivbau Karl Marx Babelsberg eine vierachsige Diesellokomotive mit Mittelführerstand und hydraulischer Kraftübertragung. Das erste Baumuster (blaue Lackierung) von 1964 hatte noch den aus der V 180 bekannten 900-PS-Motor, das zweite Baumuster von 1965 (rote Lackierung) erhielt bereits den 1000-PS-Motor vom Typ 12 KVD 18/21 A-3 vom VEB Motorenwerk Johannisthal der Serie. Die beiden Baumuster wurden nicht von der Deutschen Reichsbahn übernommen. Sie wurden 1968 bei einem Großbrand im Raw Cottbus zerstört. Die Nummern wurden später neu besetzt.

Musterlok V 100 003

Nachdem sich abzeichnete, dass die Serienfertigung aus Kapazitätsgründen beim Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“ Hennigsdorf stattfinden sollte, baute dieser 1966 eine weitere Musterlok (V 100 003). Diese (dritte und älteste erhaltene) Lokomotive befindet sich heute als Leihgabe des DB-Museums Nürnberg beim Förderverein Berlin-Anhaltische Eisenbahn in Lutherstadt Wittenberg und trägt die ursprüngliche Lackierung (creme mit grünen Streifen). Sie hat auch noch eine gefälligere Formgebung des Oberteils der Motorhauben. Bei den dann in Serie gebauten Maschinen ähnelt die Oberseite der Abdeckung der Maschinenanlage lediglich einem sehr flachen Satteldach. Auch trugen die später gefertigten Maschinen meist nur noch eine „Bauchbinde“, was wie bei den Lokomotiven der Reihe V 180 weniger weißen Lack und Abklebearbeiten erforderte. Ein Jahr später begann die Serienfertigung, die Lokomotiven erhielten die Nummern V 100 004 bis 171.

Zum Einsatz auf Nebenstrecken mit geringerer Achslast wurde versucht, die Masse der Lokomotiven zu verringern. So wurde unter anderem auf das Stufengetriebe verzichtet. Damit konnte die Betriebsmasse auf 63 Tonnen gesenkt werden. In dieser Version wurden von 1969 bis 1978 696 Lokomotiven gebaut, die Erste als V 100 201, die Letzte dann schon mit neuer Baureihenbezeichnung als 110 896.

Die V 100 ersetzten in den folgenden Jahren fast alle Länderbahnlokomotiven im mittleren Leistungsbereich und kamen dabei vor fast allen Zugarten in der gesamten DDR zum Einsatz. Das letzte gebaute Exemplar mit 1000 PS war die 1978 gebaute 110 896.

Nach Zusammenschluss der deutschen Bahnen waren die Lokomotiven im Personenverkehr wie ihr DB-Pendant überzählig. Zusätzlich traten ungewöhnliche Schlingerprobleme auf, die auf Hohllauf der Radprofile zurückgeführt wurden. Auf neu eingebauten Schienen mit geschliffener Fahrfläche schaukelten sich die Lokomotiven bei höheren Geschwindigkeiten auf. Die Deutsche Bahn AG setzte die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herab. Da durch diese Geschwindigkeit der Einsatz auf Hauptstrecken nur noch bedingt möglich war, wurden viele Lokomotiven abgestellt. Einzelne wurden später aus diesem Grund mit Schlingerdämpfern an den Drehgestellen nachgerüstet.

V 100.3 in China

Insgesamt wurden 1146 Lokomotiven gebaut, 748 als V 100.1, 120 als V 100.2, 86 als V 100.4 und V 100.5 sowie 190 als V 100.2 und V 100.3 für den Export nach China (werksinterne Bezeichnungen der Varianten, nicht zu verwechseln mit den Baureihennummern).[2]

Technische Merkmale

114 703 im November 2021 im Bahnhof Halle (Saale) Hbf in der Farbgebung der Deutschen Reichsbahn

Die Lokomotive läuft auf zwei zweiachsigen Drehgestellen, die über je einen Drehzapfen angelenkt sind. Der Hauptrahmen, in den ersten Serien (bis zur V 100 103) mit Langträgern in Fischbauchform, stützt sich über Schraubenfedern mit Gleitplatten auf diesen Drehgestellen ab. Der Verzicht auf die Fischbauchträger verringerte die Masse um 1,8 Tonnen, was zur Tauglichkeit auch für Strecken mit 15t Achslast führte.[3]

