Berzeliit

Das Mineral Berzeliit ist ein sehr seltenes Arsenat aus der Granatgruppe und hat die idealisierte chemische Zusammensetzung Ca2+2Na+Mg2+2As5+3O12. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Struktur von Granat.[2][5][6][7]

Berzeliit
Gelber Berzeliit in Calcit aus Långban, Schweden (Sichtfeld 14 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Bze[1]

Andere Namen

Berzelit, Kühnit, Magnesium-Berzeliit, Magnesium-Pharmacolit

Chemische Formel Ca2+2Na+Mg2+2As5+3O12[2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Phosphate, Arsenate und Vanadate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

7/A.08-50
VII/A.08-030

8.AC.25
38.2.1.1
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakisoktaedrisch; 4/m32/m
Raumgruppe Ia3d (Nr. 230)Vorlage:Raumgruppe/230
Gitterparameter a = 12,33(synthetisches Endglied)[3]
12,3450 (natürlicher Mischkristall) Å[4]
Formeleinheiten Z = 8[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5 - 6[5]
Dichte (g/cm3) natürlicher Mischkristall: 4,06 (berechnet)[4]
Spaltbarkeit nicht beobachtet[5]
Bruch; Tenazität muschelig[5]
Farbe farblos (synthetisch)[3], schmutzigweiß bis honiggelb, orange (natürlicher Mischkristall)[5]
Strichfarbe Bitte ergänzen!
Transparenz Bitte ergänzen!
Glanz Wachsglanz[5]
Kristalloptik
Brechungsindex n = 1,710 (synthetisch)[3]
Doppelbrechung isotrop
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten löslich in Salpetersäure[5]

Berzeliit tritt in Form wachsglänzender, derber Massen und Krusten oder meist xenomorpher Kristalle von selten über einem Millimeter Größe auf. Die Farbe variiert mit zunehmenden Mangangehalten von farblos über gelb, orange bis bräunlich.[3][5][8]

Gebildet wird Berzeliit bei der Kontaktmetamorphose von karbonatischen Sedimenten durch granitische bis dioritische Magmen. Die Typlokalität ist die extrem mineralreiche Eisen-, Mangan- und Skarnlagerstätte Långban in der Gemeinde Filipstad, Provinz Värmlands län, Schweden.[5][9]

Etymologie und Geschichte

Jöns Jakob Berzelius entdeckte nicht nur das Element Selen, sondern charakterisierte auch als Erster den später nach ihm benannten Berzelianit von Skrikerum als Kupferselenid.

Die erste Beschreibung dieses neuartigen Arsenats aus Långban (Langbanshytta) gab Professor O. B. Kühn aus Leipzig im Jahr 1840. Er bestimmte die Zusammensetzung nicht ganz korrekt mit (Ca, Mg, Mn)3As2O8 und benannte das Mineral nach dem schwedischen Mediziner und Chemiker Jöns Jakob Berzelius Berzeliit.[5] Damit war Berzeliit das zweite Mineral, das nach dem berühmten Chemiker benannt worden war. Bereits 1832 benannte François Sulpice Beudant das zuvor von ihm beschriebene séleniure de cuivre in Berzelin um.[10] 1850 wurde der Name Berzelin von James Dwight Dana erneut geändert in Berzelianit.

Offenbar war die Wahl des Namens Berzeliit nicht unumstritten

Diesen Vorschlag habe ich gethan, nicht aus gemeiner Schmeichelei, die mir von Herzensgrunde verhaßt ist, sondern durchdrungen von wahrer, aufrichtiger, aber nicht blinder Hochachtung und Verehrung für B e r z e l i u s;[5]

und hatte sich wegen persönlicher Probleme um einige Jahre verzögert:

Wenn ich jetzt erst mit der gegenwärtigen Mittheilung hervortrete, so habe ich nur die mich niederdrückenden ungünstigen Verhältnisse zu beklagen, welche die Beschleunigung und Vollendung einer ziemlich ausgedehnten Reihe von Untersuchungen von Mineralkörpern, in welcher der Berzeliit einen Theil bildete, bisher verhindert haben...[5]

Die Struktur bestimmte der österreichische Mineraloge Felix Machatschki 90 Jahre später während seines Aufenthaltes in Göttingen. Er konnte zeigen, dass Natrium ein essentieller Bestandteil von Berzeliit ist, Berzeliit mit der Struktur von Granat kristallisiert und leitete daraus die korrekte Zusammensetzung ab: Ca2+2Na+Mg2+2As5+3O12.[2][11]

Noch im gleichen Jahr wurde Machatschki als Professor an die Universität Tübingen berufen, wo er 1935 mit Wolfgang Bubeck den endgültigen Beleg für die Isotypie von Berzeliit und Granat erbrachte. Es war der erste Beleg einer Isotypie eines Arsenats mit einer Silikatstruktur überhaupt.[6]

