Stari most
Alte Brücke und Altstadt von Mostar | |
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UNESCO-Welterbe | |
Die Alte Brücke (2006) nach ihrem Wiederaufbau in den Jahren 1995 bis 2004 | |
Vertragsstaat(en): | Bosnien und Herzegowina |
Typ: | Kultur |
Kriterien: | (iv) |
Fläche: | 7,6 ha |
Referenz-Nr.: | 946 |
UNESCO-Region: | Europa und Nordamerika |
Geschichte der Einschreibung | |
Einschreibung: | 2005 (Sitzung 29) |
Stari most („Alte Brücke“) ist das namensgebende Wahrzeichen der Stadt Mostar in Bosnien-Herzegowina. Diese Brücke von Mostar überspannt die Neretva etwas oberhalb der Mündung der Radobolja. Sie verbindet den mehr muslimisch geprägten Ostteil mit dem stärker katholisch geprägten Westteil der Stadt und gilt daher seit Jahrhunderten als symbolisches Bindeglied zwischen Ost und West. Mit einer lichten Weite von 28,7 Meter und 19 Meter Höhe (im Scheitelpunkt über der Neretva) war sie zur Zeit ihrer Erbauung im Jahr 1566 ein Meisterwerk der Ingenieurbaukunst.
Die Brücke, die als prägende Figur auf dem Wappen Mostars erscheint,[1] wurde 1993 von kroatischen Truppen im Bosnienkrieg zerstört. Ab 1995 erfolgte mit internationaler Hilfe der Wiederaufbau, die offizielle Wiedereröffnung fand am 23. Juli 2004 statt.
Geschichte
Bau
Die Brücke wurde 1556 bis 1566 von dem osmanischen Architekten Mimar Hayreddin im Auftrag des osmanischen Sultans Süleyman I. als Einbogenbrücke erbaut. Er war Schüler des bedeutendsten osmanischen Architekten Mimar Sinan. Einer unbelegten Legende zufolge testete Hajrudin vor dem Bau der eigentlichen heute als „Stari Most“ bekannten Brücke das neue Konzept des Brückenbaus in kleinerem Maßstab. Dazu wurde in der Nähe des eigentlichen Standortes eine baugleiche Miniatur errichtet, die heute noch existiert. Bis dahin war der Architekt nur durch den Bau von Moscheen bekannt geworden. Diese Miniatur trägt den Namen Kriva Ćuprija und überspannt den Fluss Radobolja.
Zerstörung
Im Krieg in Bosnien und Herzegowina wurde die Brücke am 8. November 1993 beschädigt und tags darauf gegen 10.00 Uhr durch mehrstündigen Beschuss der kroatischen Armee zerstört.
Nach Meinung der Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) im Fall Prlic et al. handelte es sich dabei um einen gezielten Vorgang durch den Kroatischen Verteidigungsrat.[2][3] Im Mai 2013 verurteilte der Strafgerichtshof sechs Verantwortliche der Kroatischen Republik Herceg-Bosna wegen schwerer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber auch wegen Zerstörung der Brücke erstinstanzlich zu langjährigen Haftstrafen:
- Jadranko Prlić, Regierungschef der Republik Herceg-Bosna, zu 25 Jahren
- Bruno Stojić, deren Verteidigungsminister, zu 20 Jahren
- Slobodan Praljak, ehemaliger General, zu 20 Jahren
- Milivoj Petković, ehemaliger General, zu 20 Jahren
- Valentin Ćorić, Kommandant der bosnisch-kroatischen Militärpolizei, zu 16 Jahren
- Berislav Pušić, ehemaliger Offizier, zu 10 Jahren[4]
Praljak beging am 29. November 2017 in Den Haag Suizid, nachdem seine Verurteilung im Berufungsverfahren bestätigt worden war.[5] Die Urteile gegen seine Mitangeklagten wurden ebenfalls in zweiter Instanz bestätigt.[6]
Wiederaufbau
Nach dem Ende des Bosnienkrieges wurde zunächst eine Behelfsbrücke in Form einer Drahtseilhängekonstruktion errichtet. Sie blieb bis zum eigentlichen Beginn des originalgetreuen Wiederaufbaus der Brücke Stari Most bestehen. Dieser begann bereits im Jahre 1995 mit Unterstützung der UNESCO, der Weltbank und der Türkei.[7] Er kostete etwa 15 Millionen Euro. Den Wiederaufbau der Brücke übernahm die türkische Firma ER-BU. Dabei wurden, soweit (wenige) noch vorhanden und nutzbar, die alten Steine wiederverwendet und fehlende aus demselben Steinbruch wie 1566 ersetzt. Insgesamt sollen nun 1088 Steinquader verbaut worden sein. Die Errichtung des Bogens erfolgte ab Sommer 2002, offizielle Wiedereröffnung der Brücke fand unter Anwesenheit von Vertretern aus 60 Staaten am 23. Juli 2004 statt. Ehemals wurden die Kalksteinblöcke mit Klammern aus Stahl verbunden, neu wurde für dieselbe (versteckte) Verbindungstechnik nichtrostender Stahl eingesetzt. Damals wie heute wurden die Metallstäbe mit Blei in die ins Gestein gebohrten Löcher eingegossen. Der Baumeister der ersten Brücke hatte die Pläne vernichtet.