Die Lokomotive besitzt einen Mittelführerstand. Im vorderen Vorbau sind der Dieselmotor und die Kühlanlage untergebracht. Im hinteren Vorbau haben Lüftergenerator, Lichtanlassmaschine, Schaltschrank 3, Luftgerüst, Luftbehälter, Batterien, der Heizkessel (oder entsprechende Vorwärmgeräte, beispielsweise darf der 883 kW-Motor erst ab 15 °C Öl- und 50 °C Kühlwassertemperatur angelassen werden[4]), Ballastgewichte sowie die Fahrzeugeinrichtung der Zugbeeinflussung und meist auch das Zugfunkgerät ihren Platz.

Im Fahrzeugrahmen unter dem Führerstand hängt das Strömungsgetriebe. Es ist über eine Gelenkwelle mit dem Motor verbunden. Das Getriebe hat einen Anfahr- und zwei Marschwandler sowie ein Wendegetriebe. Die ersten Lokomotiven (V 1000–1) waren noch mit einem Stufengetriebe ausgerüstet, das die Optionen Strecken- und Rangiergang bot. Weil aber diese Baureihe (bis auf die späteren Unterbauarten 108 und 111) kaum im Rangierdienst zum Einsatz kam, verzichtete man ab 1969 (V1002) auf diesen Getriebeteil. Vom Getriebe erfolgt der weitere Kraftfluss über Gelenkwellen zu den Radsatzgetrieben. Die Radsätze eines Drehgestells sind über eine weitere Gelenkwelle miteinander verbunden. Links und rechts vom Getriebe sind die Kraftstofftanks angebracht.

Die Lokomotiven sind mit einer vierunddreißigpoligen Vielfach- und Wendezugsteuerung ausgerüstet. Deshalb wird die Drehzahl des Original-Dieselmotors elektromechanisch verstellt. Dazu können am Fahrschalter, der mit einem Trabant-Lenkrad[5] betätigt wird, sechs Fahrstufen vorgewählt werden, die ein elektrischer Drehzahlversteller dann am Regler der Blockeinspritzpumpen einstellt. Die Motordrehzahl steigt dabei, von 650/min Leerlaufdrehzahl bei Stufe 1 und 1000/min bei Stufe 2 ausgehend, in 125/min-Schritten bis auf 1500/min.[4] Die Lokomotive ist für eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zugelassen, die jedoch für DB-Lokomotiven auf 80 km/h herabgesetzt wurde.

Zur Beheizung der Züge war am hinteren Ende der Lokomotive ein automatisch arbeitender Niederdruckdampfheizkessel eingebaut. Das Speisewasser wurde an Bord durch Ionenaustauscher aufbereitet. Den Heizkessel steuerte ursprünglich eine Relaislogik (RELOG-Steuerung). Im Zuge der Modernisierung erfolgte in den 1970er Jahren eine Umstellung auf Translogsteuerung (Transistor-Dioden-Logik, TRANSLOG-Steuerung). Alle Fahrzeuge wurden schrittweise umgerüstet. Da bereits Ende der 1980er Jahre praktisch keine neuen Bausteine mehr zu erhalten waren, war es unumgänglich, wieder eine Ablösung zu entwickeln. Um nicht erneut der schnellen Technologiefolge zum Opfer zu fallen (TTL- und KME3-Schaltkreise waren schon wieder veraltet), wurde eine neue Relogsteuerung konzipiert und als Ablösevariante gebaut.

Ab der zweiten Serie (V 100 044–103) gab es leichte bauliche Veränderungen: Die Abdeckung der Vorbauten ragte über diese hinaus und war mit Schnellverschlüssen befestigt.[6]

Bauartvarianten

Baureihe 112 (DB-Baureihe 202)

202 167 im August 1992 in Altenberg, Erzgebirge

Versuchsweise erhielten 1972 drei 110er einen 1200-PS-Dieselmotor, was sich auch im Schnellzugdienst ausgezeichnet bewährte. Das Strömungsgetriebe wurde – wie andere Bauteile auch – entsprechend angepasst. Zwischen 1981 und 1990 erfolgten die Umbauten auf 1200PS (883kW) im Raw Stendal unter Verwendung der Motoren 12 KVD 18/21 AL-4 und AL-5. Nach unterschiedlichen Quellen wurden in Stendal 492 oder 504 Lokomotiven umgebaut.

