Engelstrompeten

Die Engelstrompeten (Brugmansia) sind eine Pflanzengattung der Nachtschattengewächse. Ursprünglich in Südamerika verbreitet, wird die Pflanze wegen der auffälligen Blüten inzwischen weltweit kultiviert. Durch den hohen Anteil an Alkaloiden sind alle Pflanzenteile hochgiftig. Der botanische Name der Gattung ehrt den niederländischen Arzt und Botaniker Sebald Justinus Brugmans (1763–1819).[1]

Engelstrompeten

Brugmansia aurea

Systematik
Kerneudikotyledonen
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Nachtschattenartige (Solanales)
Familie: Nachtschattengewächse (Solanaceae)
Gattung: Engelstrompeten
Wissenschaftlicher Name
Brugmansia
Pers.

Beschreibung

Vegetative Merkmale

Engelstrompeten sind 2 bis 5 Meter hohe Sträucher oder Bäume.

Die wechselständigen, großen Laubblätter können behaart oder unbehaart sein, die Formen variieren zwischen eiförmig, elliptisch, eiförmig- bis schmal-elliptisch oder länglich. Der Blattrand kann ganz, gezähnt oder buchtig sein. Die Spitze ist spitz bis zugespitzt, die Basis ist abgerundet, oftmals dabei unsymmetrisch. Die Größe der Blätter beträgt 10 bis 23 (25) × 4 bis 11 cm. Die Blattstiele sind 2,5 bis 8 (15) cm lang.

Blüten

Gefüllt blühende Engelstrompete (Brugmansia x candida f. pleno 'Angels Exotic')
Blühende Engelstrompete
Brugmansia vulcanicola, Blüte

Die oft einzeln erscheinenden, sehr großen (sie zählen zu den größten Blüten), zwittrigen, fünfzähligen Blüten mit doppelter Blütenhülle stehen an einem 2,5 bis 4 (6) cm langen Blütenstiel, sind für gewöhnlich duftend, manchmal unangenehm riechend, hängend oder schräg geneigt. Auffällig ist der zygomorphe, röhrige Blütenkelch, der (1) 2 bis 5 Kelchzipfel besitzt die unterschiedlich lang sind. Manchmal ist der Kelch auf einer Seite gespalten, so dass er ein blütenscheidenartiges Aussehen besitzt. Nach der Blühphase fällt der Kelch bei einigen Arten ab, während er bei anderen Arten um die reifende Frucht bestehen bleibt. Die Krone ist 15 bis 30, selten sogar bis 45 cm lang, weiß oder rot, seltener gelb oder rötlich und bleibt während der gesamten Blühphase geöffnet. Sie ist meist trichterförmig, selten schmal trichterförmig bis fast röhrenförmig, der Rand ist mit meist fünf bis zehn zurückgebogenen oder eingerollten Zähnen, Zipfeln am Rand des verwachsenen Saums versehen.

Die meist eingeschlossenen, fünf Staubblätter sind gleichgestaltig. Die Staubbeutel sind 12 bis 40 mm lang, stehen frei oder sind zueinander geneigt und weisen eine Behaarung auf. Die Staubfäden sind in etwa in der Hälfte der Krone mit dieser verwachsen, im oberen Teil unbehaart, jedoch in der Nähe der Verwachsung mit der Krone kräftiger behaart. Der oberständige Fruchtknoten ist über seine gesamte Länge zweifächerig. Die kreisförmig angeordneten Nektarien sind leicht hervorstehend. Der schlanke Griffel ist endständig mit zweilappiger Narbe. Oft zählen die Blüten zu den Revolverblumen.[2]

Früchte und Samen

Engelstrompete, Blüten von unten

Die behaarten bis kahlen, vielsamigen Früchte der Engelstrompeten sind Beeren, die eiförmig, verkehrt-eiförmig oder eilanzettlich und spindelförmig und 5,5 bis über 40 cm lang sein können. Sie öffnen sich meist nicht, enthalten je nach Art weniger als 100 oder mehr als 300 Samen. Diese sind mit 6 bis 12 mm Länge relativ groß, keil- bis leicht nierenförmig oder unregelmäßig geformt. Die Oberfläche der Samen ist mehr oder weniger texturiert, für gewöhnlich dick, manchmal korkartig.

