Cauchy-Verteilung
Die Cauchy-Verteilung (nach Augustin Louis Cauchy) ist eine stetige, leptokurtische (supergaußförmige) Wahrscheinlichkeitsverteilung.
Anschaulich gesprochen beschreibt sie die tangentiale Auslenkung eines Pendels. Hat das Pendel die Länge , Ruheposition und einen über dem Intervall gleichverteilten Auslenkungswinkel , so ist die Position Cauchy-verteilt mit den Parametern und .[1]
Die Cauchy-Verteilung tritt außerdem als die Verteilung einer Zufallsvariable auf, die das Verhältnis zweier unabhängiger zentrierter normalverteilter Zufallsvariablen und ist.
Ferner ist sie in der Physik für eine genäherte Beschreibung von Resonanz von Bedeutung. Sie wird dort Resonanzkurve oder Lorentzkurve (nach Hendrik Antoon Lorentz) genannt. Daher gibt es auch die Bezeichnungen Lorentz-Verteilung und Cauchy-Lorentz-Verteilung.
Definition
Eine Zufallsvariable hat eine Cauchy-Verteilung mit Lageparameter und , wenn sie die Wahrscheinlichkeitsdichte
besitzt. Hierfür schreibt man auch symbolisch und sagt, dass Cauchy-verteilt (zu und ) ist.[2]
Die Verteilungsfunktion der Cauchy-Verteilung ist
- .
Mit dem Zentrum und dem Breitenparameter ergibt sich die Standard-Cauchy-Verteilung (oder auch t-Verteilung mit einem Freiheitsgrad) mit
als Wahrscheinlichkeitsdichte und
als Verteilungsfunktion.
Ist Cauchy-verteilt mit den Parametern und , dann ist standard-Cauchy-verteilt.
Eigenschaften
Erwartungswert, Varianz, Standardabweichung, Momente
Die Cauchy-Verteilung ist eine Verteilung, die weder Erwartungswert noch Varianz oder Standardabweichung besitzt, sie sind unbestimmt. Dementsprechend besitzt sie auch keine endlichen Momente und keine momenterzeugende Funktion.
Median, Modus, Quartilabstand
Die Cauchy-Verteilung besitzt den Median bei , den Modus ebenfalls bei , und den Quartilsabstand .
Symmetrie
Die Cauchy-Verteilung ist symmetrisch zum Parameter .
Entropie
Die Entropie beträgt .
Charakteristische Funktion
Die charakteristische Funktion der Cauchy-Verteilung ist .
Reproduktivität
Die Cauchy-Verteilung gehört zu den reproduktiven Wahrscheinlichkeitsverteilungen: Der arithmetische Mittelwert
aus standard-Cauchy-verteilten Zufallsvariablen ist selbst standard-Cauchy-verteilt. Insbesondere gehorcht die Cauchy-Verteilung also nicht dem Gesetz der großen Zahlen, das für alle Verteilungen mit existierendem Erwartungswert (siehe Satz von Etemadi) gilt. Ferner gilt auch der zentrale Grenzwertsatz nicht.
Invarianz gegenüber Faltung
Die Cauchy-Verteilung ist invariant gegenüber Faltung, das heißt, die Faltung einer Lorentz-Kurve der Halbwertsbreite und einem Maximum bei mit einer Lorentz-Kurve der Halbwertsbreite und einem Maximum bei ergibt wieder eine Lorentz-Kurve mit der Halbwertsbreite und einem Maximum bei . Somit bildet die Cauchy-Verteilung eine Faltungshalbgruppe.
Beziehungen zu anderen Verteilungen
Beziehung zur stetigen Gleichverteilung
Ist auf dem Intervall stetig gleichverteilt, dann ist standard-Cauchy-verteilt. Entsprechend ist Cauchy-verteilt mit den Parametern und . Dies motiviert das Beispiel der Pendel-Auslenkung.
Beziehung zur Normalverteilung
Sind zwei unabhängige standardnormalverteilte Zufallsvariablen, dann ist der Quotient standard-Cauchy-verteilt.[3] Etwas allgemeiner gilt, dass der Quotient von zwei unabhängigen, zentrierten normalverteilten Zufallsvariablen Cauchy-verteilt ist.
Beziehung zur studentschen t-Verteilung
Die Standard-Cauchy-Verteilung ist der Spezialfall der studentschen t-Verteilung mit einem Freiheitsgrad .
Beziehung zur Lévy-Verteilung
Die Cauchy-Verteilung ist eine spezielle α-stabile Verteilung mit dem Exponentenparameter .
Anwendungsbeispiel
Bei der Cauchy-Verteilung als Vertreter der Heavy-tailed-Verteilungen ist die Wahrscheinlichkeit für extreme Ausprägungen sehr groß. Sind die 1 % größten Werte einer standardnormalverteilten Zufallsvariablen mindestens 2,326, so beträgt bei einer standard-Cauchy-verteilten Zufallsvariablen die entsprechende Untergrenze 31,82. Möchte man die Auswirkung von Ausreißern in Daten auf statistische Verfahren untersuchen, verwendet man häufig Cauchy-verteilte Zufallszahlen in Simulationen.
Zufallszahlen
Zur Erzeugung Cauchy-verteilter Zufallszahlen bietet sich die Inversionsmethode an. Die nach dem Simulationslemma zu bildende Pseudoinverse der Verteilungsfunktion lautet hierbei (siehe Kotangens). Zu einer Folge von Standardzufallszahlen lässt sich daher durch , oder wegen der Symmetrie auch durch , eine Folge standard-Cauchy-verteilter Zufallszahlen berechnen.
Einzelnachweise
- Wolfgang Bühler: Die Cauchy-Verteilung und das Gesetz der großen Zahlen. In: Monoid. Jahrgang 30, Nr. 103. Universität Mainz, 2010, S. 16–18 (uni-mainz.de [PDF]).
- Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger. 13. Auflage. Springer, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-63839-2, S. 314.
- Joseph K. Blitzstein Jessica Hwang: Introduction to Probability. CRC Press, 2015, ISBN 978-1-4665-7559-2, S. 294–295 (archive.org [PDF]).
Literatur
- William Feller: An Introduction to Probability Theory and Its Applications: 1. 3. Auflage. Wiley & Sons, 1968, ISBN 0-471-25708-7.
- William Feller: An Introduction to Probability Theory and Its Applications: 2. 2. Auflage. John Wiley & Sons, 1991, ISBN 0-471-25709-5.
Weblinks
- Universität Konstanz – Interaktive Animation
- Eric W. Weisstein: Cauchy Distribution. In: MathWorld (englisch).