Baureihen 114 und 115 (DB-Baureihe 204)

204 492 der Railion NL in Sas van Gent

Die Entwicklung endete mit der Baureihe 114 (neue Bezeichnung 204) mit einem 12 KVD 18/21-AL4 und ab 1988 mit einem 12 KVD 18/21-AL5. Da die 1200 PS auf Steilstrecken in den Mittelgebirgen durchaus noch zu wenig waren, wurden immer wieder Versuche mit weiterentwickelten Motoren und Getrieben gemacht. Zunächst wurden Motoren mit 1400 PS (1029 kW) Nennleistung und zwei Kühlkreisläufen eingebaut, was dem Nummernschema der DR entsprechend zur Einordnung in die Baureihe 114 führte. Mit dieser Leistung waren die Motoren vorerst am Limit angelangt, eine Folge war die Neigung zu Kolbenfressern und insgesamt mehr Verschleiß sowie Störanfälligkeit war die Folge.[4] Mit der Verfügbarkeit eines verbesserten Abgasturboladers konnte die Leistung auf 1500 PS (1100 kW) erhöht werden. Dieser 1100-kW-Motor wurde 1983 zuerst in die schon mehrfach mit verbesserten Motoren ausgerüstete 110 203 und die 110 358 eingebaut.[7] Solche Maschinen bildeten ab 1. April 1983 die Baureihe 115. Als nur noch 1100-kW-Motoren im Umbauprogramm eingebaut wurden, entschloss sich die Deutsche Reichsbahn im Herbst 1983, die umgebauten Lokomotiven in der Baureihe 114 zusammenzufassen. Die Reihenbezeichnung 115 sollte für geplante Neubaulokomotiven freigehalten werden. Der ab 1988 verwendete 12 KVD 18/21-AL5 hatte ein Zweikreis-Kühlsystem, eine neue Kurbelwelle und Zylinder und für jede Einspritzpumpe eine Kraftstoffpumpe. Dieser neue Motor wurde nachträglich auch in die schon vorher umgerüsteten Lokomotiven eingebaut. Insgesamt wurden zwischen 1983 und 1991 im Raw Stendal 65 Lokomotiven umgebaut.[8]

Alle Lokomotiven im Betriebsbestand erhielten bei der Einführung des gemeinsamen Nummernplanes 1992 die Stammnummer 204 und wurden am 1. Januar 1994 von der Deutschen Bahn übernommen. Die letzte 204 wurde im Mai 2009 ausgemustert.

Weitere Maschinen wurden an Tochterunternehmen der Railion (heute: DB Cargo) verkauft. Die Lokomotiven 204 366, 399, 492, 616 und 626 waren bei Railion Nederland stationiert und wurden dort im Güterverkehr auf niederländischen Strecken eingesetzt. Heute fahren Lokomotiven dieser Baureihe auch in Bulgarien und Rumänien.

Die Lokomotive 103 der MEG (DB-Betriebsnummer 204 774) wurde den Dampflokfreunden Salzwedel als Leihgabe überlassen. Sie ist im ehemaligen Bahnbetriebswerk Wittenberge abgestellt.

Baureihe 108 – 110 156 und 110 161 (DB-Baureihe 298)