Inhaltsstoffe

Alle Arten der Engelstrompeten enthalten giftige Alkaloide der Tropangruppe. Zu den wichtigsten Alkaloiden, die in den oberirdischen Teilen aller untersuchten Arten zu finden sind, gehören L-Hyoscyamin, Atropin (DL-Hyoscyamin) und Scopolamin sowie eine geringere Menge an von diesen Stoffen abgeleiteten Substanzen. Auch in den Wurzeln ist eine ähnlich hohe Konzentration an Estern von Tropan-Diol und Tropan-Triol zu finden.

Vorkommen

Engelstrompeten stammen aus den Anden Südamerikas, wo sie vor allem in offenen, gestörten Habitaten, neben Straßen oder an Stätten ehemaliger Zivilisation zu finden sind. Dabei kommen sie sowohl in Meeresnähe als auch in Höhen bis zu 3000 Metern vor.

Bedeutung

Ethnobotanik

Im gesamten Andenraum, mit Ausnahme des südlichsten Teil Chiles, sind ethnobotanische Verwendungen verschiedener Brugmansia-Arten bekannt, dabei variiert die Zubereitung und Anwendung sehr stark. Im Amazonasbecken wird Brugmansia suaveolens unter dem Namen toa im begrenzten Rahmen für medizinische Zwecke eingesetzt. Rein halluzinogene Anwendungen sind überwiegend aus dem westlichen Teil Südamerikas bekannt, so vor allem von Stämmen, die an den Osthängen der Anden sowie im bewaldeten, nördlichen Teil der Pazifikküste beheimatet sind.

Einige Stämme des westlichen Amazonasgebietes in Ecuador nutzten die Wirkung der Inhaltsstoffe der Pflanzen, um ungezogene Kinder zu erziehen. Die Jiváro glaubten, die Vorfahren würden während des Rauschzustandes zu den Kindern sprechen, um diese zu ermahnen. Eine Zubereitung einer weißblütigen Art soll den Jiváro geholfen haben, eine arutam (Seele) zu fangen, die den Besitzer vor dem Tod durch Gewalt, Gift oder Hexerei beschützen soll.

Vor der Entdeckung Amerikas sollen die Chibcha den Frauen und Sklaven getöteter Krieger und Häuptlinge eine Zubereitung aus Brugmansia-Teilen gereicht haben, damit diese in einen Zustand der Benommenheit gerieten und anschließend mit den Getöteten lebendig begraben werden konnten.[3]

Rauschmittel und Giftpflanze

Die Nutzung der Engelstrompete als Rauschmittel ist mittels Rauchen, Teezubereitung oder Einnahme üblich. Scopolamin und Hyoscyamin sind die halluzinogenen Hauptbestandteile.[4]

Da das Rauschmittel leichtfertig überdosiert wird, ist es häufig zu Vergiftungen bis hin zum Tod gekommen.[4] Es handelt sich um atropinerge Wirkungen, schwere internistische Komplikationen und delirante Zustände.[5][6]

Der Nachweis einer Intoxikation durch Pflanzenteile kann durch Einsatz der Gaschromatographie-Massenspektrometrie erfolgen. Nachgewiesen werden meist die Alkaloide Hyoscyamin und Scopolamin als Trimethylsilyl-Derivate.[7] Vergiftungssymptome werden beim Missbrauch, aber auch nach versehentlicher Vergiftung beobachtet.[8][9] Das am längsten bestehende Symptom der Vergiftung ist in der Regel die Pupillenerweiterung, die auch bei Kindern bereits durch Reiben der Augen mit der Hand auftreten kann, nachdem zuvor die Pflanze berührt wurde.[10]

