Boris Previšić

Boris Previšić (* 11. April 1972 in Richterswil) ist ein Schweizer Literaturwissenschaftler und Musiker. Er ist Professor für Literatur- und Kulturwissenschaften an der Universität Luzern und Gründungsdirektor des Instituts Kulturen der Alpen.

Boris Previšić

Leben

Als Sohn eines Jugoslawen und einer Schweizerin wuchs er auf einem Biobauernhof in Fischenthal auf. Bereits als «15-Jähriger hatte er einen Rettungsplan für Jugoslawien» in Anlehnung an das Schweizer Modell im Sinne einer «Confoederatio Jugoslavica».[1] Previšić ist Vater von drei Söhnen.

Musikalisches Wirken

Nach der Matura am Langzeitgymnasium in Wetzikon erwarb Previšić in Winterthur das Orchesterdiplom (1996) und machte bei Felix Renggli an der Musikakademie Basel die Konzertausbildung mit kammermusikalischem und kulturphilosophischem Schwerpunkt. Bevor sich Previšić der Literatur- und Kulturwissenschaften verschrieb, verfeinerte er seine interpretatorischen Fähigkeiten in der Neuen und Zeitgenössischen Musik sowie auf der Traverso an der Cité internationale des arts in Paris bei Gilles Burgos. 1999 erhielt er den ersten Preis am nationalen Querflötenwettbewerb des Lions-Clubs.[2] Im selben Jahr spielte er mit dem Ensemble Daswirdas für Konzeptmusik John Cages Branches ein.[3] 2001 gründete er zusammen mit Matthias Arter pre-art zur Förderung des zeitgenössischen Musikschaffens in Ost- und Südosteuropa. Mit dem Komponisten Ališer Sijarić schuf er Sonemus Fest für zeitgenössische Musik in Sarajevo.[4] 2016 erhielt er mit den pre-art Soloists[5] das Werkjahr für Interpretation der Stadt Zürich.[6] William Blanks Werk OPHRYS (2019) für Ensemble und Soloflöte ist Previšić als Solisten gewidmet und wurde 2022 von ihm unter der Leitung des Komponisten eingespielt.

Literaturwissenschaftlicher Werdegang

Sein Studium in Neuerer Deutscher, Französischer und Vergleichender Literaturwissenschaft an der Universität Zürich schloss Previšić nach einem Gastaufenthalt an der Cornell University 2005 mit der Promotion zu Hölderlins Rhythmus ab. Previšić untersucht diskursive und narratologische Konstruktionen von Identität, insbesondere indem er den Balkan als Reflexion europäischer Identität analysiert. Diesem Thema widmete er sich als Gastforscher und Gastprofessor in Berlin, Wien und Zagreb. Auf die Habilitationsschrift «Literatur topographiert. Der Balkan und die postjugoslawischen Kriege im Fadenkreuz des Erzählens» folgte 2014 die venia legendi an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel. Gleichzeitig untersuchte er imperiale Projektionsfelder der Literatur in Südosteuropa vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart im Basler SNF-Projekt «Jenseits des Nationalen»,[7] der die Monographie «Es heiszt aber ganz Europa» (2017) folgte.

Professur in Literatur- und Kulturwissenschaften

In seiner Zeit an der Universität Luzern ab 2015 griff Previšić im Rahmen seiner SNF-Förderungsprofessur ein musikalisches Thema in der Literaturwissenschaft mit dezidiert kulturwissenschaftlicher Ausrichtung auf. In seinem Forschungsprojekt «Stimmung und Polyphonie: Musikalische Paradigmen in Literatur und Kultur» zeichnete er eine Geschichte der ungleichstufig temperierten Stimmungen nach, die sich im 17. Jahrhundert etablieren und im 18. Jahrhundert als zentrale Sinndimension auf Ästhetik und Physiologie übertragen. Seit 2018 widmet sich Previsic prononciert klimapolitischen Fragen, dies insbesondere im Zusammenhang mit der Zukunft der Alpen mit einer hochskalierten Kohlendioxid-Rückbindung. Während er in seiner Publikation Fünf nach Zwölf (2020) hauptsächlich den natur- und sozialwissenschaftlichen Stand der Klimafolgen einem breiten Publikum zugänglich macht, vollzieht er im Buch Zeitkollaps (2023) eine erste kulturwissenschaftliche Wende hin zur Frage nach der Erzählbarkeit der überschrittenen planetaren Grenzen im Anthropozän.

