Berggebräuche

Als Berggebräuche,[1] auch Bergrechtsbräuche[2] oder Bergwerksgebräuche genannt,[3] bezeichnet man im Bergbau ein altes Gewohnheitsrecht,[4] das sich über viele Jahrhunderte eingebürgert hat.[5] Die Berggebräuche waren kein geschriebenes Recht,[4] sie hatten jedoch so einen hohen Wert, dass sie später vielfach bei der Gestaltung der alten Bergordnungen Einfluss hatten.[1] In vielen Fällen wurden im vorindustriellen Bergbau den Berggebräuchen die Kraft von Gesetzen zuerkannt.[5] Im modernen Bergbau haben Berggebräuche in der Regel keinerlei gesetzliche Geltung mehr.[1]

Grundlagen

Der Beginn und die weitere Entwicklung des Bergrechts haben eine lange Geschichte und eine lange Tradition.[6] Im frühen Bergbau gab es noch keinerlei Berggesetze, die Bergleute handelten, wie sie es für richtig hielten.[7] Daraus entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte bergbaulicher Tätigkeit bestimmte rechtliche Gewohnheiten, die mündlich überliefert wurden.[8] Diese Gewohnheiten wurden von den Bergleuten und Bergbautreibenden stets praktiziert.[6] Durch die Freizügigkeit der Bergleute verbreitete sich dieses Gewohnheitsrecht auch in den Bergrevieren, in die die Bergleute zuwanderten.[9] Hinzu kamen ab dem 12. Jahrhundert Rechtssprichwörter und Erkenntnisse der Schöffenstühle.[7] Diese bergrechtlichen Sitten und Gewohnheiten hatten sich bei den Bergbautreibenden als Berggewohnheitsrecht eingebürgert.[10] Im Laufe der Jahre entstand in den jeweiligen Regionen das Bedürfnis, die Berggebräuche auch schriftlich in einer Bergordnung einzubringen.[8] Im Jahr 1208 wurde die 1185 zunächst als Vertrag bekannte Bergordnung von Trient veröffentlicht.[7] In diese Bergordnung wurden die gewohnheitsrechtlich geprägten Grundsätze des Bergrechts erstmals in ein schriftliches Gesetz eingebracht.[6] Auch in weiteren Bergordnungen wie z. B. der Joachimsthaler Bergordnung wurden die Berggebräuche mit angeführt.[5]

Die einzelnen Berggebräuche

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich mehrere Berggebräuche entwickelt, die als Zeichen zur Unterstützung der Rechtsaussage galten.[2] So wurde beispielsweise im Erzbergbau ein neuer Fund einer reichhaltigen Erzader mit einem Schrei, dem sogenannten Berggeschrei kundgetan.[4] Ebenfalls durch Beschreien des Grubennachbarn musste ein Bergmann seinen Rechtsanspruch auf den Feldesteil nach einem Durchschlag[ANM 1] kundtun.[2] In den österreichischen Bergrevieren musste ein Muter das Begehren nach einer Verleihung seines neuen Fundes durch ein drei Nächte lang betriebenes Feuer und durch lautes Rufen (Beschreien) kundtun.[11] Um sichtbar die Abgrenzung seines Grubenfeldes zu kennzeichnen, musste der Muter als Beweis der Lagerstätte diese mit Reifen[ANM 2] abgrenzen.[2] Um Fundstreitigkeiten zu bereinigen, musste derjenige, dem der Fund streitig gemacht wurde, einen Eid auf den Rundbaum schwören.[11] Diese Regelung fand in vielen alten Bergordnungen ihren Niederschlag.[2] Von den vielen Berggebräuchen sind vier als Hauptgrundsätze auch in die alten Bergordnungen übernommen wurden:[12]

  1. Das Recht des freien Suchens und das Recht des ersten Finders, auch bekannt als die Bergbaufreiheit.[13]
  2. Die Bestätigung und Zumessung des unterirdischen Besitztums nach Begehr des Finders und mit erfolgtem Nachweis der Bauwürdigkeit, auch bekannt als die Verleihung.[12]
  3. Verlust und Zurückfall des verliehenen Besitztums in das Bergfreie bei Nichtbetrieb oder bei nicht ordnungsgemäßem Betrieb des Bergwerks, bekannt als Freifahrung.[13]
  4. Entschädigung des Grundeigentümers für Schäden an Grund und Boden, die durch den Bergbaubetrieb entstanden sind, bekannt als Bergschaden.[12]