Zierpflanzen

Engelstrompeten werden wegen ihrer auffälligen Blüten immer häufiger als Zierpflanzen kultiviert, aufgrund ihrer Frostempfindlichkeit allerdings vorwiegend als Gewächshaus- oder Kübelpflanzen. In Lagen ohne langen Bodenfrost dagegen können sie auch im Freien überwintern. Die als Zierpflanzen verwendeten Pflanzen sind oft Hybride, die auf Arten aus Südamerika wie Brugmansia aurea, Brugmansia versicolor, Brugmansia sanguinea oder Brugmansia suaveolens zurückgehen. Sie haben meist weiß, aber auch gelb oder rötlich gefärbte und hängende Blüten.[11]

Systematik

Die Engelstrompeten werden in die Tribus Datureae innerhalb der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) eingeordnet. Lange Zeit wurde die Gattung als Teil der Gattung der Stechäpfel (Datura) angesehen, phylogenetische Untersuchungen jedoch bestätigten inzwischen die genetische Distanz zu dieser Gattung.[12]

Die zur Familie der Solanaceae gehörende Gattung Brugmansia wird in die zwei Sektionen (kalte und warme Gruppe) unterteilt.[13]

Sektion Brugmansia (warme Gruppe)

Die Arten und Sorten aus dieser Gruppe sind leichter zu kultivieren als die der Sektion Sphaerocarpium. Sie sind weniger virusanfällig und weniger empfindlich gegen hohe Temperaturen. Wegen der höheren Wärmetoleranz werden sie manchmal informell als 'Warme Gruppe' bezeichnet.

  • Brugmansia aurea Lagerh.: Kolumbien bis Ecuador.[14]
  • Brugmansia insignis (Barb. Rodr.) Lockwood ex R.E. Schult. (Syn.: Brugmansia dolichocarpa Lagerh.): Westliches Südamerika bis nordwestliches Brasilien.[14]
  • Brugmansia suaveolens (Willd.) Sweet: Brasilien.[14]
  • Brugmansia versicolor Lagerh.: Westliches Ecuador.[14]

Section Sphaerocarpium (kalte Gruppe)

Diese Gruppe umfasst zwei sehr ähnliche Arten, Brugmansia sanguinea und Brugmansia vulcanicola sowie Brugmansia arborea, welche sich zwar in vielerlei Hinsicht von den beiden erstgenannten unterscheidet, aber mit ihnen kreuzbar ist. Sie wachsen im Allgemeinen in höheren Lagen als die Arten der Sektion Brugmansia, obgleich Brugmansia aurea überlappt. Die Sektion wird wegen der Wärmeempfindlichkeit der ersten beiden Arten informell als 'Kalte Gruppe' bezeichnet, die bei über 25 °C mit Knospenabwurf reagieren. Hybriden mit Brugmansia arborea können weniger empfindlich sein.

  • Brugmansia arborea (L.) Sweet: Ecuador bis nördliches Chile.[14]
  • Brugmansia sanguinea (Ruiz & Pavón) G. Don: Westliches Südamerika bis nördliches Chile.[14]
  • Brugmansia vulcanicola (A.S. Barclay) R.E. Schult.: Südwestliches Kolumbien bis südlich-zentrales Ecuador.[14]

Auf Grundlage dieser Untersuchungen werden derzeit folgende Hybriden anerkannt:[12]

  • Brugmansia × candida Pers. = Brugmansia aurea × Brugmansia versicolor: Südliches Kolumbien bis Ecuador.[14]
  • Brugmansia × rubella (Saff.) Moldenke (Syn.: Brugmansia × flava Herklotz ex U.Preissel & H.G.Preissel): Ecuador.[14]

Die International Brugmansia & Datura Society, Inc. (IBADS/iBrugs)[15] ist die offizielle International Cultivar Registration Authority (ICRA) für die Gattung Brugmansia. Diese Rolle wurde im Jahr 2002 von der International Society for Horticultural Sciences (ISHS) zuerst an die American Brugmansia And Datura Society (ABADS) übertragen. Im August 2010 wechselte ABADS offiziell ihren Namen in IBADS/iBrugs.

