Marcus Furius Camillus

Marcus Furius Camillus (* um 446 v. Chr.; † 365 v. Chr.) war ein Politiker und Feldherr der römischen Republik, der auch „zweiter Gründer Roms“ genannt wird.[1] Allerdings sind zahlreiche Einzelheiten seines Lebens von der späteren Überlieferung ausgeschmückt worden. Camillus war 403 v. Chr. Zensor und in den Jahren 401, 398, 394, 386, 384 und 381 v. Chr. Konsulartribun. Er soll außerdem zwischen 396 und 367 v. Chr. insgesamt fünfmal Diktator gewesen sein. Er starb der Überlieferung zufolge 365 v. Chr. als einer der angesehensten Bürger der Republik an einer Seuche.

Leben

Konsulartribunate

Insgesamt war Camillus sechs Mal Konsulartribun (tribunus militum consulari potestate, also Mitglied eines Oberbeamtenkollegiums, das etwa von der Mitte des 5. Jahrhunderts bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. mehrfach an die Stelle der Konsuln trat), was durch mehrere antike Quellen belegt ist.

In seinem ersten Konsulartribunat (401 v. Chr.) kämpfte er erfolgreich gegen die Stadt Falerii und in seinem zweiten Konsulartribunat (398 v. Chr.) gegen die Etrusker.

Um Unruhen in der Stadt und eine Teilung und Übersiedlung nach Veji zu verhindern, zog Camillus in seinem dritten Konsulartribunat (394 v. Chr.) erneut gegen die Falisker in den Krieg. Ein Lehrer der Falisker habe während dieses Krieges die Knaben der Stadt den Römern als Geisel übergeben wollen, Camillus habe dies als gottloses Verhalten allerdings nicht akzeptiert, worauf die Falisker sich ergeben und einen Freundschaftsvertrag mit den Römern geschlossen hätten.

In Camillus’ viertem Konsulartribunat, das ausschließlich Titus Livius überlieferte, kämpfte er erfolgreich gegen die Volsker, die zusammen mit den Hernikern und Latinern einen Aufstand machten. Im Zuge dieses Krieges eroberte er auch die Städte Sutrium und Nepete von den Etruskern zurück.

Während Camillus’ fünftem Konsulartribunat wurde Marcus Manlius Capitolinus, der das Volk aufhetzte und sich nach Plutarch zum Alleinherrscher aufschwingen wollte, von Camillus vor der Stadt der Prozess gemacht und zum Tode verurteilt.

In seinem sechsten und letzten Konsulartribunat (381 v. Chr.) führte Camillus Krieg gegen die Pränestiner und Volsker und besiegte diese, nachdem sein Amtskollege Lucius Furius zunächst eine Niederlage erlitten hatte. Zusammen mit diesem besiegte er dann noch die Tusculaner, die später abfielen.

Diktaturen

Camillus’ Triumphzug nach dem Sieg gegen Veji auf einem neuzeitlichen Fresko von Francesco Salviati im Sala dell’Udienza, Palazzo Vecchio, Florenz

Im Zuge seiner ersten Diktatur eroberte Camillus 396 v. Chr. die etruskische Stadt Veji. Dieser Sieg brachte ihm einen Triumphzug in Rom ein. Bei diesem Zug war er wohl der erste, der den vollen Ornat des Jupiter Capitolinus tragen durfte. Historisch eher zweifelhaft ist aber seine angebliche Verurteilung zu Geldstrafe und Verbannung nach Ardea im Jahr 391 v. Chr. wegen Unterschlagung und ungerechter Verteilung der Beute aus Veji, die vermutlich die Abwesenheit von Camillus während des Einfalls der Gallier in Rom erklären soll.

Die Darstellungen der Rolle des Camillus als Diktator 390 oder 387 v. Chr. beim Einfall der Gallier sind stark von Legenden geprägt. Nachdem der gallische Heerführer Brennus die Römer an der Allia besiegt und anschließend Rom bis auf das Capitol, das von Marcus Manlius Capitolinus verteidigt wurde, eingenommen und geplündert hatte, soll Camillus ein Heer gesammelt und mit diesem die Gallier aus der Stadt vertrieben und ihnen das Lösegeld abgenommen haben, das Brennus für die Zusage, seine Truppen aus Rom abzuziehen, bekommen sollte. Die antiken Quellen stellen diese Episode sehr verschieden dar, stark abhängig von der Lebenszeit des Geschichtsschreibers.

Camillus' dritte Wahl zum Diktator erfolgte, als die Aequer, Volsker und Latiner in das noch im Wiederaufbau befindliche römische Land einfielen und die Etrusker die verbündeten Saturier bedrängten. Mit seinem Reiterführer Gaius Servilius Ahala zerstört er das Lager der Volsker und Latiner mit Brandpfeilen und die Stadt der Aequer. Danach erobert er Saturien von den Etruskern zurück.