Weitere wichtige gewohnheitsrechtliche Rechtsinstitutionen, die im alten Bergrecht galten, waren das Bergregal, das Direktionsprinzip und der Bergzehnt.[6]

Einzelnachweise

  1. Carl von Scheuchenstuel: IDIOTICON der österreichischen Berg- und Hüttensprache. Zum besseren Verständnisse des Österreichischen Berg-Gesetzes und dessen Motive für Nicht-Montanisten. K. k. Hofbuchhändler Wilhelm Braumüller, Wien 1856.
  2. Wirtschaftsvereinigung Bergbau e.V.: Das Bergbau Handbuch. 5. Auflage, Verlag Glückauf GmbH, Essen, 1994, ISBN 3-7739-0567-X, S. 127, 128.
  3. C. J. B. Karsten: Ueber den Ursprung des Berg_regals in Deutschlag. Vorgelesen in den Sitzungen der K. Akademie am 28. März und 18. April 1844. Druck und Verlag von G. Reimer, Berlin 1844, S. 22.
  4. Erklärendes Wörterbuch der im Bergbau in der Hüttenkunde und in Salinenwerken vorkommenden technischen und in Salinenwerken vorkommenden technischen Kunstausdrücke und Fremdwörter. Verlag der Falkenberg’schen Buchhandlung, Burgsteinfurt 1869.
  5. Johann Samuel Schröter: Mineralisches und Bergmännisches Wörterbuch über Rahmen, Worte und Sachen aus der Mineralogie und Bergwerkskunde. Erster Band, von A bis Berg, bei Barrentrapp und Wenner, Frankfurt am Main 1789.
  6. Kerstin Theil: Die Rechtsnachfolge in Bergbauberechtigungen und Betriebsplanzulassungen nach dem Bundesberggesetz. Zugleich eine exemplarische Untersuchung der Rechtsnachfolge in umweltrechtliche Anlagen- und Produktzulassungen. Göttinger Schriften zum öffentlichen Recht, Band 14, Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2019, ISBN 978-3-86395-404-8, S. 95–99.
  7. R. Willecke, G. Turner: Grundriß des Bergrechts. 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg-New York, Berlin 1970, S. 13–15.
  8. Hans Strube: Der Kupferbergbau im Niederfürstentum Hessen. Seine Geschichte von den Anfängen bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. In: Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde. Nr. 87, Eigenverlag, Kassel 1978 / 1979, S. 60, 61, 129–133.
  9. Peter Zenker: Erzbergbau in Siegburg. Eigenverlag des Autors, Siegburg 2009, S. 7, 8.
  10. Julius Dannenberg, Werner Adolf Franck (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch. Verzeichnis und Erklärung der bei Bergbau - Salinenbetrieb und Aufbereitung vorkommenden technischen Ausdrücke, nach dem neuesten Stand der Wissenschaft - Technik und Gesetzgebung bearbeitet, F. U. Brockhaus, Leipzig 1882.
  11. Ernst Schneider: Bergwörterbücher als volkskundliche Quelle. In: Verein für Volkskunde in Wien. Leopold Schmidt, Hans Koren, Franz Lipp, Oskar Moser, Josef Ringler: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde. Band 70, Im Selbstverlag des Vereines für Volkskunde, Wien 1967, S. 19.
  12. Carl Zerrenner: Lehrbuch des deutschen Bergrechts. Erste Abtheilung. Verlag von W. Opetz, Gotha 1862, S. 13–19.
  13. Paul Martin Kreßner: Systematischer Abriß der Bergrechte in Deutschland mit vorzüglicher Rücksicht auf das Königreich Sachsen. Nebst einem Anhang über die wichtigsten außerdeutschen Berggesetzgebungen. Zum Gebrauche bei Vorlesungen und zum Selbststudium, Buchhandlung J. G. Engelhardt, Freiberg 1858, S. 18–22.

Anmerkungen

  1. Die Sponheimer Bergordnung übernahm diese Regelung und legitimierte sie dadurch für ihren Geltungsbereich. (Quelle: Wirtschaftsvereinigung Bergbau e.V.: Das Bergbau Handbuch.)
  2. Diese Regelung fand auch später in den Caller Weistümern von 1494 ihre Berücksichtigung. (Quelle: Wirtschaftsvereinigung Bergbau e.V.: Das Bergbau Handbuch.)
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