Literatur

  • Armando T. Hunziker: The Genera of Solanaceae. A.R.G. Gantner Verlag K.G., Ruggell, Liechtenstein 2001, ISBN 3-904144-77-4. S. 153–156.
  • Ulrike Preissel, Hans-Georg Preissel: Engelstrompeten, Brugmansia und Datura. Eugen Ulmer, Stuttgart 1997, ISBN 3-8001-6614-3.
  • Monika Gottschalk: Engelstrompeten: Die schönsten Sorten – Pflegen, Überwintern, Vermehren. blv Garten plus, blv, München u. a. 3. Auflage 2002, ISBN 3-405-15760-9.
  • Alistair Hay, Monika Gottschalk, Adolfo Holguín: Huanduj: Brugmansia. Florilegium, Glebe 2012, ISBN 978-1-84246-477-9.
  • Anne Kirchner-Abel, Werner Abel: Das große Buch der Engelstrompeten. Akawa, Duisburg 2004, ISBN 3-9809138-0-5.
  • Bert Marco Schuldes: Psychoaktive Pflanzen. Nachtschatten, Solothurn 1994, ISBN 3-925817-64-6.
Commons: Engelstrompeten (Brugmansia) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen. Erweiterte Edition. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018.
  2. Pat Willmer: Pollination and Floral Ecology. Princeton Univ. Press, 2011, ISBN 978-0-691-12861-0, S. 41.
  3. Richard Evans Schultes: Solanaceous hallucinogens and their role in the development of New World cultures. In: The Biology and Taxonomy of the Solanaceae. Academic Press, London 1979. S. 137–160.
  4. Drogenlexikon: Engelstrompete, Mitteilung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, abgerufen am 19. Sep. 2020
  5. F. Löhrer und R. Kaiser: Biogene Suchtmittel: Neue Konsumgewohnheiten bei jungen Abhängigen? In: Der Nervenarzt, Volume 70, November 1999, S. 1029–1033. doi:10.1007/s001150050534
  6. Bericht über Selbstverstümmelung nach Einnahme eines Engelstrompetenextrakts bei Spiegel Online, abgerufen am 3. September 2016.
  7. A. Namera et al.: Quantitative analysis of tropane alkaloids in biological materials by gas chromatography-mass spectrometry. In: Forensic Sci Int., Band 130, Ausgabe 1, 5. November 2002, S. 34–43. PMID 12427448
  8. U. Möbus, G. Demmler, K. Schulz: Accidental drowning due to tropane alkaloid abuse. In: Arch Kriminol., Band 210, Ausgabe 1–2, Jul-Aug 2002, S. 16–21. PMID 12365330
  9. S. Heindl et al.: Etiology of initially unexplained confusion of excitability in deadly nightshade poisoning with suicidal intent. Symptoms, differential diagnosis, toxicology and physostigmine therapy of anticholinergic syndrome. In: Dtsch Med Wochenschr. Band 125, Ausgabe 45, 10. November 2000, S. 1361–1365. PMID 11109424
  10. Aaron Vunda, Gabriel Alcoba: Mydriasis in the Garden New England Journal of Medicine 2012, Band 367, Ausgabe 14 vom 4. Oktober 2012, Seite 1341, PMID 23034022
  11. Eckehart J. Jäger, Friedrich Ebel, Peter Hanelt, Gerd K. Müller (Hrsg.): Rothmaler Exkursionsflora von Deutschland. Band 5: Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-0918-8.
  12. E. S. Mace, C. G. Gebhardt und R. N. Lester: AFLP analysis of genetic relationships in the tribe Datureae (Solanaceae). In: TAG Theoretical and Applied Genetics. Volume 99, Nummer 3–4, August 1999, S. 634–641. doi:10.1007/s001220051278
  13. A. Hay, M. Gottschalk. A. Holguin: Huanduj. Hrsg.: Glebe 2012. ISBN 978-1-84246-477-9.
  14. Datenblatt Brugmansia bei POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science.
  15. Archivierte Kopie (Memento vom 28. Februar 2011 im Internet Archive) iBrugs Cultivar Registration Information
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