1978 wurden im Raw Stendal versuchsweise zwei Lokomotiven der Baureihe 110 auf ein hydrodynamisches Wendegetriebe für den schweren Rangierdienst umgebaut. Dieses Getriebe hatte je zwei Vorwärts- und Rückwärtswandler, die zum dynamischen Bremsen genutzt werden konnten. Das neue Getriebe reduzierte so den Verschleiß an den Bremssohlen und Radreifen und beschleunigte den Richtungswechsel. Bei der Betriebserprobung auf dem Güterbahnhof in Halle/S wurden so Bremssohlen-Standzeiten von bis zu 2 Jahren erreicht. Die Lokomotiven erhielten verbrauchsoptimierte Motoren mit einer auf 750 PS verminderten Leistung, die sich jedoch nicht bewährten und deshalb wieder ersetzt wurden. Im Rahmen der Versuche wurden die Lokomotiven in 108 001 und 002 umgezeichnet und erhielten nach Umbau auf die Serienmotoren wieder ihre ursprünglichen Betriebsnummern. 1985 gab es eine erneute Umbezeichnung in die Baureihe 108, diesmal mit den ursprünglichen Ordnungsnummern. Wegen des ausschließlichen Einsatzes als Rangierlokomotiven wurden die Heizkessel entfernt und die Farbgebung geändert. Hatte die Baumusterlokomotive anfangs nur übergangsweise orange Kontrastflächen an den Fronten erhalten, wurden später die Aufbauten bei beiden Lokomotiven komplett orange lackiert. Es blieb allerdings vorerst bei diesen zwei Lokomotiven. Die 108 002, die später in 108 161 umbezeichnet wurde, erhielt einen seitenbedienten Führerstand mit Veränderung des Einstiegs und unterschied sich somit äußerlich von der Ursprungsbauart. 1992 erhielten die Lokomotiven die neue Baureihenbezeichnung 298, 1997 wurde eine Funkfernsteuerung eingebaut.

Baureihe 111 (DB-Baureihe 293)

298 301, frühere 111 001 in Niesky

1981 begann die Auslieferung der Baureihe 111 an die Deutsche Reichsbahn. Für den schweren Rangierdienst wurde ab Werk an Stelle der Zugheizanlage ein Ballastgewicht eingebaut. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde zugunsten einer gesteigerten Zugkraft bei diesen Triebfahrzeugen durch eine Änderung der Getriebeübersetzung auf 80 beziehungsweise 65 km/h herabgesetzt. Bis 1983 wurden 37 Lokomotiven gebaut. 1992 erhielten sie die neue Baureihenbezeichnung 293, wenn sie nicht bereits vorher in die Baureihe 298.3 umgebaut worden waren. Bis 1993 wurden alle Lokomotiven zur Baureihe 298.3 umgebaut.

Baureihe 298

1990 kam man nach längerer Erprobung der beiden Lokomotiven der Baureihe 108 zu dem Entschluss, dass das hydrodynamische Wendegetriebe auch für die schweren Rangierloks der 111 geeignet wäre. So wurden die 111 036 und 037 zu weiteren Baumusterlokomotiven der Baureihe 108 umgebaut. 1991 begann der serienmäßige Umbau, einhergehend mit der Umzeichnung im Vorgriff auf das gemeinsame Nummernschema zur Baureihe 298. Bis 1993 war der Umbau aller Lokomotiven abgeschlossen. Von 1996 bis 1998 gab es zusätzlich einen Umbau auf Funkfernsteuerung, dem zwei Lokomotiven durch Verkauf an das Stahlwerk Thüringen/Unterwellenborn „entgingen“. Alle Lokomotiven der BR 298 haben statt der V-100-Fahrsschalter mit Handrad für die Motordrehzahl auf beiden Seiten je zwei schmale Pulte unter den seitlichen Fenstern mit seitenbedienbaren Joysticks für Vorwärts- und Rückwärtsfahrt. Diese sind symmetrisch angeordnet, so dass alle relevanten Bedienelemente (Fahrschalter, Führerbremshebel, Zusatzbremse) insgesamt viermal vorhanden sind. Einige Lokomotiven wurden mit einer Vconst.-Schaltung ausgerüstet, um den Betrieb am Ablaufberg zu vereinfachen. 2005 erhielten vier Lokomotiven neue Caterpillar-Motoren mit 772 kW (1050 PS) Leistung. 2007 wurden weitere 21 Lokomotiven remotorisiert. Dabei erhielten sie eine neue Hauptgelenkwelle, einen neuen Kühlkreislauf und eine veränderte Abgasanlage mit neuem Schalldämpfer.

Baureihe 110.9 (DB-Baureihe 710)

110 961 mit Bauzug 1983 in Saalfeld(S)

Für die DR wurden ab 1981 zehn Lokomotiven mit 736 kW (1000 PS) ab Loknummer 110 961 gebaut, die über einen Nebenabtrieb im vorderen Vorbau verfügten. Diese Maschinen dienten zum Antrieb von Grabenräumeinheiten (GRE) und Hochleistungsschneefräsen (HSF). Sie gehörten nicht zum Betriebsbestand der DR, sondern wurden Oberbauwerken (Obw) zugeordnet. 1992 wurden sie als Baureihe 710 bezeichnet und ab 1994 an private Bahnunternehmen verkauft. Der Nebenabtrieb wurde wieder entfernt.

