Berufliches Gymnasium Agrarwirtschaft

Das berufliche Gymnasium (auch: Fachgymnasium) Agrarwirtschaft, auch: der Agrarwissenschaft, auch agrarwissenschaftliches Gymnasium, ist ein Schultyp des berufsbildenden Sektors; es führt als Vollzeitschule i. d. R. in drei Jahren zur Allgemeinen Hochschulreife. Durch berufsbezogene und allgemeinbildende Unterrichtsinhalte vermittelt das berufliche Gymnasium eine Bildung, die den Anforderungen für die Aufnahme eines Studiums aller Fachrichtungen an Universitäten und Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland genügt. Darin ähnelt es der gymnasialen Oberstufe des allgemeinbildenden Gymnasiums, allerdings sind bestimmte Prüfungsfächer durch den Schwerpunkt vorgegeben.

In der Fachrichtung Agrarwirtschaft sind die profilgebenden Fächer auf den landwirtschaftlichen Bereich ausgerichtet. Zugangsvoraussetzung ist ein Realschulabschluss, der zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe berechtigt, oder ein gleichwertiger Abschluss. Das erste (in Baden-Württemberg und Sachsen: zweite) Fach mit erhöhtem Anforderungsniveau ist nach KMK-Beschluss[1] das Fach Agrartechnik mit Biologie, dazu kommt das Fach Wirtschaftslehre (als viertes oder fünftes Prüfungsfach – P4 oder P5).

Das berufliche Gymnasium Agrarwirtschaft ist in der Bundesrepublik nur noch in vier Bundesländern eingerichtet – in Baden-Württemberg, in Niedersachsen, in Sachsen und in Schleswig-Holstein. In den anderen Ländern wird es nur noch auf dem Papier oder gar nicht angeboten.

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg sind für die beruflichen Gymnasien und damit auch für das Agrarwissenschaftliche Gymnasium (AG), wie es dort heißt, im Jahre 2020 neue Bildungspläne erschienen. Damit soll auf die zu beobachtende Entwicklung der Biochemie, der Molekulargenetik und der Informationstechnologie reagiert werden.[2]

Erstes Prüfungsfach (P1) ist das Profilfach Agrarbiologie, das zweite (P2) Deutsch oder Mathematik, das dritte (P3) Deutsch, Mathematik (sofern sie nicht P2 sind) oder eine fortgeführte Fremdsprache. Im Profilfach Agrarbiologie geht es zunächst um Grundlagen der Biologie, der landwirtschaftlichen Produktionstechnik und Bodenkunde. Im weiterführenden Unterricht stehen dann die Themen Stoffwechselphysiologie bei Pflanze und Tier, molekulare Genetik sowie Züchtungsgenetik auf dem Stundenplan; die Themen nachhaltige und ressourcenschonende Landwirtschaft und angewandte Ökologie werden in Wahlfächern behandelt. Zurzeit gibt es das AG an sechs Standorten im Land Baden-Württemberg.[3]

Niedersachsen

In Niedersachsen firmiert das berufliche Gymnasium mit dem Schwerpunkt Agrarwirtschaft unter dem Dach des Beruflichen Gymnasiums: Gesundheit und Soziales. Von den Lernenden werden Themen aus dem Bereich der Agrarwissenschaften unter Berücksichtigung naturwissenschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Aspekte bearbeitet. Das Ziel ist, die Auswirkungen naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse auf die Entwicklung der Wirtschaft, der Umwelt und des täglichen Lebens kritisch zu untersuchen und die verantwortungsvolle Gestaltung und Nutzung der Natur in den Blick zu nehmen.[4] Das berufliche Gymnasium: Gesundheit und Soziales, Schwerpunkt Agrarwirtschaft ist in Niedersachsen an sieben Standorten eingerichtet.[5] Die Profilfächer sind Agrar- und Umwelttechnologie,[6] Betriebs- und Volkswirtschaft sowie Informationsverarbeitung. P1 ist Agrar- und Umwelttechnologie, P2 und P3 sind Deutsch, (fortgeführte) Fremdsprache, Mathematik oder Chemie.[7]