Die ersten Synthesen erfolgten 1968 von Jun Ito vom Department of Geological Sciences der Harvard University in Cambridge (Massachusetts). Er konnte zeigen, dass Berzeliit und sein Manganäquivalent (Manganberzeliit) lückenlos mischbar und bei Temperaturen oberhalb 550 °C (1,5 kbar) nicht mehr stabil sind.[3]

Khorari und Mitarbeiter konnten 1995 mit weiteren Untersuchungen an synthetischen Arsenatgranaten zeigen, dass Berzeliit polymorph ist und bei hohen Temperaturen in die Struktur von Alluaudit übergeht.[12]

Klassifikation

Die aktuelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Berzeliit zur Granat-Obergruppe, wo er zusammen mit Manganberzeliit, Palenzonait und Schäferit die Berzeliitgruppe mit 15 positiven Ladungen auf der tetraedrisch koordinierten Gitterposition bildet.[13]

In der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehört der Berzeliit zur Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort zur Abteilung der „Wasserfreien Phosphate [PO4]3−, ohne fremde Anionen“, wo er zusammen mit Palenzonait, Chladniit, Fillowit, Galileiit, Johnsomervilleit, Manganberzeliit, Schäferit, Storneseit-(Y) und Xenophyllit die unbenannte Gruppe VII/A.08 bildet.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Berzeliit ebenfalls in die Abteilung der „Phosphate usw. ohne zusätzliche Anionen; ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung C „Mit mittelgroßen und großen Kationen“ zu finden ist, wo es mit Palenzonait, Manganberzeliit und Schäferit die Berzeliitgruppe 8.AC.25 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Berzeliit in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort in die Abteilung der „Wasserfreie Phosphate etc.“ ein. Hier ist er zusammen mit Palenzonait, Manganberzeliit und Schäferit in der Berzeleiitgruppe Systematik der Minerale nach Dana/Phosphate, Arsenate, Vanadate#38.02.01 Berzeliitgruppe innerhalb der Unterabteilung „38.02 Wasserfreie Phosphate etc., (A+B2+)5(XO4)3“ zu finden.

Chemismus

Berzeliit mit der idealisierten Zusammensetzung [X](Na+Ca2+2)[Y]Mg2+2[Z]As5+3O12 ist das Magnesium-Analog von Manganberzeliit ([X](Na+Ca2+2)[Y]Mn2+2[Z]As5+3O12) bzw. das Arsen-Analog von Schäferit ([X](Na+Ca2+2)[Y]Mg2+2[Z]V5+3O12). In den eckigen Klammern ist die Position der Kationen in der Granatstruktur angegeben.

Für Berzeliit aus der Typlokalität wird folgende Zusammensetzung angegeben:

  • [X](Ca2+2,13Na+0,90)[Y](Mg2+1,68Mn2+0,29)[Z](As5+2,89V5+0,02P5+0,02Si4+0,07)O12[4]

Die einzige bedeutende Abweichung von der idealen Zusammensetzung ist der Ersatz von Magnesium durch Mangan auf der oktaedrisch koordinierten Y-Position, entsprechend der Austauschreaktion

  • [Y]Mg2+ = [Y]Mn2+

Es besteht eine vollständige Austauschbarkeit von Mg und Mn auf dieser Position.[3]

Die Calciumgehalte auf der X-Position können etwas über den maximal für Granate dieser Gruppe zu erwartenden Wert liegen. Der Ladungsausgleich erfolgt durch Si-Einbau auf der Tetraederposition entsprechend einer Austauschreaktion - [X]Na+ + [Z]As5+ = [X]Ca2+ + [Z]Si4+

Kristallstruktur

Berzeliit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe Ia3d (Raumgruppen-Nr. 230)Vorlage:Raumgruppe/230 mit 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität hat dem Gitterparameter a = 12,3450 Å.[4] Der Gitterparameter von synthetischem, reinem Berzeliit ist geringfügig kleiner: a = 12,33 Å.[3]

Die Struktur ist die von Granat. Natrium (Na+) und Calcium (Ca2+) besetzten die dodekaedrisch von 8 Sauerstoffionen umgebene X-Position, Magnesium (Mg2+) die oktaedrisch von 6 Sauerstoffionen umgebene Y-Position und die tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Position ist ausschließlich mit Arsen (As5+) besetzt.[2][4][6][7]

Bildung und Fundorte

Berzeliit bildet sich bei der Metamorphose von Eisen-Manganlagerstätten.