Baureihe 199.8

DR-Baureihe 199.8
abweichende Daten
Schmalspurlok 199 861 der HSB im Bahnhof Elend
Schmalspurlok 199 861 der HSB im Bahnhof Elend
Schmalspurlok 199 861 der HSB im Bahnhof Elend
Nummerierung: 199 861, 863, 870–872, 874, 877, 879, 891, 892
Anzahl: 10
Hersteller: Raw Stendal (Umbau)
Baujahr(e): 1988–1990
Ausmusterung: 4 Stück 1998 an Adtranz (Rückbau auf Regelspur)
Achsformel: C’C’
Spurweite: 1000 mm
Länge über Puffer: 13 560 mm
Höhe: 4355 mm
Breite: 3140 mm
Drehgestellachsstand: 1250 mm
Kleinster bef. Halbmesser: 30 m
Leermasse: 61,5 t
Dienstmasse: 66,0 t
Radsatzfahrmasse: 11 t
Höchstgeschwindigkeit: 50 km/h
Installierte Leistung: 900 kW
Treibraddurchmesser: 850 mm

Für den Ersatz der dort eingesetzten Dampflokomotiven wurden für die Schmalspurbahnen im Harz zehn durch die fortschreitende Streckenelektrifizierung freigewordene Lokomotiven der Bauart V 100.2 mit 800er Ordnungsnummer – diese blieb unverändert – im Raw Stendal auf Meterspur umgebaut und seitdem als Baureihe 199.8 geführt. Insgesamt plante die Deutsche Reichsbahn ab Mitte der 1980er Jahre einen Umbau und Einsatz von dreißig Maschinen. Durch die politische Wende in der DDR blieb es allerdings bei zehn umgebauten Lokomotiven, da der Güterverkehr zurückging und die Dampftraktion für Ausflügler auf den Strecken der Harzer Schmalspurbahn attraktiver war und ist.[9] Wegen der zulässigen Achslast von nur zehn Tonnen war der Einbau von dreiachsigen Drehgestellen erforderlich. Die Drehgestellrahmen tragen auch die Zug- und Stoßvorrichtungen.[10] Die durch das spezielle Drehgestell etwa 10 Zentimeter höher gewordenen Loks schaukelten auf der Schmalspur dermaßen, dass sie den Spitznamen Harzkamel erhielten.[11]

Diese Fahrzeuge gelangten 1993 geschlossen zur neu gegründeten Harzer Schmalspurbahn (HSB). Im Umzeichnungsplan 1992 war noch die neue Stammnummer 299.1 (299 110 bis 299 119) vorgesehen. Drei Lokomotiven wurden 1998 bei Adtranz modernisiert, während vier nicht mehr benötigte gleichzeitig verkauft und wieder mit Regelspurdrehgestellen ausgerüstet wurden.

Die drei modernisierten Lokomotiven bekamen eine Funkfernsteuerung und – außer die 199 861 – zusätzlich klappbare, erhöht angebrachte Seitenpuffer und Regelspurschraubenkupplungen für den Rollbockverkehr; alle drei sind bis heute im Einsatz. Der Einsatz erfolgt universell, sowohl im Rangierdienst, im Güterverkehr sowie im Winter für den Schneeräumdienst oder als Ersatzlok vor Reisezügen. Die drei Lokomotiven ohne Funkfernsteuerung wurden mangels Bedarf abgestellt.

2016 waren folgende Lokomotiven vorhanden:

  • 199 861: modernisiert Adtranz (betriebsfähig), einzige betriebsfähige Lok mit Zugheizeinrichtung, Reserve in Wernigerode
  • 199 871: abgestellt in Wernigerode-Westerntor
  • 199 872: modernisiert Adtranz (betriebsfähig), Rangierdienst in Wernigerode
  • 199 874: modernisiert Adtranz (betriebsfähig), Reserve in Nordhausen (Güterverkehr)
  • 199 877: abgestellt in Nordhausen
  • 199 892: abgestellt in Wernigerode-Westerntor