Sachsen

Auch in Sachsen kann, wer eine allgemeinbildende Schule oder eine berufliche Ausbildung mit guten Leistungen absolviert hat, am Beruflichen Gymnasium die Allgemeine Hochschulreife erwerben. Am Beruflichen Gymnasium der Fachrichtung Agrarwissenschaft, wie es hier heißt, wird neben der Allgemeinen Hochschulreife eine spezifische berufliche Orientierung für den „grünen Bereich“ vermittelt. In der Qualifikationsphase wird aus den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik das erste Leistungsfach gewählt. Das zweite Leistungsfach ist Agrartechnik mit Biologie.[8] Die Abiturprüfung wird in den zwei Leistungsfächern, einem weiteren Fach schriftlich und zwei (!) weiteren Fächern mündlich abgelegt. Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache sind neben dem zweiten Leistungsfach verbindliche Prüfungsfächer. In die Gesamtqualifikation einzubringen sind auch zwei Grundkurse der Jahrgangsstufe 12 im Fach Wirtschaftslehre/Recht.[9] Das Berufliche Gymnasium der Fachrichtung Agrarwissenschaft ist an drei Beruflichen Schulzentren des Freistaates eingerichtet.[10]

Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein heißt der Schultyp Berufliches Gymnasium, Fachrichtung Agrarwirtschaft.[11] Durch die Fachrichtung wird das erste Fach auf erhöhtem Anforderungsniveau bestimmt: Agrartechnik mit Biologie; P2 ist Deutsch, Englisch (als fortgeführte Fremdsprache) oder Mathematik. Für P3 und P4 kommen zwei der Fächer Deutsch, Fremdsprache und Mathematik (die nicht P1 oder P2 sind) in Frage; Mathematik kann durch eine Naturwissenschaft ersetzt werden. P5, also das mündliche Prüfungsfach, ist Wirtschaftslehre.[12] Das Berufliche Gymnasium, Fachrichtung Agrarwirtschaft, wird in Schleswig-Holstein an zwei Standorten angeboten.[13]

Übrige Bundesländer

In Bayern gibt es kein Berufliches Gymnasium, nur berufliche Fachoberschulen/Berufliche Oberschulen, kurz FOSBOS[14], allerdings nicht für den Schwerpunkt Agrarwirtschaft. Die Fachoberschule verleiht nach bestandener Fachabiturprüfung die Fachhochschulreife. Für überdurchschnittlich qualifizierte Absolventen der Fachabiturprüfung kann eine Jahrgangsstufe 13 geführt werden. Diese verleiht nach bestandener Abiturprüfung die fachgebundene Hochschulreife, bei Nachweis der notwendigen Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache die allgemeine Hochschulreife.[15] In Berlin gibt es zwar das Berufliche Gymnasium mit dem Profil Ernährung, dazu gehören Berufsfelder Gesundheit, Ernährung, Gastgewerbe und eben auch Agrarwirtschaft, aber keine Berufsbildende Schule in Berlin hat diesen Schwerpunkt eingerichtet.[16] Auch Brandenburg kennt Berufliche Gymnasien mit den Schwerpunkten Sozialwesen, Technik und Wirtschaft, jedoch nicht für Agrarwirtschaft.[17] In Bremen ist kein Berufliches Gymnasium Agrarwirtschaft eingerichtet, auch nicht am Schulzentrum des Sekundarbereichs II an der Alwin-Lonke-Straße, das den Berufsbereich Agrarwirtschaft anbietet.[18]

Auch in Hamburg wird das Berufliche Gymnasium Agrarwirtschaft nicht angeboten, auch nicht an der BS 06 (Bergedorf), das den Bereich Agrarwirtschaft vertritt.[19] In den Beruflichen Gymnasien in Hessen gibt es keinen Schwerpunkt Agrarwirtschaft.[20] In Mecklenburg-Vorpommern heißt der Schultyp „Fachgymnasium“, auf dem Papier kommt auch die Fachrichtung Agrarwirtschaft vor.[21] Aber unter „Das berufsbezogene Schwerpunktfach in der Fachrichtung …“ kommt Agrarwirtschaft nicht mehr vor. Auch Rahmenpläne für das Fachgymnasium gibt es nicht für Agrarwissenschaft.[22] Unter dem Dach des Berufskollegs gibt es in Nordrhein-Westfalen auch das Berufliche Gymnasium, aber nicht im Fachbereich Agrarwirtschaft.[23]

