Bert Neumann
Bert Neumann (* 9. November 1960 in Magdeburg; † 30. Juli 2015 in Mecklenburg-Vorpommern) war ein deutscher Künstler, Bühnenbildner und Kostümbildner.
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Leben
Neumann wuchs in Ost-Berlin auf und absolvierte 1979 das Abitur. Anschließend arbeitete er in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz als Bühnentechniker, bevor er im Archiv der Abteilung Darstellende Kunst in der Akademie der Künste (Ost) zu arbeiten begann. 1980 bis 1985 studierte er an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und schloss das Diplom für Bühnen- und Kostümbild mit „sehr gut“ ab. Im Anschluss wurde er für drei Jahre an das Hans Otto Theater in Potsdam verpflichtet[1], jedoch wurde der Vertrag nach nur zwei Spielzeiten im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben.
Mit dem Verkauf von selbst bedruckten T-Shirts, die er zusammen mit Lenore Blievernicht entwarf, bereisten beide anschließend die DDR zwischen Leipzig, Dresden, Warnemünde und Wismar. 1986 und 1988 brachte Lenore Blievernicht die gemeinsamen Söhne Leonard und Silvester zur Welt.
Seit 1988 arbeitete Neumann als freier Künstler. Ins selbe Jahr fiel die erste Zusammenarbeit mit Frank Castorf an der Volksbühne in Berlin, wo sie 1990 gemeinsam Schillers Räuber inszenierten.[1] 1989 fand Neumanns erste Ausstellung Werk III Das Schweigen der Sirenen, die er gemeinsam mit dem Maler Volker Mehner erarbeitet hatte, in der Galerie „Weißer Elefant“ statt. 1990 gründete Neumann zusammen mit Lenore Blievernicht und Susanne Schuboth, die nach zwei Jahren in die Niederlande zog, das autonome Grafikbüro „LSD“.[2] Dieses entwarf in der Folge – vom Programmzettel (statt –heft) bis zum „laufenden Rad“ – das imagebildende Marketing der Volksbühne.[3]

Seit 1992 war er Chef-Bühnenbildner an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Neumann arbeitete in der Folgezeit u. a. mit den Regisseuren Thomas Langhoff, Peter Konwitschny, Christoph Schlingensief und Leander Haußmann zusammen, für dessen Film Sonnenallee er auch die Kostüme entwarf. Kontinuierlich arbeitete Neumann, außer mit Castorf, seit 2000 ebenfalls mit dem Autor und Regisseur René Pollesch zusammen, von 2003 bis 2014 auch mit Johan Simons. Als Bühnenbildner wirkte Neumann, der bis 2010 neben Castorf Co-Leiter der Berliner Volksbühne war,[5] auch an Theatern wie der Opéra National de Paris, der Staatsoper Stuttgart, hier mit Jossi Wieler und Sergio Morabito, und der De Nederlandse Opera, Amsterdam.
Bert Neumann war der erste Raumkünstler des deutschsprachigen Theaters, der geschlossene Räume und daraus resultierend die Großaufnahme (per Video) in das deutschsprachige Theater brachte. Ebenso neuartig war 1999 seine Raumkonstruktion zu den Rosenkriegen von Shakespeare. Im Prater, der zweiten Spielstätte der Volksbühne, baute er für diese Inszenierungen ein „New Globe“. Auf dem Bühnenboden, auf den die Zuschauer, von oben aus den einzelnen Logen heraus sich selbst und das Spielgeschehen gleichermaßen beobachtend, hinuntersahen, fungierte ein Teppich als „horizontaler Vorhang“, der den Blick in die Unterwelt des Kellers freigab und wieder verhüllte.
Mit der „Rollenden Roadschau“ (RRS) der Volksbühne konzipierte Neumann zusammen mit Hannah Hurtzig eine Form der aus dem Theater in die Vororte der Städte hinausgetragenen „Schauspiel-Lust“. Auf der EXPO 2000 in Hannover beginnend, tourte die RRS weiter nach Berlin und anschließend über Saő Paulo, Schwedt, Mühlheim und Sofia um die Welt. Die vier Wagen der RRS gastierten im September 2011 in Tokyo[6] und zum letzten Mal 2017 in Athen.
2003 kam Neumanns jüngerer Sohn bei einem Brand in der elterlichen Wohnung ums Leben.[7]
2009 wurde Neumann zum Mitglied der Berliner Akademie der Künste berufen.
2010 stellte Neumann unter dem Titel Setting of a Drama im Wiener Augarten Contemporary aus.[8]
Er starb am 30. Juli 2015 im Alter von 54 Jahren[9] in seinem Haus in Mecklenburg-Vorpommern.[10]
2018 gründeten Lenore Blievernicht und Leonard Neumann die Bert-Neumann-Association zur umfassenden Bewahrung des künstlerischen Nachlasses von Bert Neumann.[11] Neumanns "Räuberrad" wurde im September des Jahres am Rosa-Luxemburg-Platz nach vorangehender Kontroverse wieder aufgestellt.[12] 2019 wurde Neumann posthum mit dem Spezialpreis der Jury der Prager Quadriennale geehrt.[13] Zur Ausstellung Bert Neumann. Service / No Service erschien eine gleichnamige Publikation (Hg.: Lenore Blievernicht und Christiane Kues), gestaltet von Leonard Neumann (LSD Berlin), mit Beiträgen von Jonathan Meese und René Pollesch. 2022 organisierte die gemeinnützige Bert-Neumann-Association in Mecklenburg-Vorpommern unweit des Wohn - und Arbeitsortes von Bert Neumann die Ausstellung "Raststätte 1km" in der Galerie von Burg Klempenow.
