Carmichael-Zahl

Carmichael-Zahlen sind fermatsche Pseudoprimzahlen zu teilerfremden Basen. Fermatsche Pseudoprimzahlen sind natürliche Zahlen, die wie Primzahlen aussehen, aber keine sind, denn sie genügen dem lange Zeit gültigen Primzahltest, dem 1640 aufgestellten kleinen fermatschen Satz. Carmichael-Zahlen sind das Produkt von mindestens drei Primzahlen (Primfaktorzerlegung), davon keine doppelt. Die kleinste Carmichael-Zahl ist die Zahl 561 = 3·11·17.

Robert Daniel Carmichael, circa 1920
Robert Daniel Carmichael, circa 1920

Carmichael-Zahlen spielen eine Rolle bei der Analyse von Primzahltests. Zum Beispiel lässt sich mit ihnen das auf Primzahlen basierende RSA-Kryptosystem umgehen.

Sie sind benannt nach dem Mathematiker Robert Daniel Carmichael, der sie 1910 beschrieben hat.

Definition

Definition
Eine zusammengesetzte natürliche Zahl heißt Carmichael-Zahl, falls für alle zu teilerfremden Zahlen hier „Basis“ genannt, die folgende Kongruenz erfüllt ist:

.

Beispiel
ist die kleinste Carmichael-Zahl. Für alle Basen die keinen Primfaktor mit gemeinsam haben, gilt nämlich .

561 ist durch 3, 11, 17, 33, 51 und 187 teilbar. Für diese Teiler gilt die Kongruenz jedoch nicht: 3560 ≡ 375 mod 561, 11560 ≡ 154 mod 561, 17560 ≡ 34 mod 561 usw.

Eigenschaften

Jede Carmichael-Zahl ist quadratfrei und das Produkt mindestens dreier Primzahlen.

Zwar gibt es Methoden zur Erzeugung von Carmichael-Zahlen, aber es ist problematisch – gerade bei großen Zahlen – zu erkennen, ob es sich bei einer Zahl um eine Carmichael-Zahl handelt. Diese Schwierigkeit haben die Carmichael-Zahlen mit den Primzahlen gemeinsam. In der Praxis wird das Unterscheiden einer unzerlegten Carmichael-Zahl von einer Primzahl dadurch erleichtert, dass es keine starken Carmichael-Zahlen gibt.[1] Man kann zu jeder Carmichael-Zahl stets eine teilerfremde Basis finden, so dass die Primzahleigenschaft (unter Verwendung des Jacobi-Symbols und der Schreibweise für Kongruenz) verletzt ist.

Satz von Korselt

Bereits im Jahr 1899 bewies Alwin Reinhold Korselt folgenden Satz:

Eine natürliche Zahl ist genau dann eine Carmichael-Zahl, wenn sie nicht prim und quadratfrei ist und für alle ihre Primteiler gilt, dass die Zahl teilt.

Verschärfung
Aufgrund der Identität gilt für jeden Primteiler einer natürlichen Zahl :

Somit lässt sich der zweite Teil von Korselts Satz auch formulieren als: Eine Zahl ist genau dann eine Carmichael-Zahl, wenn für jeden ihrer Primteiler gilt: teilt .

Dank dem Satz von Korselt ist es einfach, eine Carmichael-Zahl zu erkennen, wenn man ihre Primfaktorzerlegung kennt. Carmichael hat dann 1910 mit 561 die erste Zahl gefunden, die den Eigenschaften des Satzes von Korselt entspricht.

Menge der Carmichael-Zahlen

Unendliche Anzahl

Paul Erdős vermutete bereits 1956, dass es unendlich viele Carmichael-Zahlen gibt, und dass für ihre Anzahl unterhalb einer Schranke kein Exponent existiert mit bei beliebig großem . Das haben jedoch erst Carl Pomerance, William Robert Alford und Andrew Granville im Jahr 1994 bewiesen.[2] Ihr Beweis liefert die untere Abschätzung der Anzahlfunktion für alle hinreichend großen . Die Anzahl der Carmichael-Zahlen wächst also asymptotisch.

Glyn Harman verbesserte dieses Ergebnis im Jahr 2005 zu für hinreichend große .[3] Rechnungen bis legen ein Wachstum mit der unteren Abschätzung nahe, so dass Daniel Shanks überzeugt war, sei eine sehr sichere obere Abschätzung für die Anzahlfunktion. Er ließ sich jedoch durch Diskussion mit den genannten Autoren davon überzeugen, dass die Vermutung von Erdös der wahren Asymptotik entsprechen könnte.

Im Jahre 2002 publizierten Granville und Pomerance eine Analyse der Verteilung der Carmichael-Zahlen anhand weiterer plausibler und begründeter Vermutungen, die ein Ergebnis (keinen Beweis) sowohl entsprechend dem Argument von Erdős als auch im Einklang mit den empirischen Resultaten für kleine lieferte und so den von Shanks hervorgehobenen scheinbaren Widerspruch auflöste.[4]

2021 hat der Jugendliche Daniel Larsen gezeigt, dass in jedem Intervall zwischen und mindestens für und hinreiched große verschiedene Carmichael-Zahlen existieren.[5]

Carmichael-Zahlen unter 100.000

Die Tabelle zeigt die Carmichael-Zahlen (Folge A002997 in OEIS) unterhalb 100.000 und bringt sie mit der Carmichael-Funktion und der Eulerschen -Funktion in Beziehung.

