Climeworks
Climeworks ist ein schweizerisches Unternehmen, welches weltweit führend bei der Carbon Dioxide Air Capture-Technologie ist. Das Unternehmen filtert Kohlenstoffdioxid (CO2) direkt aus der Umgebungsluft. Es handelt sich um einen Adsorptions-Desorptions-Prozess mit einem speziellen Filter-Material.[2]
Climeworks AG | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 2009 |
Sitz | Zürich, Schweiz |
Leitung |
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Mitarbeiterzahl | 200[1] |
Branche | Umwelttechnologie, Cleantech |
Website | climeworks.com |
Stand: 2022 |
Geschichte
Die Climeworks AG wurde im November 2009 als Spin-off der ETH Zürich von Christoph Gebald und Jan Wurzbacher gegründet. Die beiden deutschen Ingenieure waren Kommilitonen im Maschinenbau-Studium und hatten sich in ihrem Studium sowie bei der anschliessenden Promotion mit Technologien zur chemischen und physikalischen Entfernung von CO2 aus der Umgebungsluft im Labormassstab befasst. 2011 erhielt Climeworks erstmals Kapital von Investoren, um einen modular aufgebauten Prototyp zu entwickeln. Von 2012 bis 2013 durchlief Climeworks den Accelerator der EIT Climate-KIC[3]. Nach der ersten Finanzierung folgte die rasche Skalierung zur Modultechnologie, die seit 2014 verfügbar ist. Im Zuge der Unternehmensentwicklung gelang eine Partnerschaft mit dem Autohersteller Audi. Weitere Unterstützung erhielt Climeworks vom Schweizer Bundesamt für Energie, das die beschleunigte Kommerzialisierung und Skalierung der Technologie ermöglichte.
Im Mai 2017 eröffnete das Unternehmen in Hinwil das weltweit erste kommerzielle Projekt zur CO2-Filterung aus der Umgebungsluft.[4] Es saugte dort mit Direct air capture-Modulen 900 Tonnen CO2 pro Jahr ab und lieferte das Gas einem Gewächshausbetreiber zur Verwendung als Dünger[5][6] sowie Coca-Cola Schweiz, um das Valser-Wasser als weltweit «erstes Mineralwasser mit CO2 aus der Luft» zu verkaufen. Ende Oktober 2022 nahm Climeworks allerdings die «Wundermaschine» in Hinwil ausser Betrieb, um sich «auf das internationale Wachstum zu fokussieren».[7]
Seit Herbst 2021 läuft die nach Angaben des Unternehmens «weltweit grösste Anlage zur CO2-Speicherung» in Island. Orca soll bei Vollauslastung im Jahr 4000 Tonnen CO2 aus der Luft filtern, was den Emissionen von 870 Autos entspricht. Island eignet sich wie nur wenige andere Standorte für dieses Verfahren: Einerseits braucht es viel Strom, der hier klimaneutral aus einem Geothermiekraftwerk zur Verfügung steht, anderseits setzt es besondere Gesteinsschichten voraus, in die sich das CO2 zur Endlagerung bis zu 1000 Meter tief pumpen lässt.[8] Im Juni 2022 legte Climeworks denn auch auf der Insel den Grundstein für die zweite Anlage.[9] Mammoth soll das Neunfache von Orca aus der Luft filtern, also beweisen, dass das Unternehmen dank der Skalierung seines Verfahrens bis zum Jahr 2030 Megatonnen und bis zum Jahr 2050 Gigatonnen an CO2 endlagern kann. Der 2023 begonnene Bau der 72 Kollektoren leidet allerdings nach Angaben der Firma unter den Problemen in den globalen Lieferketten.[10]
Das Unternehmen gab im Juni 2020 bekannt, es habe 73 Mio. Franken von neuen Privatinvestoren und Family Offices aus dem deutschsprachigen Raum erhalten, das bis dahin grösste Investment in die DAC-Technologie.[11] Und es schloss die Finanzierungsrunde im September 2020 mit Investments von insgesamt 100 Mio. Franken ab.[12] Im Frühling 2022 führte Climeworks die mit 600 Mio. Franken grösste Venture-Capital-Finanzierungsrunde der Schweiz durch. Zu den Geldgebern zählten Partners Group, GIC, Baillie Gifford, Carbon Removal Partners, Global Founders Capital, John Doerr, M&G, Swiss Re und BigPoint Holding.[13] Dies machte Climeworks zu einem «Unicorn», also zu einem mit mehr als einer Milliarde bewerteten Jungunternehmen.
