Camille Graeser

Leben

Camille Graeser wuchs in Stuttgart auf. Er absolvierte eine Schreinerlehre und studierte an der dortigen Königlichen Kunstgewerbeschule Möbelbau und Innenarchitektur bei Bernhard Pankok. 1915 arbeitete er als Möbelzeichner in Berlin und begegnete dort Herwarth Walden von der Galerie Der Sturm. 1917 eröffnete er in Stuttgart ein eigenes Atelier für Innenarchitektur und Werbegrafik und nahm Malunterricht bei Adolf Hölzel.[1]

In Stuttgart war Graeser vor allem als Innenarchitekt und Designer von Gebrauchsgegenständen tätig. 1918 konnte er seine Werke im Kunsthaus Schaller in Stuttgart erstmals in einer Einzelausstellung präsentieren. Er wurde 1918 zudem in den Deutschen Werkbund aufgenommen und beteiligte sich an dessen Ausstellungen. So steuerte er zum Beispiel Exponate zu der wegweisenden Ausstellung Die Form ohne Ornament (1924) bei.[2] 1927 richtete Graeser eine Musterwohnung in einem von Mies van der Rohe entworfenen Wohnblock in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart im Rahmen der Ausstellung Die Wohnung ein.[3]

1933 flüchtete Graeser nach Zürich. In der Schweiz fiel es ihm zunächst schwer, beruflich wieder Fuß zu fassen.[4] Er heiratete Emmy Rauch, die den Arbeitslosen finanziell unterstützte. In der Schweiz konzentrierte sich Graeser auf die Malerei. Seine künstlerische Tätigkeit begann 1937 mit dem Beitritt zur Künstlergruppe allianz. Ab dem Folgejahr beteiligte er sich an fast allen Ausstellungen der allianz, ab 1947 auch im Ausland.

Die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart ernannte Camille Graeser am 8. Februar 1977 aus Anlass seines 85. Geburtstags zum Ehrenmitglied, wodurch „nicht nur die engen Beziehungen des Malers und Graphikers zum Stuttgarter Kunstleben, sondern auch sein herausragender Beitrag zur konkreten Kunst gewürdigt werden“ sollten.[5]

Er fand seine letzte Ruhestätte auf dem Zürcher Friedhof Nordheim. Seine Grabstätte wurde aufgehoben.

Zur Verwaltung seines Nachlasses rief seine Witwe die Camille-Graeser-Stiftung ins Leben, die sich bis heute seinem künstlerischen Wirken widmet.[6]

Werk

Künstlerisches Werk

Als Künstler entwickelte Graeser unter dem Einfluss seines Lehrers Adolf Hölzel um 1920 einen abstrakten Expressionismus. Später ging er zu einem strengen, flächigen Purismus über, der von seinen Stuttgarter Kollegen Oskar Schlemmer und Willi Baumeister beeinflusst war. Als Innenarchitekt war er 1927 der führende Vertretern des Neuen Bauens und Neuen Wohnens im süddeutschen Raum.

Im Kreis der Zürcher Konkreten war Graeser gleichzeitig der älteste und der bescheidenste Künstler. Wenn er sich zu seinem Werk äusserte, tat er dies auf poetische Weise. 1943 ging er zu einer streng konstruktiven Gestaltungsweise über. In einer 1944 veröffentlichten Erläuterung der Begriffe abstrakt und konkret meinte er, konkret sei nicht nur Reinheit, Gesetz und Ordnung, es bedeute auch der sichtbar gestaltete malerische Klang, ähnlich der Musik.

Artikel zur Innenarchitektur

  • Möbel und Zeit-Bedürfnis. In: Innendekoration. Mein Heim, mein Stolz; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort. Band 35, Stuttgart 1924, S. 326f.
  • Ruheraum der Frau. In: Innendekoration. Mein Heim, mein Stolz; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort. Band 41, Stuttgart 1930, S. 324–324.

Ausstellungen

  • 1918: Kunsthaus Schaller, Stuttgart: modernistische Wohnideen und ungegenständliche Zeichnungen
  • 1924: Werkbund-Ausstellung: Die Form ohne Ornament
  • 1926: Landesgewerbemuseum Stuttgart
  • 1938: allianz-Ausstellung in der Kunsthalle Basel
  • 1951: Optische Musik, erste Einzelausstellung in der Schweiz, Galerie 16, Zürich
  • 1955: Einzelausstellung im Club Bel Etage, Zürich
  • 1958: Wanderausstellung Ungegenständliche Kunst in der Schweiz und 29. Biennale di Venezia.
  • 1964: erste Retrospektive im Kunsthaus Zürich, zusammen mit Johannes Itten
  • 1969: Teilnahme an der 1. Biennale von Nürnberg und an der 10. Bienal de São Paulo
  • 1976: Retrospektive im Westfälischen Landesmuseum Münster und im Kunstmuseum Düsseldorf.
  • 1977: Documenta 6 in Kassel
  • 1979: Retrospektive mit Max von Moos im Kunsthaus Zürich und im Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen am Rhein
  • 2009: Camille Graeser, vom Entwurf zum Bild. Ideenskizzen und Entwurfszeichnungen 1938–1978, Haus Konstruktiv, Zürich und anschliessend 2010 im Museum Ritter in Waldenbuch, sowie in der Städtischen Galerie Wolfsburg
  • 2015: Aus der Reihe bewegt. Druckgraphik von Camille Graeser, Museum Kunstpalast, Düsseldorf
  • 2016: Camille Graeser und die Musik. Aargauer Kunsthaus, Aarau[7][8]
  • 2019/2020: Camille Graeser: Vom Werden eines konkreten Künstlers, Haus Konstruktiv, Zürich, kuratiert von Vera Hausdorff, Konservatorin der Camille Graeser Stiftung[9]
  • 2020/2021: Camille Graeser. Devenir concret. Musée des Beaux-Arts de La Chaux-de-Fonds, La Chaux-de-Fonds. Commissariat: David Lemaire et Vera Hausdorff[10]