Urner Institut Kulturen der Alpen

Seit 2020 ist Previšić Gründungsdirektor des Urner Instituts Kulturen der Alpen, das sich auf der Basis historischer Erfahrung mit den Zukunftsperspektiven dieses geomorphologisch besonderen Kulturraums beschäftigt.[8] Bereits in der letzten Ausgabe der Safier Triennale von pre-art im Jahr 2007 wurde im Projekt «Der Berg kommt» die «alpine Brache» als Schlagwort der Stadtentwicklung abgeschafft.[9] Zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels 2016 gab Previšić den Band «Gotthardfantasien» heraus, welcher den Mythos um den zentralen Alpenpass relativiert und in einen europäischen Gesamtkontext stellt.[10] 2021 begründete Previšić das Online-Magazin «Syntopia Alpina», das sich mit den Herausforderungen in den Alpen beschäftigt.[11]

Werke

Eine vollständige Liste der wissenschaftlichen Publikationen findet sich auf Previšićs Website der Universität Luzern.[12]

Monographien

  • Zeitkollaps. Handeln angesichts des Planetaren. Mandelbaum, Wien 2023, ISBN 978-3-99136-006-3.
  • CO2: Fünf nach Zwölf. Wie wir den Klimakollaps verhindern können. Mandelbaum, Wien 2020, ISBN 978-3-85476-871-5.
  • „Es heiszt aber ganz Europa...“ Imperiale Vermächtnisse von Herder bis Handke. Kadmos, Berlin 2017, ISBN 978-3-86599-368-7.
  • Literatur topographiert. Der Balkan und die postjugoslawischen Kriege im Fadenkreuz des Erzählens. Kadmos, Berlin 2014, ISBN 978-3-86599-220-8 (Vollständig zugleich: Basel, Universität, Habilitationsschrift, 2013).
  • Das Attentat von Sarajevo 1914. Ereignis und Erzählung. Hohesufer, Hannover 2014, ISBN 978-3-941513-34-1.
  • Hölderlins Rhythmus. Ein Handbuch. Stroemfeld, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-86109-185-1 (Zugleich: Zürich, Universität, Dissertation 2005).

Herausgeberschaften (Auswahl)

  • mit Alexander Honold und Kathrin Schuchmann: Gletscherbersten. Schliff. Literaturzeitschrift 16. Text und Kritik, München 2023, ISBN 978-3-96707-747-6.
  • mit Christof Hamann, Alexander Honold und Kathrin Schuchmann: Bergstürze. Schliff. Literaturzeitschrift 15. Text und Kritik, München 2022, ISBN 978-3-96707-667-7.
  • mit Silvan Moosmüller: Polyphonie und Narration. WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2020, ISBN 978-3-86821-847-3.
  • mit Silvan Moosmüller und Laure Spaltenstein (Hg.): Stimmungen und Vielstimmigkeit der Aufklärungen. Wallstein, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-3075-7.
  • Gotthardfantasien – Eine Blütenlese aus Wissenschaft und Literatur. Hier und jetzt, Baden 2016, ISBN 978-3-03919-388-2.
  • mit Martina Baleva: Den Balkan gibt es nicht. Erbschaften im Südosten Europas. Böhlau, Wien 2016, ISBN 978-3-412-22531-5.
  • mit Thomas Grob und Andrea Zink: Erzählte Mobilität im östlichen Europa. (Post-)Imperiale Räume zwischen Erfahrung und Imagination. Narr, Tübingen 2013, ISBN 978-3-7720-8484-3.
  • mit Evi Fountoulakis: Der Gast als Fremder. Narrative Alterität in der Literatur. Transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1466-4.
  • Die Literatur der Literaturtheorie. Collection 10. Lang, Bern 2010, ISBN 978-3-0343-0421-4.

CDs (Auswahl)

  • Collegium Novum Zurich, pre-art Soloists: William Blank – Flow, OPHRYS, Refrain II, (a)round. NEOS 2022, NEOS 12212, EAN 4260063122125.
  • SONEMUS: Spatial Intersections. Gramofon 2005, GCD3001.
  • daswirdas: John Cage – Branches (1976). Edition Wandelweiser Records, Haan 1999, EWR 9901.

Einzelnachweise

  1. https://tageswoche.ch/politik/eine-confoederatio-jugoslavica-waere-die-rettung-gewesen/index.html
  2. https://www.lionsclubs.ch/de/md/was-wir-tun/musikwettbewerb.html
  3. https://www.ignm-zuerich.ch/page.php?0,2,11,2002,0,
  4. https://sonemus.ba/ensemble/
  5. https://pre-art.ch/ensemble
  6. https://www.stadt-zuerich.ch/kultur/de/index/foerderung/e-musik/foerderung/Beitraege.html
  7. https://slavistik.philhist.unibas.ch/de/forschung/erzaehlen-jenseits-des-nationalen/
  8. https://www.kulturen-der-alpen.ch/
  9. https://www.baviera.info/2007_safiental/2007_safiental_projekt_seiten/2007_safiental_projekt_seite_02.htm
  10. Zur Besprechung in der Süddeutschen Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/kultur/ingenieurskunst-und-literatur-die-spiralen-der-berg-und-die-ameisen-1.3289847
  11. https://www.syntopia-alpina.ch/
  12. Prof. Dr. Boris Previšić. Publikationen
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