Chalicotherium

Chalicotherium (gr. χαλιξ/khalix, khalik-: Kies + θηρίον/thērion, θηρ/thēr: Tier), auch Krallentier genannt, ist eine Gattung ausgestorbener Unpaarhufer (Perissodactyla) aus der Familie der Chalicotherien, welche vom Oberen Oligozän bis ins Untere Pliozän (16–7,75 Mio. Jahre) in Europa, Afrika und Asien für etwa 8,25 Mio. Jahre lebte. Die Tiere der Gattung erreichten eine Schulterhöhe von 2,6 m und ähnelten im Aussehen stark anderen Vertretern aus der Familie der Chalicotherien, mit langen klauenbewehrten Vordergliedmaßen und kürzeren, gewichttragenden Hintergliedmaßen. Die Typusart Chalicotherium goldfussi aus dem europäischen Miozän und Pliozän wurde 1833 vom deutschen Paläontologen Johann Jakob Kaup (1803–1873) beschrieben. Seither wurden sieben weitere Arten der Gattung zugeordnet. Chalicotherien sind mit Tapiren und Nashörnern eng verwandt, mit denen sie das Taxon Tapiromorpha bilden.[1][2]

Chalicotherium

Lebendrekonstruktion von Chalicotherium

Zeitliches Auftreten
Oberes Oligozän bis Unteres Pliozän
16 bis etwa 7,75 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Laurasiatheria
Unpaarhufer (Perissodactyla)
Ancylopoda
Chalicotherien (Chalicotheriidae)
Chalicotheriinae
Chalicotherium
Wissenschaftlicher Name
Chalicotherium
J. J. Kaup, 1833
Arten
  • C. goldfussi J. J. Kaup, 1833
  • C. giganteum Pictetl, 1844
  • C. rusingense Butler, 1962
  • C. pilgrimi (Forster Cooper, 1920)
  • C. wetzleri (Kowalewsky, 1873)
  • C. salinum (Forster Cooper, 1922)
  • C. wuduensis Xue & Coombs, 1985

Merkmale

Fossile Überreste eines Chalicotherium

Auf den ersten Blick scheinen die Tiere eine Kreuzung zwischen Pferd und Gorilla zu sein, mit einem pferdeartigen Kopf, langen Vorderbeinen und kurzen Hinterbeinen. Wie viele Vertreter der Unpaarhufer war Chalicotherium zum Äsen gebaut, dennoch besaß es unter den Huftierverwandten eine einzigartige Anpassung dafür. Chalicotherium besaß ein niedriges, breites Becken und konnte wahrscheinlich auf zwei Füßen stehen, um mit seinen langen Armen hoch gelegene Äste und Zweige zu seinem kurzgesichtigen Kopf herunterziehen, um an die Blätter zu gelangen. Verdickungen am Sitzbein (Ischium) lassen aber vermuten, dass diese Tiere für längere Zeit auf ihrem Gesäß saßen, wahrscheinlich während des Äsens.

Kieferknochen.

Der pferdeähnliche Kopf selbst zeigt Anpassungen an eine blattfressende Ernährungsweise, so fehlen beim geschlechtsreifen Tier die Schneidezähne und die oberen Eckzähne, was darauf schließen lässt, dass die muskulösen Lippen und das nackte Zahnfleisch genügten, um das Futter abzuweiden. Die quadratischen, niederkronigen Molaren zeigen nur geringe Abnutzungsspuren. Auch das weist darauf hin, dass Chalicotherium nur weiche Vegetation zu sich nahm.

Fußknochen von Chalicotherium grande

Die großen Vorderfüße von Chalicotherium waren mit gekrümmten Klauen versehen, welche im rechten Winkel nach innen gebogen waren. Verknöcherungen auf der Rückseite der Handfingerknochen werden als Hinweis interpretiert, dass das Chalicotherium auf den Knöcheln ging, ähnlich wie man es von Schimpansen und Gorillas kennt. Diese Fortbewegungsweise, wobei die Klauen zu den Handgelenken hin eingebogen waren, hätte verhindert, dass das Tier beim Gehen die Krallen nach unten gehalten hätte, und sie so einer verstärkten Abnützung ausgesetzt gewesen wären. Die Krallen wurden wohl bei der Futtersuche als eine Art Sammelrechen benutzt, das Tier konnte sie aber auch als formidable Verteidigungswaffen einsetzten. Der Knöchelgang von Chalicotherium hat zur Folge, dass der größte Teil des Gewichts auf den Hinterbeinen lag. Mit so einer Fortbewegungsweise waren Tiere der Gattung Chalicotherium keine schnellen Läufer.

All diese Charakteristika zeigen einige Konvergenzen mit den ebenfalls zu den Säugetieren gehörenden, aber nicht näher verwandten Riesenfaultieren, Gorillas und dem Großen Panda.

Paläobiologie

Eine Fingerkralle eines Chalicotherium grande aus Devínska Nová Ves

Früher nahm man an, dass Chalicotherium in Herden umherwanderte. Grund zu der Annahme war der Fundort Devínska Nová Ves (heute ein Stadtteil von Bratislava, Slowakei), wo in einer Karstspalte mehr als 1500 Knochenreste dieser Tiergattung entdeckt wurden, wobei anhand der Gebissreste mindestens 60 Individuen unterschieden wurden. Alle Funde lagen in derselben geologischen Sedimentschicht.[3] Heute geht man aber davon aus, dass es sich dabei wahrscheinlich um viele Einzelexemplare handelt, welche in dieselbe Spalte gestürzt sind. Vermutlich war Chalicotherium ein Einzelgänger, oder lebte in kleinen Gruppen. Bei Chalicotherium lässt sich ein offensichtlicher Geschlechtsdimorphismus beobachten. So waren die männlichen Tiere mit einer Schulterhöhe von 2,6 m den Weibchen mit lediglich 1,8 m an Größe deutlich überlegen. Dies lässt die Vermutung zu, dass es während der Paarungszeit zu Rivalenkämpfen unter den Männchen gekommen ist.

Innere Systematik

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  Chalicotherium 

 ? Chalicotherium giganteum


   

 Chalicotherium rusigense


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 Chalicotherium pilgrimi


   

 ? Chalicotherium wetzleri


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 unnamed 

 Chalicotherium salinum


   

 Anisodon



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 Chalicotherium brevirostris


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 Chalicotherium wuduensis


   

 Chalicotherium goldfussi


   

 Nestoritherium


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Literatur

  • Michael J. Benton: Paläontologie der Wirbeltiere. Übersetzung der 3. englischen Auflage durch Hans-Ulrich Pfretzschner. Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München 2007, ISBN 978-3-89937-072-0, S. 369–370.
  • Tim Haines, Paul Chambers: Dinosaurier. Giganten der Urwelt. Aus dem Englischen von Axel Kwet. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-440-10961-8, S. 177.
Commons: Chalicotherium – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Donald R. Prothero, R. M. Schoch: Classification of the Perissodactyla. In: Donald R. Prothero, R. M. Schoch (Hrsg.): The evolution of perissodactyls. Oxford University Press, New York 1989, S. 530–537.
  2. David J. Froehlich: Phylogenetic systematics of basal perissodactyls. In: Journal of Vertebrate Paleontology, 19 (1), 1999, S. 140–159.
  3. Helmuth Zapfe: Ancylotherium im Obermiozän des Wiener Beckens. In: Annalen des Naturhistorischen Museums Wien. 71, 1967, S. 401–411 (zobodat.at [PDF]).
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