Umbaukonzept Baureihe 203

DB-Baureihe 203
abweichende Daten
203 308 von DB Netz
203 308 von DB Netz
203 308 von DB Netz
Hersteller: Raw Stendal (Umbau)
Baujahr(e): 2000–2016
Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h
Installierte Leistung: 1240 kW
Motorentyp: u. a. MTU 12V 4000 R10[12]
Motorbauart: Zwölfzylinder-Viertaktdieselmotor in V-Anordnung
Nenndrehzahl: 1750 min−1

Viele der bei der DB ausgemusterten Lokomotiven wurden vom Alstom-Werk Stendal übernommen. Die Fahrzeuge wurden dort nach Kundenwunsch aufgearbeitet und in verschiedenen Varianten mit dem Originalmotor oder alternativen Motoren, z. B. mit einem MTU-Friedrichshafen-Motor mit 1877 PS / 1385 kW[5][13], und Steuerungen angeboten. Optional wurde der Umbau auf eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h angeboten, solche Maschinen wurden als Baureihe 203 bezeichnet. Die Lokomotiven können gekauft, geleast oder gemietet werden. Auf Kundenwunsch erhielten sie auch neue Aufbauten oder Zusatzausstattungen. Auch viele ehemaligen Werkslokomotiven (vor 2000 ausschließlich) wurden, teils mit erheblich veränderten Aufbauten, umgebaut. In den Jahren 2015 bzw. 2016 wurden die letzten Lokomotiven der „Ost-V100“ und „West-V100“ umgebaut.[13]

Bei der DB hatten neben der DB Netz und ihren Instandhaltungstöchtern auch die DB Regio in den Standorten Nürnberg, Regensburg und Würzburg Loks der Baureihe 203 im Bestand, die Regensburger Loks waren jedoch für Railion in Regensburg Ost eingesetzt. Die S-Bahn München setzte die 203 002 bis 2013 als Schlepplok ein. 2016 wurde sie an die Mitteldeutsche Eisenbahn verkauft.

Umbaukonzept Baureihe 203.7

Basierend auf den Erfahrungen mit den bereits umgebauten Lokomotiven wurde im Alstom-Werk Stendal ein weiteres Umbaukonzept für Rangierlokomotiven mit Hybridantrieb entwickelt. Diese Lokomotiven wurden mit einem Akkumulator und Elektromotoren sowie einer Dieselmotor-Generator-Einheit ausgerüstet. Dabei wurde der bisherige Dieselmotor mit Kühler und Strömungsgetriebe durch ein Zentralgetriebe mit zwei angeflanschten Elektromotoren sowie einem Traktions- und Hilfsbetriebeumrichter ersetzt.[15]

Als Dieselmotor kommt ein Deutz TCD2014L64V, abgaszertifiziert nach EU-Richtlinie 2004/26 Stufe IIIA, mit einer Leistung von 238kW und einem Drehzahlbereich von 1100-2200min−1 zum Einsatz. Dieser treibt einen 200-kW-Synchrongenerator mit Permanentmagnet-Erregung mit einer drehzahlabhängigen Ausgangsspannung von 440 bis 940V an. Die Anpassung der Spannung an die Temperatur und den Ladezustand des Akkumulators erfolgt ohne einen Gleichspannungswandler durch Änderung der Motordrehzahl. Der Nickel-Cadmium-Akkumulator hat eine Kapazität von 102kWh bei einer Nennspannung von 600V, wiegt rund 5,2t und besteht aus 500 Zellen vom Typ FNCA170XR der Firma Hoppecke. Der Traktionsumrichter treibt zwei Dreiphasen-Wechselstrom-Asynchronmotoren mit einer Leistung von je 213kW an. Sie sind über einen Flansch mit dem Stirnradgetriebe verbunden und unter dem Boden des Führerhauses angeordnet. Die nicht verbrauchte Energie der Dieselmotor-Generator-Einheit des wird im Akkumulator gespeichert und dient zur Aufladung in Schwachleistungsphasen.[15]