Der Senat wählte Camillus in das befristete Amt des Diktators, vor allem zur Besänftigung inneren Aufruhrs (seditionis sedandae causa), als das Volk, aufgehetzt durch Gaius Licinius Stolo, sich gegen den Senat erhob, um durchzusetzen, dass mindestens einer der beiden zur Wahl stehenden Konsuln Plebejer sein sollte. Camillus trat aber entweder wegen eines Formfehlers oder aus Krankheit sogleich von diesem Posten zurück und stellte sich nicht gegen die Plebs.

Die fünfte und letzte Wahl von Camillus zum Diktator (367 v. Chr.) fand statt, als die Gallier erneut nach Italien zogen. Wegen seiner Erfahrung gewann er den Krieg schnell und mit einer überlegenen Taktik. Der Streit um die Konsulwahlen wurde durch diesen Krieg vertagt und Camillus legte ihn später durch einen Kompromiss bei, indem er den Plebejern einen Konsul aus der Plebs zugestand und die Plebejer dafür den Patriziern einen Prätor.

Interregna

Camillus soll insgesamt zwei Mal interrex gewesen sein. Das erste Mal sei vor seiner Verbannung nach Ardea gewesen, als die Konsuln erkrankt gewesen seien und man beschlossen habe, die Auspizien zu erneuern. Das zweite interregnum habe Camillus nach der Zerstörung Roms durch die Gallier innegehabt. Allerdings berichtet lediglich Livius über die interregna und in der neueren Forschung wird ihnen keine Bedeutung zugemessen.

Bewertung

Wegen seiner vielen Erfolge, die ihm zugeschrieben werden, feiern die Historiker Titus Livius und Plutarch Camillus als zweiten Gründer Roms. Die vielen Kriege gegen die Falisker lassen allerdings sogar Livius daran zweifeln, dass Camillus tatsächlich so oft deren Heer aufgerieben habe. Die Heere hätten sich nicht in dieser Schnelle erholen können. Camillus habe das römische Heer so organisiert, dass damit die Vormachtstellung Roms in Mittelitalien erreicht werden konnte.

Die Rettung der Ehre Roms im Krieg gegen die Gallier dürfte eine spätere Konstruktion sein, da man hier wohl dem größten Mann seiner Zeit den Sieg zuschrieb, weil man sonst keinen passenderen Namen hatte, mit dem man dies hätte verbinden können. Camillus’ Protest gegen den Umzug der Römer nach Veji, nachdem die Stadt im Krieg gegen die Gallier verwüstet wurde, ist historisch ebenfalls sehr fragwürdig.

Obwohl er Patrizier war, habe Camillus die Notwendigkeit von Konzessionen an die Plebejer gesehen und entscheidend zu den leges Liciniae Sextiae beigetragen.

Bei der Analyse der Figur des Marcus Furius Camillus darf man nicht vergessen, dass die Römer weniger politische Geschichte schrieben, sondern eher Personengeschichte, und daher stets versuchten, politische und militärische Erfolge mit einer Person zu verbinden, die in diesem Fall die in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. populäre Persönlichkeit Camillus war. Daher ist anzunehmen, dass viele Erfolge, die Camillus zugeschrieben werden, von den antiken Historikern erfunden oder willkürlich zugeordnet wurden. Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand wird nur der Sieg gegen Veji als historisch sicher angenommen, die restlichen Diktaturen sind eher zweifelhaft.

Quellen

Literatur

  • Walter Eder: Furius [I 13]. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 4, Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01474-6, Sp. 715–716.
  • Ulrich Eigler: Camillus. In: Peter von Möllendorff, Annette Simonis, Linda Simonis (Hrsg.): Historische Gestalten der Antike. Rezeption in Literatur, Kunst und Musik (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 8). Metzler, Stuttgart/Weimar 2013, ISBN 978-3-476-02468-8, Sp. 241–246.
  • Erich Burck: Die Gestalt des Camillus. In: Ders. (Hrsg.): Wege zu Livius. 2. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, S. 310–328.
  • Uwe Walter: Marcus Furius Camillus – die schattenhafte Lichtgestalt. In: Karl-Joachim Hölkeskamp, Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Von Romulus zu Augustus. Große Gestalten der römischen Republik. C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46697-4, S. 58–68.

Fußnoten

  1. Erich Burck: Die Gestalt des Camillus. In: Ders. (Hrsg.): Wege zu Livius. 2. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, S. 310–328, hier S. 311.
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