- Behelfsbrücke (1998)
- Aus der Neretva geborgene Brückenfragmente liegen zum Trocknen auf einem Podest (1998)
- Die Alte Brücke bei der offiziellen Wiedereröffnung am 23. Juli 2004
Weltkulturerbe
Nicht nur wegen ihrer architektonischen Einmaligkeit, sondern auch aufgrund der großen Symbolkraft der Brücke wurden das Bauwerk und seine historische Umgebung am 15. Juli 2005 in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen und sind damit die erste Welterbestätte in Bosnien-Herzegowina. Die UNESCO würdigte die Brücke als „Symbol der Versöhnung und internationalen Zusammenarbeit […] und […] Symbol für das Zusammenleben von verschiedenen religiösen, kulturellen und ethnischen Gemeinden“.[8] Zudem ist sie ein geschütztes Kulturgut nach der Haager Konvention.
Aufgrund des Wiederaufbaus und der Aufstockung des benachbarten Hotels Ruza war der Status als Welterbe von der UNESCO in Frage gestellt worden. Auf einer Sonderkonferenz, die Ende Januar 2008 in Sarajevo stattfand, kündigten bosnische Vertreter den Rückbau der obersten Etage des Hotels an, um den Titel zu retten.[9]
Konstruktion
Der Bogen mit der Form einer Ellipse und einem kleinen Knick im Scheitel hat eine lichte Weite von 28,7 Meter und eine Pfeilhöhe von 12,0 Meter. Im Scheitel betrug die Dicke 0,77 Meter bei einer Bauwerksbreite von 4,0 Meter. Zwei Hohlräume im Bogen verminderten das Eigengewicht der Brücke und ermöglichten so die schlanke Bogenkonstruktion. Der Bogen endet in Stützpfeilern aus Kalkstein, die über Flügelmauerwerk mit den Ufermauern verbunden sind, was zu einem monolithischen Eindruck führt.
Die Steinblöcke der Brücke wurden bei der Rekonstruktion durch Klammern aus nichtrostendem Stahl von 10 cm Länge verbunden, die durch das Eingießen von Blei im Stein fixiert wurden. Diese Technik der Verbindung der Steine durch eiserne Dübel und ihres Fixierens mittels Ausgießens durch Blei war schon vom damaligen Architekten Mimar Hajrudin verwendet worden und sollte deshalb auch beim Wiederaufbau zur Anwendung kommen.[10]
Legende
Hajrudin hatte die fertiggestellte Brücke nie gesehen. Alten Legenden zufolge sei Hajrudin nach einem Einsturz der Brücke zur Strafe der Kopf abgeschlagen worden. Zuvor war die Brücke bereits zweimal in den Fluss gefallen, weshalb die Bevölkerung sagte: „Der Fluss lässt sich nicht überspringen.“ Hajrudin zog sich unweit der Stadt Mostar zurück, in das Gebiet Bijelo Polje (Weißes Feld), und wartete auf die Nachricht seiner Emissäre, die den Abbau des Gerüstes überwachten. Nachdem ihm die Nachricht überbracht wurde, dass mit der Brücke alles in Ordnung sei, ritt er über das Bergmassiv Velež Richtung Türkei. Während der Reise erkrankte er an Gelbsucht und starb an der Krankheit in Jedrenè (im heutigen Bulgarien).
Laut einer weiteren Legende wurde für den Bau der Brücke ungewaschene Schafwolle, Eiweiß und Honig als Bindemittel (Mörtel) benutzt, weshalb im gesamten Gebiet Eierverzehr absolut verboten war. Angeblich wurden 300.000 Eier verwendet.
Brückenspringen
Es besteht unter den jungen Männern der Stadt die Tradition, aus 20 m Höhe von der Geländermauer der Brücke in die Neretva zu springen, heutzutage nach Bezahlung durch Touristen. Stadtlegende Alija "Ale" Ajanić, auf der Straße auch „Šampion“ (kroatisch: Champion) genannt, sprang das erste Mal im Alter von 13 Jahren, gewann 7 Mal den Sprungwettbewerb und sprang zumindest bis zum Alter von 50. Einige Springer holten sich Knochenbrüche und mitunter den Tod.[11] Da die Neretva sehr kalt und die Brücke recht hoch ist, erfordert dies Mut und entsprechende Kondition. Der Brauch geht angeblich zurück bis in die Zeit der Erbauung; die erste Aufzeichnung eines Sprunges stammt aus dem Jahr 1664. Seit 1986 wird jeweils Ende Juli ein Wettbewerb ausgetragen, Teilnehmer müssen zumindest 18 Jahre alt sein. Nachdem die Brücke 1993 zerstört worden war, wurde von einem montierten Brett gesprungen.[12] Emir Balić (* 1934 oder 1935) sprang mehr als tausend Mal von der Brücke – zuletzt im Alter von 61 Jahren – und gewann dreizehn Mal. 2015 waren 53 Teilnehmer angemeldet, doch zwei entschieden sich auf der Brücke, doch nicht zu springen. Gesprungen wird der Fußsprung oder die „Schwalbe“ (bosnisch: „lasta“), ein Kopfsprung mit anfangs seitlich ausgebreiteten Armen.[13]
Für die jährliche Veranstaltung der Red Bull Cliff Diving World Series (Seit 2015, 2020 wegen Corona-Maßnahmen abgesagt, zuletzt August 2022) wird (2021:) ein 8 m hoher Holzturm in der Mitte der 19 m hohen Brücke mit unterwasserseitig auskragender Plattform aufgebaut. 24 Athleten, die Hälfte davon Frauen, springen somit 27 m tief hinunter in den Fluss. Eine Wasserfontäne trifft die sonst zu glatte Wasseroberfläche, um sie für die Springer im Bereich des Eintauchpunkts besser sichtbar zu machen.[14]
Literatur
- Martin Coward: Urbicide: the Politics of Urban Destruction, Routledge, New York 2008, S. 1–7, ISBN 978-0-415-46131-3.