Auszeichnungen

  • 1972: Ehrengabe aus dem Kulturkredit des Kantons Zürich
  • 1975: Kunstpreis der Stadt Zürich
  • 1977: Ernennung zum Ehrenmitglied der Staatlichen Akademie der bildenden Künste, Stuttgart

Literatur (Auswahl)

  • Rudolf Koella: Graeser, Camille. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Hans Curjel: Camille Graser. In: Das Werk 48 (1961), H. 2: Neue Formen des Wohnens, S. 68–72. (E-Periodica (pdf)).
  • Eugen Gomringer: Camille Graeser. Teufen: Niggli 1968.
  • Willy Rotzler: Camille Graeser. Lebensweg und Lebenswerk eines konstruktiven Malers. Zürich: ABC-Verlag 1979, ISBN 3855040540.
  • Rudolf Koella: Camille Graeser. Zürich: Offizin Verlag 1992, ISBN 9783907495346.
  • Ausstellungskatalog: Camille Graeser. Design. Köln: Wienand 2002, ISBN 3-87909-789-5.
  • Ausstellungskatalog: Richard W Gassen, Vera Hausdorff: Camille Graeser, vom Entwurf zum Bild. Ideenskizzen und Entwurfzeichnungen 1938–1978. Köln: Wienand 2009, ISBN 978-3-87909-975-7.
  • Vera Hausdorff / Roman Kurzmeyer: Camille Graeser. Basel: von Bartha, Zürich, Graeser Stiftung. 2014, ISBN 978-3-9523351-7-8.
  • Fabian Czolbe, Eva-Marina Froitzheim, Vera Hausdorff, Roman Kurzmeyer, Rudolf Koella: Camille Graeser und die Musik. Köln: Wienand 2015, ISBN 978-3868322941.
  • Vera Hausdorff / Roman Kurzmeyer (Hg.): Camille Graeser. Vom Werden eines konkreten Künstlers. Köln: Wienand 2020, ISBN 978-3-86832-528-7.
  • Vera Hausdorff: "Schöne Proportionen bleiben unser Hauptmittel der Gestaltung". Camille Graesers Stuttgarter Jahre. In: Carla Heussler / Christoph Wagner (Hrsg.): Stuttgarter Kunstgeschichten, von den schwäbischen Impressionisten bis zur Stuttgarter Avantgarde. Schnell & Steiner, Regensburg 2022 (Regensburger Studien zur Kunstgeschichte; 21), ISBN 978-3-7954-2888-4, S. 266–275.

Einzelnachweise

  1. Graeser, Camille Louis - SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz. Abgerufen am 12. März 2019.
  2. Graeser, Camille Louis - SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz. Abgerufen am 12. März 2019.
  3. Hans Curjel: Camille Graeser. In: Das Werk: Architektur und Kunst (Band 48). 1961, abgerufen am 12. März 2019.
  4. Jonathan Fisch: Heute vor 122 Jahren: Geburt des Künstlers Camille Graeser. Schweizer Radio und Fernsehen SRF, 27. Februar 2014, abgerufen am 12. März 2019 (Schweizer Hochdeutsch).
  5. Akademie-Mitteilungen 8: für die Zeit vom 1. Juni 1976 bis 31. Oktober 1977; März 1978. Hrsg. von Wolfgang Kermer. Stuttgart: Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, 1978, S. 154.
  6. Jonathan Fisch: Heute vor 122 Jahren: Geburt des Künstlers Camille Graeser. Schweizer Radio und Fernsehen SRF, 27. Februar 2014, abgerufen am 12. März 2019 (Schweizer Hochdeutsch).
  7. Camille Graeser und die Musik. In: Aargauer Kunsthaus. 30. Januar 2016, archiviert vom Original am 2. August 2018; abgerufen am 19. März 2024.
  8. Kunstmusik von Camille Graeser im Aargauer Kunsthaus in Aarau. In: Blick.ch. Abgerufen am 2. August 2018.
  9. Ausstellungswebseite (Memento des Originals vom 8. November 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hauskonstruktiv.ch abgerufen am 14. November 2019.
  10. Ville de La Chaux-de-Fonds. Archiviert vom Original am 26. Januar 2021; abgerufen am 19. März 2024.
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