Seine Schwester ist die Dramaturgin Aenne Quiñones.[14]
Werke (Auswahl)
- 2002: Stadt als Beute, von Tim Staffel, Volksbühne im Prater, Regie: René Pollesch[15][16]
Auszeichnungen
- 1998 Kainz-Medaille Österreich
- 2000 Kritikerpreis der Berliner Zeitung
- 2001 Bühnenbildner des Jahres, Theater heute
- 2002 Bühnenbildner des Jahres, Theater heute
- 2003 Bühnenbildner des Jahres, Theater heute
- 2003 Theaterpreis Berlin[17]
- 2003 Nestroy-Theaterpreis für die Beste Ausstattung (Österreich)
- 2003 Theaterpreis der Stiftung Preußische Seehandlung Berlin
- 2015 Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis, Hein-Heckroth-Gesellschaft Gießen[18]
- 2016 Bühnenbildner des Jahres, Theater heute (posthum)[19]
- 2019 Spezialpreis der Jury der Prager Quadriennale
Würdigung
Der Kritiker Peter Laudenbach sagte über Bert Neumann in der Süddeutschen Zeitung, er sei „der wichtigste Bühnenbildner seiner Generation“.[20] Michael Laages urteilte in Deutschlandradio Kultur, er sei „der prägendste unter den Bühnenbildnern und Raumgestaltern im deutschen Theater“ gewesen, also das was man „stilprägend“ nennt.[4] Der FAZ-Theaterkritiker Carl Hegemann stellte heraus, Neumann „setzte Trends und beeinflusste die Mode und auch die Werbung stark“.[9]
Literatur
- Hannah Hurtzig (Hrsg.): Imitation of Life. Bert Neumann. Bühnenbilder. Theater der Zeit, Berlin 2001, ISBN 978-3-934344-08-2.
Weblinks
- Till Briegleb: Porträt Bert Neumann. Goethe-Institut, 2015, abgerufen am 13. Februar 2016.
Einzelnachweise
- Einzigartige Theaterräume. Am 9. November 2010 auf deutschlandradiokultur.de
- Link zum LSD (Memento vom 29. Juli 2004 im Internet Archive)
- Daniel Völzke: Was macht die Kunst, Bert Neumann?. Am 14. Juli 2010 auf monopol-magazin.de
- Michael Laages: Ein Bühnen-Erfinder mit Hang zum Flitter. Am 31. Juli 2015 auf deutschlandradiokultur.de
- Peter Kümmel: Das Notglück. Am 8. Mai 2010 auf zeit.de
- Festival/Tokyo 2011 Preview. Am 9. Juli 2011 auf tokyostages.wordpress.com
- Cay Dobberke, Katja Füchsel: Geschirrspüler in Flammen – 14-Jähriger starb bei Wohnungsbrand. Am 17. April 2003 auf tagesspiegel.de
- Wolfgang Kralicek: Rummelplatz der Emotionen. (Memento des vom 17. März 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: FALTER 23/2010.
- Carl Hegemann: Der Souverän der Volksbühne . Am 1. August 2015 auf faz.net
- Peter Laudenbach: Zum Tod von Bühnenbildner Bert Neumann. 3. August 2015, abgerufen am 26. Februar 2024.
- Theaternachlass: Flitter für die Ewigkeit. In: Süddeutsche Zeitung. 5. Juli 2018, abgerufen am 30. November 2021.
- Felix Hackenbruch: Das Räuberrad kehrt an die Volksbühne zurück. In: Der Tagesspiegel. 12. September 2018, abgerufen am 30. November 2021.
- Auszeichnung - Theater-News - Verlag Theater der Zeit. Abgerufen am 1. Dezember 2021.
- Elena Philipp: Theaterpodcast (66) – Zum Tod von René Pollesch. 16. März 2024, abgerufen am 16. März 2024 (deutsch).
- Bert Neumann in Prag geehrt - Preis für deutschen Beitrag zur 14. Prager Quadriennale. ITI, 2019, abgerufen am 30. November 2021.
- Spielzeitchronik 2000 bis 2010. Abgerufen am 22. Juni 2019.
- THEATERPREIS BERLIN STATUT. 1. April 2019, ehemals im (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 3. Oktober 2019. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
- René Pollesch: "Jeder Raum, den du gebaut hast, erzählt diese Autonomie, lieber Bert. Und lässt einen an der eigenen Autonomie bauen.". Laudatio zur Verleihung des Hein-Heckroth-Bühnenbildpreises 2015 vom 26. April 2015 auf nachtkritik.de
- Die Auswertung: Die größte Ehre. In: kultiversum. Die Kulturplattform. Abgerufen am 25. August 2016.
- „Der Osten leuchtete“, Porträt im Nachruf der Süddeutschen Zeitung vom 3. August 2015