Bewohnerparken
Bewohnerparken, Anwohnerparken oder Anrainerparken[1] ist eine Maßnahme der Parkraumbewirtschaftung, bei der auf Autoparkplätzen besondere Regeln für die Menschen gelten, die in der Nähe wohnen.
Deutschland
Bewohnerparken (früher: Anwohnerparken) ist in Deutschland durch das Straßenverkehrsgesetz vorgesehen und in der Straßenverkehrs-Ordnung im Einzelnen geregelt. Damit haben Ortsansässige die Möglichkeit, ein Straßenfahrzeug auch über einen längeren Zeitraum auf einem bestimmten Parkplatz zu parken. Dort können entweder ein Haltverbot mit Ausnahmen für Bewohner (sog. negative Beschilderung) oder Parkplätze, die durch Zusatzzeichen für Bewohner reserviert sind (sog. positive Beschilderung), eingerichtet sein. Dazu bedarf es eines Parkausweises, der von dem jeweiligen Bewohner bei der zuständigen Behörde der Gemeinde beantragt werden muss. Für die Ausstellung müssen Gebühren entrichtet werden. Der Parkausweis wird dann ausgestellt, wenn nachgewiesen werden kann, dass sich der Parkplatz, auf den sich der Antrag bezieht, in der Nähe des eingetragenen Wohnortes befindet. Oft ist auch ein Nachweis notwendig, dass außerdem kein privater Stellplatz vorhanden ist. Dem im Bewohnerparkausweis aufgeführten Fahrzeug wird dann gestattet, im jeweiligen ausgeschilderten Bereich zu parken. Der Ausweis muss von außen gut lesbar sein und sich an der vorgeschriebenen Stelle im Inneren des Fahrzeuges befinden.
Parkausweise für Bewohner
Bis 2020 waren die Gebühren für Bewohnerparkausweise bundeseinheitlich auf höchstens 30,70 Euro pro Jahr gedeckelt. (Gebührennummer 265 der GebOSt) Durch eine Gesetzesänderung wurde die Zuständigkeit auf die Länder übertragen (Einführung des § 6a Abs. 5a StVG), die somit die Möglichkeit haben, die Höhe der Gebühr freizugeben. Die Länder Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen haben entsprechende Delegationsverordnungen zur Übertragung der Zuständigkeit an die Kommunen erlassen.[2] Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg benötigen keine Delegationsverordnung. Im Juli 2021 führte erstmals Hamburg eine Bewohnerparkgebühr in Höhe von 45 € pro Jahr ein. Dutzende weitere Städten zogen nach.[3] Seit April 2022 erhebt Freiburg mit einer Höhe von bis zu 480 € pro Jahr gestaffelt nach Kategorien nach Länge der Fahrzeuge die bundesweit höchsten Bewohnerparkgebühren.[4][5] Die Angemessenheit der Höhe der Gebühren wurde im Juni 2022 von Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt.[6] Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die als Satzung erlassene Gebührenordnung aus formellen Gründen für unwirksam. Die Delegationsverordnung des Landes sah zwar eine Satzung vor, das Straßengesetz des Bundes eine Rechtsverordnung.[7] Zusätzlich wurden die Tatbestände für Ermäßigung und Erlass der Parkgebühren aus sozialen Gründen mangels Rechtsgrundlage seitens des Bundes für unwirksam erklärt.[8] Die Angemessenheit der Höhe der Gebühren wurde dagegen bestätigt.[9]
Stadt | Kosten/Jahr in Euro (mind.) |
Bonn | 360 |
Münster | 260 |
Kaiserslautern | 200 |
Frankfurt am Main | 120 |
Köln (ab 3. Quartal 2024) | 100 |
Bremen | 75 |
Hamburg | 65 |
Stuttgart | 30,7 |
Leipzig | 30,7 |
Dortmund | 30,7 |
Hannover | 30,7 |
Duisburg | 30,7 |
München | 30 |
Essen | 30 |
Dresden | 30 |
Nürnberg | 30 |
Wuppertal | 30 |
Bielefeld | 26 |
Düsseldorf | 25 |
Bochum | 22 |
Berlin | 10,2 |
Organisation der Ausweisung
Wie schnell Kommunen bei der Ausweisung neuer Parkraumbewirtschaftungszonen vorgehen, unterscheidet sich je nach den Verwaltungsprozessen und Strukturen vor Ort. Zur Einrichtung benötigt es bisher in der Regel einen politischen Auftrag, einen Nachweis des Parkdrucks, die Erarbeitung eines Konzepts, Bürgerbeteiligungs- oder Informationsveranstaltungen, die Beschaffung der Beschilderung, die Ausstellung von Bewohnerparkausweisen sowie Bereitstellung von Personal für die Überwachung der Parkraumbewirtschaftung.