Carmichael-Zahl Primfaktoren
5613⋅11⋅178073204
11055⋅13⋅17482376816
17297⋅13⋅193648129636
24655⋅17⋅2911222179216
28217⋅13⋅316047216036
66017⋅23⋅411320552804
89117⋅19⋅6719845712836
105855⋅29⋅7350421806416
158417⋅31⋅73360441296036
2934113⋅37⋅6118016325920144
410417⋅11⋅13⋅4112034228800240
4665713⋅37⋅9728816241472144
526337⋅73⋅1031224434406436
627453⋅5⋅47⋅892024313238416
639737⋅13⋅19⋅37361777466561296
7536111⋅13⋅17⋅3124031457600240

Der böhmische Mathematiker Václav Šimerka hat die ersten 6 Carmichael-Zahlen bereits 1885 gefunden, was jedoch unbemerkt geblieben ist.[6][7]

Um eine Carmichael-Zahl zu erkennen, führt man entweder eine Faktorisierung durch, oder man wendet den kleinen fermatschen Satz auf die Zahl an, wobei man für die Basen, die nicht auf eine Primalität weisen und die bei Primzahlen nicht vorkommen, auf Teilbarkeit testen muss.

Erzeugung von Carmichael-Zahlen

Methode von Chernick

Jack Chernick fand 1939 ein relativ einfaches System, um Carmichael-Zahlen zu konstruieren:[8]

Falls die drei Zahlen und Primzahlen sind, so ist ihr Produkt eine Carmichael-Zahl.[9]

Beispielsweise hat 1729 = 7·13·19 diese Struktur. Interessant ist, dass die Carmichael-Zahl 172081 = 31·61·91 die Bedingung „fast erfüllt“: 91 ist nicht prim, aber fermatsche Pseudoprimzahl zur Basis 3.

Methode von Michon

Gérard Michon fand eine ähnliche Methode, um Carmichael-Zahlen zu konstruieren:

Wenn und die drei Zahlen und Primzahlen sind, so ist ihr Produkt eine Carmichael-Zahl.

muss dann durch 3 teilbar sein, da sonst einer der drei Faktoren durch 3 teilbar ist.
Beispiel: für sind die drei Zahlen und prim und ihr Produkt ist eine Carmichael-Zahl.
Eine mit dieser Methode erzeugte Carmichael-Zahl mit 1000 Stellen ist

Neuere Konstruktionen

Basierend auf einer Idee von Paul Erdős können mit Hilfe gruppentheoretischer Überlegungen und moderner Computer-Algorithmen weitaus größere Carmichael-Zahlen konstruiert werden. Im Juli 2012 wurde nach weitgehendem Ausreizen bereits bekannter Verfahren eine Carmichael-Zahl mit mehr als 10 Milliarden Primfaktoren und fast 300 Milliarden Dezimalstellen vorgestellt.[10]

Einzelnachweise

  1. Derrick Henry Lehmer: Strong Carmichael numbers. In: Journal of the Australian Mathematical Society. Band 21, Nr. 4, 1976, S. 508–510, doi:10.1017/S1446788700019364.
  2. W. R. Alford, Andrew Granville, Carl Pomerance: There are Infinitely Many Carmichael Numbers. In: Annals of Mathematics. Band 139, Nr. 3, 1994, S. 703722, doi:10.2307/2118576.
  3. Glyn Harman: On the Number of Carmichael Numbers up to x. In: Bulletin of the London Mathematical Society. Band 37, Nr. 5, 2005, S. 641650, doi:10.1112/S0024609305004686.
  4. Andrew Granville, Carl Pomerance: Two contradictory conjectures concerning Carmichael numbers. In: Mathematics of Computation. Band 71, 2002, S. 883908, doi:10.1090/S0025-5718-01-01355-2.
  5. Daniel Larsen: Bertrand’s Postulate for Carmichael Numbers. In: International Mathematics Research Notices. doi:10.1093/imrn/rnac203.
  6. Václav Šimerka: Zbytky z arithmetické posloupnosti. [On reminders from arithmetical sequence]. In: Časopis Pro Pěstování Matematiky a Fysiky. Band 14, Nr. 5, 1885, S. 221225.}
  7. Zbytky z arithmetické posloupnosti. (PDF) Abgerufen am 5. Februar 2023.
  8. Jack Chernick: On Fermat’s simple theorem. In: Bulletin of the American Mathematical Society. Band 45, 1939, S. 269274, doi:10.1090/S0002-9904-1939-06953-X.
  9. Zum (einfachen) Beweis siehe Eric W. Weisstein: "Carmichael number" (→ Weblinks).
  10. Steven Hayman, Andrew Shallue: Constructing a ten billion factor Carmichael number (PDF-Datei; 91 kB) Poster auf der ANTS X-Konferenz, San Diego, Juli 2012

Literatur

  • Paulo Ribenboim: The New Book of Prime Number Records. 3rd edition. Springer, New York NY u. a. 1996, ISBN 0-387-94457-5.
  • Richard Crandall, Carl Pomerance: Prime Numbers. A Computational Perspective. Springer, New York NY u. a. 2001, ISBN 0-387-94777-9.

Siehe auch

Wikibooks: Tabelle von Carmichael-Zahlen – Lern- und Lehrmaterialien
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