Beurteilung
Climeworks fand mit seiner «gigantischen Maschine, die CO2 direkt aus der Luft saugt» von Anfang an weltweite Beachtung, von der Frankfurter Rundschau[4] über das Wissenschaftsmagazin Science[14] bis hin zur New York Times[15]. Denn die Jungfirma versprach «Hilfe im Kampf gegen den Klimawandel»: Sie wollte bis ins Jahr 2025 ein Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen aus der Luft filtern, dafür müsste sie 250.000 Anlagen wie den Prototypen in Hinwil bauen. Die beiden Anlagen in Island schaffen aber dereinst im Vollbetrieb nur 40.000 Tonnen CO2, bei einem globalen Ausstoss von gegen 40 Mrd. Tonnen.[16]
Dennoch halten Forscher wie der ETH-Professor Reto Knutti die Direct air capture-Technologie für «vielversprechend und zwingend nötig», weil es nicht gelinge, den CO2-Ausstoss bis 2050 auf null zu bringen.[17] Allerdings schafft es Climeworks kaum, die Technik zu skalieren, also den Preis von ursprünglich 1000 Franken pro Tonne CO2 auf ein marktfähiges Niveau zu senken. Deshalb hoffen die Investoren auf weltweite Regulierung, die zu einem höheren CO2-Preis führt. In der Zwischenzeit erzielt die Jungfirma Einnahmen, indem sie mit Grossunternehmen wie Microsoft, Swiss Re oder Boston Consulting Group Verträge zum Entfernen von CO2 schliesst[18] und Privatpersonen die Möglichkeit bietet, für ihren CO2-Ausstoss zu bezahlen.[19]
Im Vergleich mit anderen Möglichkeiten, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, schneidet die Direct air capture-Technologie schlecht ab, wie eine Studie der Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung TA-Swiss ergab.[20] Dies wegen der Kosten, des Energieverbrauchs und der Anforderungen an die Gesteinsformationen zur Endlagerung des CO2. Die Studie rät deshalb von der staatlichen Förderung einer grossflächigen Implementierung solcher Anlagen in der Schweiz ab.
Konzernstruktur
Der Unternehmenssitz ist in Zürich-Oerlikon. Die Climeworks AG unterhält ein Tochterunternehmen, die Climeworks Deutschland GmbH, mit Sitz in Köln.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Climeworks Careers. Abgerufen am 28. August 2022 (englisch).
- Simon Evans: The Swiss company hoping to capture 1 % of global CO2 emissions by 2025. In: Carbonbrief. 22. Juni 2017, abgerufen am 3. August 2018 (englisch).
- Climeworks raises over €67 million to expand carbon dioxide removal. In: EIT Climate KIC. EIT Climate KIC, 2. Juni 2020, abgerufen am 16. Juli 2020 (englisch).
- Benjamin von Brackel: Schweizer Wundermaschine geht in Betrieb. In: Frankfurter Rundschau. 10. Juni 2017, abgerufen am 3. August 2018.
- Swiss Pickles Set to Benefit From First Carbon Capture Plant. In: Bloomberg.com. 31. Mai 2017 (bloomberg.com [abgerufen am 13. Dezember 2017]).
- Christian Speicher: Zürcher Startup-Unternehmen mit Weltpremiere: CO2 wird aus der Luft gefiltert. In: Neue Zürcher Zeitung. 1. Juni 2017 (nzz.ch [abgerufen am 13. Dezember 2017]).
- VALSER | Climeworks. Abgerufen am 18. Mai 2023.
- Weltweit grösste Anlage zur CO2-Speicherung geht in Betrieb. In: Spiegel Online. 9. September 2021, abgerufen am 19. Mai 2023.
- Climeworks legt Grundstein für modulare DAC-Anlage Mammoth auf Island. 28. Juni 2022, abgerufen am 29. Juni 2022.
- Mammoth: manufacturing direct air capture plants at new scales. Abgerufen am 19. Mai 2023 (englisch).
- Climeworks raises private investment. Abgerufen am 28. Juni 2023 (englisch).
- Breaking the record for the largest investment in direct air capture. Abgerufen am 28. Juni 2023 (englisch).
- Swiss Venture Capital Report 2023. (PDF) In: startupticker.ch. JNB Journalistenbüro, Januar 2023, abgerufen am 28. Februar 2023.
- Christa Marshall: In Switzerland, a giant new machine is sucking carbon directly from the air. Science, 1. Juni 2017, abgerufen am 1. Juli 2023 (englisch).
- Jon Gertner: The Tiny Swiss Company That Thinks It Can Help Stop Climate Change. New York Times, 12. Februar 2019, abgerufen am 1. Juli 2023 (englisch).
- CO2-Ausstoß weltweit. Abgerufen am 1. Juli 2023.
- Isabel Pfaff: Kampf gegen die Klimakatastrophe. Süddeutsche Zeitung, 29. Dezember 2021.
- Direct air capture as a carbon removal solution for businesses. Abgerufen am 2. Juli 2023 (englisch).
- Choose your climate action plan and remove CO2 from the air permanently. Abgerufen am 2. Juli 2023 (englisch).
- Chancen und Risiken von Methoden zur Entnahme und Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre. TA-Swiss, 2023, abgerufen am 2. Juli 2023.