- Gabi Dolff-Bonekämper: Mostar. Un pont suspendu dans l’histoire. In: Les cahiers de science et vie.Nr. 91, février 2006 (Themenheft: Sept merveilles pour faire un monde) 2006, S. 100–103. ISSN 1157-4887
- Gorazd Humar: Schönheit und Konstruktion der zerstörten Alten Brücke über die Neretva in Mostar (1566–1993). In: Beton- und Stahlbetonbau 91. Jahrgang 1996, Heft 1, S. 18–20.
- Hans Koschnick, Jens Schneider: Brücke über die Neretva. Der Wiederaufbau von Mostar. dtv 30496, München 1995, ISBN 3-423-30496-0.
- Léon Pressouyre: Le pont de Mostar aléas et limites d'une reconstruction "à l’identique". In: Bulletin archéologique du Comité des Travaux Historiques et Scientifiques / Archéologie, histoire de l’art, époques médiévale et moderne (Paris : Ed. du CTHS).N.S. 34 2008, S. 187–198. ISSN 1286-0999.
- Léon Pressouyre: Merveilles médiévales. In: Les cahiers de science et vie.Nr. 91 (Themenheft: Sept merveilles pour faire un monde) 2006, S. 78–81. ISSN 1157-4887.
- UNESCO World Heritage Centre: Decision – 29COM 8B.49 – Nominations of Cultural Properties to the World Heritage List: The Old Bridge area of the Old City of Mostar.
Weblinks
- Detaillierte technische Beschreibung des italienischen Generalauftragnehmers für den Wiederaufbau der Brücke (englisch)
- Umfangreiche Dokumentation einschließlich Fotogalerie des Zentrums für Frieden (Centar za mir) zum Wiederaufbau der Brücke (bosnisch)
- Die Brücke von Mostar – Schätze der Welt – SWR Dokumentarfilmreihe
- Jerrilynn D. Dodds: Hearts and Stones. Artikel in Saudi Aramco World (englisch)
- Stari most Artikel, Linkliste, Bibliographie auf archnet.org (englisch)
Einzelnachweise
- SPECIJALNI IZVJEŠTAJ o izgledu, upotrebi i zaštiti državnih, odnosno službenih obilježja u Bosni i Hercegovini. In: ombudsmen.gov.ba. Abgerufen am 23. Juli 2020.
- Anklageschrift des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, 2. März 2004 (Anklagepunkte 116 und 118)
- Die Brücke von Mostar. Seite zu einer Fernsehdokumentation des ZDF (2003) (Memento vom 28. März 2010 im Internet Archive)
- UN-Tribunal verurteilt sechs bosnische Kroaten, Deutsche Welle, 29. Mai 2013
- Kriegsverbrecher Praljak nach Gifteinnahme tot. Spiegel online vom 29. November 2017
- Gift-Tod in Den Haag – Verurteilter Slobodan Praljak gestorben. Die Welt vom 29. November 2017
- Archivierte Kopie (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
- Bericht der ARD-Tagesschau (tagesschau.de-Archiv)
- Bosnien kämpft um Weltkulturerbe / Kultur / SF Tagesschau. 15. April 2008, archiviert vom ; abgerufen am 21. Dezember 2023.
- Wayback Machine. 11. Juni 2016, archiviert vom am 11. Juni 2016; abgerufen am 26. Juni 2021.
- Elly Ajanić (Tochter oder Sohn von Alija Ajanić), Amar Rajković: Mostar – Sprung in die Freiheit. In: biber, Österreich, Februar 2011, Neuerscheinung 4. März 2015.
- Peter Münch: Neue Sprünge vom Regenbogen sueddeutsche.de, 19. Mai 2010, abgerufen 15. Dezember 2018.
- Brückenspringer – die Schwalben von Mostar ard-wien.de, 29. Juli 2015, abgerufen 15. Dezember 2018. – 20 m Sprunghöhe.
- David Pesendorfer (Protokoll), Dean Treml (Fotos): Rock Stars. The Red Bulletin, August 2022, S. 20 ff., hier: S. 24 f.