Für die rechtssichere Einführung von Bewohnerparken ist de jure keine Mehrheit in kommunalpolitischen Gremien oder der Bevölkerung vor Ort vonnöten. Faktisch sind die Entscheidungen jedoch so umstritten, dass Verwaltungen in der Regel nicht ohne kommunalpolitische Beschlüsse tätig werden, selbst wenn die Voraussetzungen des StVG und der StVO erfüllt sind. In München dauerte der Prozess für die Einführung einer neuen Parkzone 2023 rund 2,5 Jahre und in Hamburg rund ein Jahr. Die höhere Geschwindigkeit Hamburgs liegt laut der Agora Verkehrswende an der Organisation des kompletten Prozesses innerhalb eines kommunalen Eigenbetriebs, des Landesbetriebs Verkehr. Im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg konnte der Prozess von über drei Jahren auf 1,5 Jahre verkürzt werden, indem die Prozesse innerhalb der Verwaltung optimiert wurden.[12]
Umbenennung in Bewohnerparken
Im Mai 1998 wurde die Praxis, großflächige Anwohnerparkzonen zuzuweisen, wie sie bis dahin häufiger in Großstädten praktiziert worden war, durch das Bundesverwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt. Grund dafür war, dass der „Begriff des Anwohners […] eine enge räumliche Verbindung zwischen Wohnung und Pkw-Abstellort“ verlangt. Damit hätten sich Anwohnerparkzonen in der Regel nicht über „mehr als zwei bis drei Straßen“ erstrecken dürfen. Die entsprechende Rechtsgrundlage zur Anordnung von flächenhaften Parkbevorrechtigungen für Anwohner war damit nicht vorhanden.[13] Der Gesetzgeber änderte daraufhin das Straßenverkehrsgesetz und ersetzte den Begriff „Anwohner“ durch „Bewohner“.[14] In der Folge änderte dann das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen die Straßenverkehrs-Ordnung entsprechend.[15] Um der Umbenennung Rechnung zu tragen, mussten bundesweit alle „Anwohner“- in „Bewohner“-Schilder geändert werden. Vielerorts geschah dies aus Kostengründen durch einfaches Überkleben der Buchstaben „An“ durch „Be“. Im August 2020 urteilte das Sächsische Oberverwaltungsgericht, dass eine Ausdehnung von 1.000 Metern nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung unter keinen Umständen überschritten werden dürfe, und kippte damit die Einführung einer Bewohnerparkzone in Leipzig.[16]
Europa
In europäischen Großstädten außerhalb Deutschlands liegen die Gebühren für das Bewohnerparken teilweise um ein Vielfaches höher.[17] In den teuersten Stadtvierteln Londons werden bis zu 3.380 Euro jährlich fällig, in Stockholm bis zu 1.178 Euro, in Kopenhagen mamximal 772 Euro pro Jahr. Es gibt jedoch auch Städte, in denen die Gebühren in einer ähnlichen Höhe erhoben werden wie in den teureren deutschen Städten. Zu dieser Gruppe zählen Reykjavík (bis zu 218 Euro pro Jahr) oder Wien (120 Euro jährlich).[11]
Weblinks
Einzelnachweise
- Anrainerparken - Parkplätze für Anwohnerinnen und Anwohner. In: Wien.gv.at. Stadt Wien, abgerufen am 9. Dezember 2019 (österreichisches Deutsch).
- Liste der Delegationsverordnungen. In: fliessbaden.de. Abgerufen am 6. Juni 2023.
- Liste der angepassten Bewohnerparkgebühren. In: fliessbaden.de. Abgerufen am 6. Juni 2023.
- Lukas Kissel: Der schmerzhafte Abschied vom Billigstellplatz. In: spiegel.de. 24. September 2022, abgerufen am 6. Juni 2023.
- Manuel Fritsch: Anwohnerparken in Freiburg wird nicht nur viel teurer, sondern auch viel komplizierter. In: badische-zeitung.de. 21. Februar 2022, abgerufen am 6. Juni 2023.
- Klimaschutz rechtfertigt höhere Anwohnerparkgebühren in Freiburg. In: swr.de. 28. Juni 2022, abgerufen am 6. Juni 2023.
- Signalwirkung für andere Städte? Bundesverwaltungsgericht kippt Freiburger Regeln zum Anwohnerparken - SWR.de
- Wegweisendes Urteil zum Anwohnerparken. In: tagesschau.de. 13. Juni 2023, abgerufen am 14. Juni 2023.
- Bundesverwaltungsgericht kippt Regeln zum Anwohnerparken in Freiburg. In: spiegel.de. 13. Juni 2023, abgerufen am 14. Juni 2023.
- Paul Meerkamp: Parkgebühren: Das langsame Ende des Billigparkens. In: Die Zeit. 17. Februar 2024, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 19. Februar 2024]).
- Titus Blome, Tobias Bug, Björn Finke, Christina Kunkel, Vivien Timmler, Kathrin Werner: Wieso Falschparker so oft damit durchkommen. In: sueddeutsche.de. 15. März 2024, abgerufen am 19. März 2024.
- Thomas Stein, Uta Bauer: Vom Plan auf die Straße: Wie Kommunen den Ausbau von Radverkehrsinfrastruktur und Parkraummanagement beschleunigen können. (PDF) Agora Verkehrswende, Oktober 2023, abgerufen am 19. März 2024.
- Wortlaut des Urteils des BVerwG (Az. 3 C 11/97) vom 28. Mai 1998
- Gesetz vom 19. März 2001 (BGBl. I S. 386)
- Verordnung vom 14. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3783)
- Bewohnerparken Waldstraßenviertel: Parkscheinautomaten in Zone E werden außer Betrieb genommen (Memento vom 22. September 2020 im Internet Archive)
- Umparken – den öffentlichen Raum gerechter verteilen: Zahlen und Fakten zum Parkraummanagement. (PDF) Agora Verkehrswende, 2022, S. 3, abgerufen am 19. März 2024.