Rheinland-Pfalz kennt das Berufliche Gymnasium, allerdings nicht mit dem Schwerpunkt Agrarwirtschaft.[24] Im Saarland gibt es keine Beruflichen Gymnasien, dafür berufliche Oberstufengymnasien, allerdings nicht mit dem Schwerpunkt Agrarwirtschaft.[25] Das Berufliche Gymnasium führt in Sachsen-Anhalt die Fachrichtungen Gesundheit und Soziales, Technik und Wirtschaft, aber nicht Agrarwirtschaft.[26] In Thüringen gibt es ein umfangreiches Angebot an Fachrichtungen und Schwerpunkten innerhalb des Beruflichen Gymnasiums – Agrarwirtschaft gehört nicht dazu.[27]

Einzelnachweise

  1. Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung – Agrartechnik mit Biologie, Beschluss v. 1. Dezember 1989 i. d. F. vom 16. November 2006. Abgerufen am 25. Januar 2022
  2. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: Neue Oberstufe am Beruflichen Gymnasium. November 2020. Abgerufen am 25. Januar 2022
  3. Flyer der Edith-Stein-Schule. Agrarwissenschaftliches Gymnasium. Stand: Dezember 2020. Abgerufen am 25. Januar 2022
  4. Niedersächsisches Kultusministerium: Das Berufliche Gymnasium. Stand: Juli 2020. Abgerufen am 25. Januar 2022
  5. Niedersächsisches Kultusministerium: Bildungsgänge der öffentlichen berufsbildenden Schulen. Stand: 15. November 2020. Abgerufen am 25. Januar 2022
  6. Niedersächsisches Kultusministerium: Rahmenrichtlinien Agrar- und Umwelttechnologie. Stand: April 2010. Abgerufen am 26. Januar 2022
  7. Verordnung über berufsbildende Schulen (BbS-VO) vom 10. Juni 2009. Abgerufen am 26. Januar 2022
  8. Einbringungspflicht und Gesamtqualifikation, Schulordnung Berufliche Gymnasien in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. November 1998 (SächsGVBl. 1999 S. 16, 130). Abgerufen am 26. Januar 2022
  9. Sächsisches Staatsministerium für Kultur: Das Abitur am Beruflichen Gymnasium. Informationen zur Oberstufe. November 2018. Abgerufen am 26. Januar 2022
  10. Schuldatenbank Sachsen
  11. Schleswig-Holstein – Das Berufliche Gymnasium. Abgerufen am 26. Januar 2022
  12. Landesregierung Schleswig-Holstein: Landesverordnung über das Berufliche Gymnasium (BGVO) vom 20. Juli 2017. Abgerufen am 26. Januar 2022
  13. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein: Verzeichnis der berufsbildenden Schulen in Schleswig-Holstein. 2016/2017, S. 81. Abgerufen am 26. Januar 2022
  14. Die FOSBOS Bayern – Berufliche Oberschule. Abgerufen am 25. Januar 2022
  15. Die FOSBOS Bayern - Berufliche Oberschule - Mein Weg zum Abitur. Abgerufen am 26. Januar 2022
  16. Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie: Berufliches Gymnasium. Abgerufen am 26. Januar 2022
  17. Land Brandenburg, Ministerium für Bildung, Jugend und Sport: Gymnasium. Abgerufen am 26. Januar 2022
  18. Schulzentrum des Sekundarbereichs II an der Alwin-Lonke-Straße, Berufliches Gymnasium. Abgerufen am 26. Januar 2022
  19. BS 06 Berufliche Schule Chemie, Biologie, Pharmazie, Agrarwirtschaft – Bildungsangebote. Abgerufen am 26. Januar 2022
  20. Hessisches Kultusministerium – Zum Studium. Berufliches Gymnasium. Abgerufen am 26. Januar 2022
  21. Bildungsserver Mecklenburg-Vorpommern – Fachgymnasium. Abgerufen am 26. Januar 2022
  22. Bildungsserver Mecklenburg-Vorpommern – Rahmenpläne an beruflichen Schulen. Abgerufen am 26. Januar 2022
  23. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Das Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen. Bildungsgänge und Abschlüsse, S. 26. Abgerufen am 26. Januar 2022
  24. Bildungsserver Rheinland-Pfalz – Berufliches Gymnasium (BGY) . Abgerufen am 26. Januar 2022
  25. Ministerium für Bildung und Kultur, Saarland – Abitur (Gymnasiale Oberstufe) . Reform der Gymnasialen Oberstufe Saar (GOS). Abgerufen am 26. Januar 2022
  26. Landesportal Sachsen-Anhalt – Berufliches Gymnasium. Abgerufen am 26. Januar 2022
  27. Thüringer Schulportal – Berufliches Gymnasium. Abgerufen am 26. Januar 2022

Siehe auch

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.