Die Typlokalität ist die Eisen-Mangan-Skarnlagerstätte Långban in der Gemeinde Filipstad, Provinz Värmlands län, Schweden.[5][9] Berzeliit tritt hier in manganreichen Skarnen zusammen mit Calcit und Hausmannit auf[4], seltener auch mit Magnetit oder Richterit.[8] Diese extrem mineralreiche Manganlagerstätte ist Typlokalität von über 70 weiteren, meist sehr seltenen Minerale.[9]

Ein weiteres, ähnliches Vorkommen in Schweden ist die Sjögruvan Mine bei Grythyttan in der Gemeinde Hällefors, ebenfalls Provinz Örebro län, Sweden.[9]

In Italien findet sich Berzeliit in den metamorphen Manganlagerstätten der Provinz Cuneo im Piemont. In der Montaldo Mine bei Borgata Oberti im Corsaglia Tal in der Gemeinde Montaldo di Mondovì tritt Berzeliit eingewachsen in Calcit auf.[14] Auch in der Valletta Mine im Miara Tal in der Gemeinde Canosio wurde Berzeliit auf Halden gefunden.[9]

In der Schweiz wurde Berzeliit auf den Halden des Bergwerks von Falotta in der Gemeinde Surses im Albulatal, Graubünden gefunden.[9]

In der Arsenatnaya Fumarole am nördlichen Durchbruch der "Great Fissure eruption" des Vulkans Tolbatschik in der Region Kamtschatka, Russland, tritt Berzeliit zusammen mit zahlreichen, sehr seltenen Arsenaten auf.[8]

Siehe auch

Commons: Berzeliite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. Felix Machatschki: IX. Berzeliit, ein Arsenat vom Formel- und Strukturtypus Granat (X3 Y2 Z3 O12). In: Zeitschrift für Kristallographie - Crystalline Materials. Band 73, 1930, S. 123–140, doi:10.1524/zkri.1930.73.1.123.
  3. Jun Ito: SYNTHESIS OF THE ERZBLIITE (Ca2NaMg2As3O12)-MANGANESEBERZELITE (Ca2NaMn2As3O12) SERIES (ARSENATE GARNET). In: American Mineralogist. Band 53, 1968, S. 316–319 (minsocam.org [PDF; 241 kB; abgerufen am 4. April 2018]).
  4. M. Nagashima, and T. Armbruster: Palenzonaite, berzeliite, and manganberzeliite:(As5+,V5+,Si4+)O4 tetrahedra in garnet structures. In: Mineralogical Magazine. Band 76, 2012, S. 1081–1097 (rruff.info [PDF; 379 kB; abgerufen am 23. März 2018]).
  5. O. B. Kühn: Neues Mineral von Langbanshytta bei Fahlun. In: Annalen der Chemie und Pharmacie. Band 34, 1840, S. 211218 (rruff.info [PDF; 574 kB; abgerufen am 4. April 2018]).
  6. W. Bubeck und F. Machatschki: Die Kristallstruktur des Berzeliit (Ca,Na)3(Mg,Mn)2[AsO4]3. In: Zeitschrift für Kristallographie – Crystalline Materials. Band 90, 1935, S. 44–50 (rruff.info [PDF; 3,2 MB; abgerufen am 4. April 2018]).
  7. F. C. Hawthorne: Refinement of the Crystal Structure of Berzeliite. In: Acta Cryst. B32, 1976, S. 1581–1583 (researchgate.net [PDF; 319 kB; abgerufen am 4. April 2018]).
  8. Fotos von Berzeliit. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 2. Mai 2020 (englisch).
  9. Fundortliste für Berzeliit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 2. Mai 2020.
  10. François Sulpice Beudant: Traité Élémentaire de Minéralogie Bd. II. 2. Auflage. Verdière, Paris 1832, S. 534 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Felix Machatschki: XXIV. Kürzere Originalmitteilungen und Notizen: Über Berzeliit. In: Zeitschrift für Kristallographie - Crystalline Materials. Band 74, 1930, S. 230–236, doi:10.1524/zkri.1930.74.1.230.
  12. S. Khorari, A. Rulmont, R. Cahay, P. Tarte: Structure of the Complex Arsenates NaCa2M2+2(AsO4)3(M2+ = Mg,Ni,Co): First Experimental Evidence of a Garnet-Alluaudite Reversible Polymorphism. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 118, 1995, S. 267273, doi:10.1006/jssc.1995.1343.
  13. Edward S. Grew, Andrew J. Locock, Stuart J. Mills, Irina O. Galuskina, Evgeny V. Galuskin and Ulf Hålenius: IMA Report - Nomenclature of the garnet supergroup. In: American Mineralogist. Band 98, 2013, S. 785–811 (cnmnc.main.jp [PDF; 2,3 MB; abgerufen am 8. Juli 2017]).
  14. G. C. Piccoli, U. Kolitsch, G. Blass, M. E. Ciriotti: Berzeliite di Montaldo di Mondovì: prima segnalazione italiana. In: Micro (UK report). Band 1, 2007, S. 4954 (researchgate.net [PDF; 135 kB; abgerufen am 11. April 2018]).
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