Hybridlok 1001 006 der MHG

Auf Basis der Lokomotive 202 490 wurde ab 2004 der erste Prototyp 203 701 gebaut, der 2006 fertiggestellt und auf der InnoTrans 2006 vorgestellt wurde. Anschließend wurde der Prototyp bis 2012 unter Betriebsbedingungen erprobt.[16][17][18] Ab 2010 erfolgte eine Erprobung bei der MEG auf den Anschlussbahnen Schkopau und Böhlen. Im Vergleich zur V 60 konnte eine Dieselersparnis von 42 Prozent erzielt werden.[16][17] Im Juni 2012 wurden dann vier Serien-Hybridlokomotiven an die MEG ausgeliefert. Diese Lokomotiven weisen gegenüber dem Prototyp einige Veränderungen auf, wie zum Beispiel ein schaltbares Getriebe mit Rangier- und Streckengang. Außerdem können die Lokomotiven als reine Akkulokomotive betrieben werden.[16] Im September 2012 wurde die Lok 1001 006 (ehemals 298 046) an die Magdeburger Hafen GmbH (MHG) verkauft, die erstmals die Möglichkeit bietet, den Akkumulator auch über einen Landstromanschluss zu laden.[19]

Insgesamt wurden elf Lokomotiven umgebaut. Auf Basis der gesammelten Erfahrungen wurde die Alstom H3 entwickelt, welche ebenfalls in Stendal gefertigt wird.[13]

Weitere Verwendung

Der Bestand bei nichtbundeseigenen Bahnen an Lokomotiven der Baureihe 203 wuchs ständig, wobei die Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH (PRESS), Mitteldeutsche Eisenbahn und die Spitzke AG größere Bestände haben. SBB Cargo hat für ihre Standorte Dillingen, Köln und Freiburg fünf Loks der Baureihe 203.1 bei Alstom Lokomotiven Service (ALS) angemietet, die den SBB-Cargo-Anstrich erhielten.[20]

Umbaukonzept Baureihe 293

ADtranz modernisierte zwischen 1995 und 2002 59 Lokomotiven zur Baureihe 293. Neben der Aufarbeitung der vorhandenen Aggregate erhielten auch diese Lokomotiven neue Motoren von Caterpillar oder MTU. Neu war die hydraulisch angetriebene Kühlanlage. Bei mehreren der Loks mussten neue Betriebsbücher angelegt werden, da die Ursprungslokomotive nicht feststellbar war. Zwei weitere Lokomotiven wurden durch verschiedene Werkstätten nach diesem Konzept umgebaut.

Literatur

  • Alexander Bückle: Die V 100 der Deutschen Reichsbahn, Teil 3 – Verbleib bei Privat- und NE-Bahnen. Eisenbahn-Bildarchiv – Band 53. EK-Verlag, Freiburg 2011, ISBN 978-3-88255-478-6
  • Olaf Haensch: Die ersten Schritte. Als die Deutsche Reichsbahn ihren neuen V100 das Laufen lernte. in: Modelleisenbahner 65(2016)2, S. 14–22
  • Hans Müller: Die V 100 der Deutschen Reichsbahn – Die Jahre 1964–1991. Eisenbahn-Bildarchiv – Band 39. EK-Verlag, Freiburg 2009, ISBN 978-3-88255-378-9
  • Manfred Weisbrod: Baureihe V 100 der Deutschen Reichsbahn. Transpress, Berlin 1999, ISBN 3-613-71076-5

Einzelnachweise

  1. Muster-Merkblatt Eisenbahneinsätze. (PDF; 992kB) Ausschuss Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung beim AK V der IMK, Dezember 2000, S. 16, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Februar 2016; abgerufen am 21. Februar 2017.
  2. Jürgen Becker, Peter Garbe: Schienenfahrzeuge aus Hennigsdorf bei Berlin. Verlag B. Neddermeyer, 2006, ISBN 3-933254-77-9.
  3. Michael U. Kratzsch-Leichsenring: Man nannte sie Petroleum-P 8. In: Eisenbahn Magazin. Nr. 4, 2017, S. 27.
  4. Wie funktioniert eine Diesellok? Erklärt an der Lok-Legende 112 565 7 | Eisenbahn -Romantik. Abgerufen am 23. März 2022 (deutsch).
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  20. Eisenbahn Amateur 3/2009, und zwar die Nummern 203 383 (149), 405 (151), 406 (153), 558 (126) und 652 (125). Diese sechsstellige Nummer ist stirnseitig angeschrieben, die zwölfstelligen UIC-Nummern auf den Seiten weicht davon ab: 92 80 1203 (…-.) D-ALS
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